Der Fall Kampusch als Spiel auf der Bühne
Die österreichische Autorin Kathrin Röggla hat das Schicksal der entführten Natascha Kampusch in ihrem Stück "Die Beteiligten" verarbeitet. Die Aufführung in Wien, in der Nähe des Tatorts, zeigt, wie sehr man sich dabei im Konjunktiv theoretisierend den Vorfall vom Leib hält und beteiligt "unbeteiligt" sein kann.
Die österreichische Autorin Kathrin Röggla ist, nachdem sie sich bereits auf deutschen Bühnen durchgesetzt hatte, nun wohl auch in ihrer Heimat etabliert: Ihr wird in Wien in November der Nestroy-Autorenpreis verliehen und im Burgtheater wurde nun auch ihr in Düsseldorf uraufgeführtes Stück "Die Beteiligten" aufgeführt, ein Stück über die Österreicherin Natascha Kampusch, die von ihrem 10. bis 18. Lebensjahr von ihrem Entführer gefangen gehalten wurde. Das Stück spiegelt nicht den neuesten Stand im Fall Kampusch, aber tagesaktuell muss Theater ja auch nicht sein.
Seit der Uraufführung ist Natascha Kampuschs eigener Bericht "3096 Tage" erschienen und der fast eine politische Krise auslösende Vorwurf, sie decke einen Mitwisser und Mittäter, wieder zusammengebrochen. Während ihr zunächst nach ihrer Flucht aus ihrer Gefangenschaft, wie Kampusch in ihrem Buch berichtet, zahlreiche Heiratsanträge gemacht und Unterstützung angeboten wurde, wurde sie später für viele zum Hassobjekt, weil sie die Motive ihres Peinigers zu erklären suchte und nicht mehr Opfer sein wollte. Man warf ihr auch vor, ihre Geschichte allzu geschickt zu vermarkten.
Wie auch die anderen Stücke von Kathrin Röggla besteht das Kampusch-Stück "Die Beteiligten" nur aus Nebensätzen im Konjunktiv, die von Figuren mit Namen wie "der quasifreund", "die pseudopsychologin", "die irendwie-nachbarin" vorgetragen werden. Man weiß dabei nicht genau, ob die Konjunktive referierte Aussagen von Kampusch oder jenen Personen sind, die sich in sie "einfühlen", also Projektionen: ein intellektuell raffiniertes Konzert von Meinungen. Das funktioniert besonders gut, unterstützt durch eine ausgeklügelte Live-Video-Choreographie (Philipp Haupt) im ersten Teil. Trotz der schrecklichen Geschichte wird bei Stefan Bachmanns Inszenierung oft gelacht, die Spielfreude der Konjunktivsprecher ist ansteckend.
Die Identifikation und Projektion geht aber weiter, die sechs Schauspieler treten in weiteren Runden als Natascha Kampusch auf, und zwar so, wie sie sich das erste Mal nach ihrer Flucht mit Kopftuch in einer Talkshow zeigte. Aber auch die Interpretation, dass die perversen Gefängnisse im Fall Kampusch und im vergleichbaren Fall Fritzl mit dem österreichischen Charakter zu tun haben könnten, wird ins Spiel gebracht. Ein Schauspieler tritt in Naziuniform auf, während im Hintergrund der Film "Sound of Music" läuft. Man rätselt.
Die Lösung bietet ein Internetbeitrag des Philosophen Slavoi Zizek, im Programmheft abgedruckt, der den Vater Fritzl, der im Keller mit seiner Tochter eine eigene Familie heranzüchtete, mit dem Vater Trapp und seinen Zwangsritualen im Hollywood-Film "Sound of Music" vergleicht. Das Österreichbild im Hollywood-Film ist natürlich auch vor allem Projektion und weniger Erklärung. Auch Zitate von Tarantinos "Kill Bill" beziehen sich wohl auf dieses Familienbild.
Rögglas Stück, das brutale Meinungen in einer, sich schüchtern, verlegen lachenden gebenden Möglichkeitsform durchspielt, führt also nicht Natascha Kampusch, sondern das Medienopfer Natascha Kampusch vor. Doch gerade in Wien, in der Nähe des Tatvorgangs, wird auch deutlich, wie sehr man sich dabei im Konjunktiv theoretisierend auch den Vorfall vom Leib hält und beteiligt "unbeteiligt" sein kann. Insofern ist der Unterschied zwischen dem intellektuellen Spiel im Theater und den Recherchen in der Boulevardpresse gar nicht so groß.
Seit der Uraufführung ist Natascha Kampuschs eigener Bericht "3096 Tage" erschienen und der fast eine politische Krise auslösende Vorwurf, sie decke einen Mitwisser und Mittäter, wieder zusammengebrochen. Während ihr zunächst nach ihrer Flucht aus ihrer Gefangenschaft, wie Kampusch in ihrem Buch berichtet, zahlreiche Heiratsanträge gemacht und Unterstützung angeboten wurde, wurde sie später für viele zum Hassobjekt, weil sie die Motive ihres Peinigers zu erklären suchte und nicht mehr Opfer sein wollte. Man warf ihr auch vor, ihre Geschichte allzu geschickt zu vermarkten.
Wie auch die anderen Stücke von Kathrin Röggla besteht das Kampusch-Stück "Die Beteiligten" nur aus Nebensätzen im Konjunktiv, die von Figuren mit Namen wie "der quasifreund", "die pseudopsychologin", "die irendwie-nachbarin" vorgetragen werden. Man weiß dabei nicht genau, ob die Konjunktive referierte Aussagen von Kampusch oder jenen Personen sind, die sich in sie "einfühlen", also Projektionen: ein intellektuell raffiniertes Konzert von Meinungen. Das funktioniert besonders gut, unterstützt durch eine ausgeklügelte Live-Video-Choreographie (Philipp Haupt) im ersten Teil. Trotz der schrecklichen Geschichte wird bei Stefan Bachmanns Inszenierung oft gelacht, die Spielfreude der Konjunktivsprecher ist ansteckend.
Die Identifikation und Projektion geht aber weiter, die sechs Schauspieler treten in weiteren Runden als Natascha Kampusch auf, und zwar so, wie sie sich das erste Mal nach ihrer Flucht mit Kopftuch in einer Talkshow zeigte. Aber auch die Interpretation, dass die perversen Gefängnisse im Fall Kampusch und im vergleichbaren Fall Fritzl mit dem österreichischen Charakter zu tun haben könnten, wird ins Spiel gebracht. Ein Schauspieler tritt in Naziuniform auf, während im Hintergrund der Film "Sound of Music" läuft. Man rätselt.
Die Lösung bietet ein Internetbeitrag des Philosophen Slavoi Zizek, im Programmheft abgedruckt, der den Vater Fritzl, der im Keller mit seiner Tochter eine eigene Familie heranzüchtete, mit dem Vater Trapp und seinen Zwangsritualen im Hollywood-Film "Sound of Music" vergleicht. Das Österreichbild im Hollywood-Film ist natürlich auch vor allem Projektion und weniger Erklärung. Auch Zitate von Tarantinos "Kill Bill" beziehen sich wohl auf dieses Familienbild.
Rögglas Stück, das brutale Meinungen in einer, sich schüchtern, verlegen lachenden gebenden Möglichkeitsform durchspielt, führt also nicht Natascha Kampusch, sondern das Medienopfer Natascha Kampusch vor. Doch gerade in Wien, in der Nähe des Tatvorgangs, wird auch deutlich, wie sehr man sich dabei im Konjunktiv theoretisierend auch den Vorfall vom Leib hält und beteiligt "unbeteiligt" sein kann. Insofern ist der Unterschied zwischen dem intellektuellen Spiel im Theater und den Recherchen in der Boulevardpresse gar nicht so groß.