Der Erfinder des Muslim Punk
Vor acht Jahren erschien der Roman "Taqwacore" des amerikanischen Konvertiten Michael Muhammad Knight. Darin beschreibt er eine fiktive Muslim-Punk-WG, deren Bewohner zwischen Hardcore Punk und Koranlektüre hin- und herpendeln. Bei jungen Muslims in den USA kam das Werk gut an. Jetzt erscheint der Roman auf Deutsch.
Eine Kirche im Norden von Köln. Die Bänke sind gefüllt. Dicht gedrängt sitzen die Besucher in engen Reihen und blicken nach vorn zur Kanzel. Kein Priester wird erwartet, kein Prophet, sondern ein Schriftsteller: Michael Muhammad Knight, ein Amerikaner, der eine ganze Jugendbewegung ausgelöst hat: Taqwacore.
"Taqwa stammt aus dem Arabischen und heißt so viel wie 'Gottesbewusstsein'. 'Core' – wie in Hardcore – steht für die Punkszene. Das Ganze begann als fiktive Gemeinschaft von muslimischen Punk-Kids, die einen Raum für sich geschaffen haben, in dem man einfach auch mal ein bisschen verwirrt sein durfte."
Gespannt blicken die Besucher der Lesung auf Michael Muhammad Knight. Er trägt ein biederes, blaues Hemd, mit Kragenzipfeln, die aus einem dunkelgrauen Pullover herauslugen. Der Rest seiner Kleidung ist ebenfalls eher praktisch als punkig: graue Stoffhose, festes Schuhwerk, Outdoor-Jacke. Typ netter Schriftsteller von nebenan: Man kann kaum glauben, dass Michael Muhammad Knight sich eine wüste Geschichte über eine muslimische Punk-WG ausgedacht hat.
"Er saß auf seinen Fersen, die Hände auf den Knien, und hatte sich dem Loch in der Wand zugewandt, das Umar mit einem Baseballschläger in die billige Gipsverkleidung geschlagen hatte, um Qibla anzuzeigen. Die Richtung gen Mekka."
Der amerikanische Schriftsteller sieht ein wenig abgekämpft aus, da oben auf der Kanzel. Kein Wunder. Auf dem Weg zur Lesung ist Knight fälschlicherweise in Hannover aus dem Zug gestiegen, sodass er viel zu spät in Köln angekommen ist. Ein Missverständnis. Dennoch nimmt er sich vor seinem Auftritt Zeit für ein Interview. Im Hotelzimmer erinnert er sich an die Zeit, als "Taqwacore" in den USA erschien.
"Als ich das Buch geschrieben habe, hatte ich das Gefühl, dass ich Science Fiction schreibe. Ich dachte, ich schreibe Star Wars."
Doch seine "Punkversion" des Islam kam bei jungen Moslems gut an. Viele nahmen die Geschichte über die schräge WG für bahre Münze - und konnten nicht glauben, dass die Hardcore-Musiker in dem Roman reine Fiktion sind. Michael Muhammad Knight weiß, dass er eine Jugendbewegung ins Rollen gebracht hat. Aber er gibt sich dennoch bescheiden.
" Es gab ja muslimische Kids, die Punks waren, aber sie waren total isoliert und lebten wie auf einer einsamen Insel. Das Buch gab dem Ganzen jetzt einen Namen: Taqwacore. Und als es endlich einen Namen für das Phänomen gab, kamen die Kids plötzlich alle aus den hintersten Ecken hervor und riefen: 'Oh, Taqwacore, das bin ja ich'."
"Taqwacore" sollte eigentlich eine Abkehr vom Islam sein. Der Konvertit Michael Muhammad Knight hatte mit Mitte 20 genug davon. Er war in Pakistan gewesen, er hatte vom Dschihad geträumt - jetzt wollte er endlich stressfrei Sex haben, Musik hören, das Leben genießen.
"Als ich das Buch geschrieben habe, war mir nicht klar, dass es durchaus möglich ist komplex und verwirrt zu sein – und gleichzeitig Moslem. Ich habe mich damals sehr einsam gefühlt, und der Islam kam mir damals so restriktiv und eng vor. Ich habe in diesem Buch einen Islam beschrieben, wie ich ihn mir wünsche, und habe diese Wunschvorstellung dann einfach in die Welt entlassen."
Als er mit 15 vom Katholizismus zum Islam konvertierte, war Michael Knight noch restlos von seinem neuen Glauben begeistert. Sein Vorbild war Malcolm X. Er hatte eine Biografie über den schwarzen Bürgerrechtler gelesen, den Film von Spike Lee gesehen – und wollte genau wie sein Vorbild durch den Islam zu einem besseren Menschen werden, zu einer gefestigten Persönlichkeit.
Vor allem aber wollte sich Knight von seinem Vater abgrenzen, einem Rassisten, der seinem Sohn "Negerfreundlichkeit" vorwarf. Heute sind es andere, denen Michael Muhammad Knight liberale Glaubensauslegung ein Dorn im Auge ist.
"Ich habe einige Drohnachrichten erhalten. Nichts Ernstes soweit. Also, wenn ich bedroht werde, habe ich nicht das geringste Problem damit, die zuständigen Behörden einzuschalten."
Michael Muhammad Knight wirkt besonnen. Er lässt sich so schnell nicht aus der Fassung bringen. Er scheint angekommen in seinem Leben. Ein ruhiger Mittdreißiger, der nur noch selten Punkmusik hört.
"Na, ja, Punk ist schon was für junge Leute, und ich werde leider immer älter. Inzwischen bin ich ein ehrwürdiger Islamwissenschaftler. Ich besuche Forschungskonferenzen, und Kollegen sagen: 'Oh, ich dachte, Sie würden eine Nietenjacke tragen und hätten eine Irokesenfrisur'."
Seit zwei Jahren ist Michael Muhammad Knight verheiratet. Seine Frau und er denken über Kinder nach – und anstatt Romane über Muslim-Punks zu schreiben, beschäftigt er sich jetzt wissenschaftlich mit seiner Religion. Doch von der akademischen Beschaulichkeit sollte man sich nicht täuschen lassen.
"Ich versuche immer noch mutig aufzutreten. Aber ich finde, Punk ist mehr, als eine Flasche gegen die Wand zu schmeißen oder seine Faust zu erheben. Inzwischen bin auf den ersten Blick eher so der Langeweiler-Punk, aber ich hoffe, dass ich trotzdem erfüllt bin vom wahren Geist des Punk."
Michael Muhammad Knight redet nach wie vor gerne über seine "Punkerjahre".In der Kirche in Köln lässt er sein wildes Leben noch einmal Revue passieren. Erzählt von seiner Zeit als Wrestler, von einer Tour mit muslimischen Punkbands durch Pakistan. Er verteidigt den "wahren Geist des Punk", er kämpft für einen liberalen Islam. Doch eines will er bestimmt nicht sein – ein geistiger Führer.
"Ich glaube mein großes Thema ist: Man braucht keinen Führer."
Hinweis:
Michael Muhammad Knights Roman "Taqwacore" ist bei Rogner und Bernhard erschienen, hat 306 Seiten und kostet 19 Euro 95.
Links zum Thema bei dradio.de:
Punkrock ist eine Haltung
Der Wegbereiter des Islam-Punk - Schriftsteller Michael M. Knight über sein Buch "Taqwacore"
"Taqwa stammt aus dem Arabischen und heißt so viel wie 'Gottesbewusstsein'. 'Core' – wie in Hardcore – steht für die Punkszene. Das Ganze begann als fiktive Gemeinschaft von muslimischen Punk-Kids, die einen Raum für sich geschaffen haben, in dem man einfach auch mal ein bisschen verwirrt sein durfte."
Gespannt blicken die Besucher der Lesung auf Michael Muhammad Knight. Er trägt ein biederes, blaues Hemd, mit Kragenzipfeln, die aus einem dunkelgrauen Pullover herauslugen. Der Rest seiner Kleidung ist ebenfalls eher praktisch als punkig: graue Stoffhose, festes Schuhwerk, Outdoor-Jacke. Typ netter Schriftsteller von nebenan: Man kann kaum glauben, dass Michael Muhammad Knight sich eine wüste Geschichte über eine muslimische Punk-WG ausgedacht hat.
"Er saß auf seinen Fersen, die Hände auf den Knien, und hatte sich dem Loch in der Wand zugewandt, das Umar mit einem Baseballschläger in die billige Gipsverkleidung geschlagen hatte, um Qibla anzuzeigen. Die Richtung gen Mekka."
Der amerikanische Schriftsteller sieht ein wenig abgekämpft aus, da oben auf der Kanzel. Kein Wunder. Auf dem Weg zur Lesung ist Knight fälschlicherweise in Hannover aus dem Zug gestiegen, sodass er viel zu spät in Köln angekommen ist. Ein Missverständnis. Dennoch nimmt er sich vor seinem Auftritt Zeit für ein Interview. Im Hotelzimmer erinnert er sich an die Zeit, als "Taqwacore" in den USA erschien.
"Als ich das Buch geschrieben habe, hatte ich das Gefühl, dass ich Science Fiction schreibe. Ich dachte, ich schreibe Star Wars."
Doch seine "Punkversion" des Islam kam bei jungen Moslems gut an. Viele nahmen die Geschichte über die schräge WG für bahre Münze - und konnten nicht glauben, dass die Hardcore-Musiker in dem Roman reine Fiktion sind. Michael Muhammad Knight weiß, dass er eine Jugendbewegung ins Rollen gebracht hat. Aber er gibt sich dennoch bescheiden.
" Es gab ja muslimische Kids, die Punks waren, aber sie waren total isoliert und lebten wie auf einer einsamen Insel. Das Buch gab dem Ganzen jetzt einen Namen: Taqwacore. Und als es endlich einen Namen für das Phänomen gab, kamen die Kids plötzlich alle aus den hintersten Ecken hervor und riefen: 'Oh, Taqwacore, das bin ja ich'."
"Taqwacore" sollte eigentlich eine Abkehr vom Islam sein. Der Konvertit Michael Muhammad Knight hatte mit Mitte 20 genug davon. Er war in Pakistan gewesen, er hatte vom Dschihad geträumt - jetzt wollte er endlich stressfrei Sex haben, Musik hören, das Leben genießen.
"Als ich das Buch geschrieben habe, war mir nicht klar, dass es durchaus möglich ist komplex und verwirrt zu sein – und gleichzeitig Moslem. Ich habe mich damals sehr einsam gefühlt, und der Islam kam mir damals so restriktiv und eng vor. Ich habe in diesem Buch einen Islam beschrieben, wie ich ihn mir wünsche, und habe diese Wunschvorstellung dann einfach in die Welt entlassen."
Als er mit 15 vom Katholizismus zum Islam konvertierte, war Michael Knight noch restlos von seinem neuen Glauben begeistert. Sein Vorbild war Malcolm X. Er hatte eine Biografie über den schwarzen Bürgerrechtler gelesen, den Film von Spike Lee gesehen – und wollte genau wie sein Vorbild durch den Islam zu einem besseren Menschen werden, zu einer gefestigten Persönlichkeit.
Vor allem aber wollte sich Knight von seinem Vater abgrenzen, einem Rassisten, der seinem Sohn "Negerfreundlichkeit" vorwarf. Heute sind es andere, denen Michael Muhammad Knight liberale Glaubensauslegung ein Dorn im Auge ist.
"Ich habe einige Drohnachrichten erhalten. Nichts Ernstes soweit. Also, wenn ich bedroht werde, habe ich nicht das geringste Problem damit, die zuständigen Behörden einzuschalten."
Michael Muhammad Knight wirkt besonnen. Er lässt sich so schnell nicht aus der Fassung bringen. Er scheint angekommen in seinem Leben. Ein ruhiger Mittdreißiger, der nur noch selten Punkmusik hört.
"Na, ja, Punk ist schon was für junge Leute, und ich werde leider immer älter. Inzwischen bin ich ein ehrwürdiger Islamwissenschaftler. Ich besuche Forschungskonferenzen, und Kollegen sagen: 'Oh, ich dachte, Sie würden eine Nietenjacke tragen und hätten eine Irokesenfrisur'."
Seit zwei Jahren ist Michael Muhammad Knight verheiratet. Seine Frau und er denken über Kinder nach – und anstatt Romane über Muslim-Punks zu schreiben, beschäftigt er sich jetzt wissenschaftlich mit seiner Religion. Doch von der akademischen Beschaulichkeit sollte man sich nicht täuschen lassen.
"Ich versuche immer noch mutig aufzutreten. Aber ich finde, Punk ist mehr, als eine Flasche gegen die Wand zu schmeißen oder seine Faust zu erheben. Inzwischen bin auf den ersten Blick eher so der Langeweiler-Punk, aber ich hoffe, dass ich trotzdem erfüllt bin vom wahren Geist des Punk."
Michael Muhammad Knight redet nach wie vor gerne über seine "Punkerjahre".In der Kirche in Köln lässt er sein wildes Leben noch einmal Revue passieren. Erzählt von seiner Zeit als Wrestler, von einer Tour mit muslimischen Punkbands durch Pakistan. Er verteidigt den "wahren Geist des Punk", er kämpft für einen liberalen Islam. Doch eines will er bestimmt nicht sein – ein geistiger Führer.
"Ich glaube mein großes Thema ist: Man braucht keinen Führer."
Hinweis:
Michael Muhammad Knights Roman "Taqwacore" ist bei Rogner und Bernhard erschienen, hat 306 Seiten und kostet 19 Euro 95.
Links zum Thema bei dradio.de:
Punkrock ist eine Haltung
Der Wegbereiter des Islam-Punk - Schriftsteller Michael M. Knight über sein Buch "Taqwacore"