Ein Leben ohne Wald – unvorstellbar
"Das geheime Leben der Bäume" kam 2015 auf den Markt und seitdem ist Peter Wohlleben Deutschlands bekanntester Förster. Wenn wir die "Natur schützen wollen, müssen wir sie einfach nur in Ruhe lassen", sagt er.
"Mein Leben als Förster begann unspektakulär. Eine Einarbeitung gab es nicht, aber das empfand ich auch als unnötig. Schließlich hatte ich auf der Fachhochschule alles gelernt, was man als Förster wissen musste."
Peter Wohlleben möchte heute als populärwissenschaftlicher Autor weder Tiere noch Pflanzen als vollautomatische Bioroboter beschreiben. Doch als junger Förster schwamm er noch mit dem Strom, so berichtet er in einer Lesung seiner Lebensgeschichte.
Peter Wohlleben möchte heute als populärwissenschaftlicher Autor weder Tiere noch Pflanzen als vollautomatische Bioroboter beschreiben. Doch als junger Förster schwamm er noch mit dem Strom, so berichtet er in einer Lesung seiner Lebensgeschichte.
"Und so ließ ich den Boden mit einem speziellen Bagger fräsen, damit Fichten und Eichen leichter zu pflanzen waren. Die alten Buchen ließ ich nach und nach fällen, denn sie galten als überaltert. Zum damaligen Zeitpunkt wuchsen sie bereits 170 Jahre, was nach forstlichem Verständnis schon zehn Jahre über das übliche Verfallsdatum hinaus war."
In der Forstwirtschaft fällt ein Baum heute mit knapp 80 Jahren, dabei könnte er in naturbelassenen Wäldern viele Jahrhunderte alt werden. Dort geht es langsam zu.
Als junger Förster kam er ins Grübeln
Junge Bäume stehen im Schatten der großen und wachsen über Jahrzehnte in Millimeterschritten. So wenig Sonnenlicht dringt durch das geschlossene Kronendach zum Boden, dass die alten Bäume ihre Sämlinge über die Wurzeln mit Nährlösung versorgen. Kippt nach langer Zeit einer von den alten um, löst das einfallende Licht ein wahres Wettwachsen der Jungbäume aus. Manche überleben das nicht und werden zu Humus. Die Forstwirtschaft beschleunigt diese Prozesse, indem sie den Bestand ausdünnt. Sie ersetzt Laubwälder durch Nadelwälder, die Holzqualität sinkt. Tonnen schwere Maschinen verdichten und ersticken die Böden. Als junger Förster kam Peter Wohlleben ins Grübeln:
"Denn je mehr ich über das System nachdachte, desto weniger verstand ich es. War es wirklich angewandter Naturschutz alte Laubwälder abzuholzen? Warum musste man Jungwälder pflegen, in dem man überzählige Jungbäumchen heraussägte? Der mir anvertraute Wald mit all seinen Bewohnern wurde nicht bewahrt, sondern zerstört."
Es wird die Lebendigkeit des Waldes zerstört
Forstwälder bezeichnet Peter Wohlleben heute als Monokulturen. Sie zerstören die überbordende Lebendigkeit eines Waldes: die Netzwerke der Insekten, Vögel, Säugetiere, Pflanzen und Pilze. Das Spechtloch bietet ein schönes Beispiel: ein Specht klopft ein Loch, parasitische Pilze erweitern es, Jahre später erst ziehen die Spechte ein, nach ihnen Hohltauben, dann Eulen und kleine Mäuse, zum Schluss die mattglänzenden Mehlkäfer, die sämtliche Abfälle ihrer Vorgänger vertilgen. Die Forstwirtschaft sieht im Spechtloch eine Wertminderung des Holzes – ein Grund, die Bäume schnell zu fällen, was für viele Waldbewohner eine Katastrophe ist. Peter Wohlleben wird seinen Wald schließlich ökologisch betreiben, doch nicht ohne Hindernisse.
"Die größte Hürde aber war die Jagd. Man kann nur dann umweltfreundlichen Waldbau betreiben, wenn der Nachwuchs überlebt und die Wildbestände halbwegs auf natürlichem Niveau sind. Das soziale Miteinander, welches nach dem Prinzip extremer Langsamkeit abläuft, verträgt keinen übermäßigen Wildfraß. Die Sämlinge müssen schließlich Jahrzehnte in Höhen unter einem Meter verharren und ihr Gipfeltrieb kann dort schnell im Maul eines Rehes enden."
Rehe und Hirsche knabbern die Rinde an, fressen die Knospen und Spitzen junger Laubbäume, Wildschweine vertilgen die Früchte der Laubbäume, Bucheckern und Eicheln. Das verursacht große Schäden. Die Jäger füttern das Wild, um später gute Beute zu machen, so sind die Bestände bis auf das Fünfzigfache angewachsen. Im Trubel einer Buchmesse bestärkte Peter Wohlleben Waldspaziergänger darin, sich von Jägern nicht irre machen zu lassen.
"Kindern wird oft im Wald gesagt: seid ruhig. Ihr macht so einen Krach, ihr stört die Tiere. Nein, es ist genau umgekehrt. Wenn sie leise sind, stören sie Tiere. Tiere stören sich am Krach gar nicht, weil sie dann genau wissen: Das sind keine Jäger."
Trotz seiner Liebe zum Wald und zu den Bäumen ist Peter Wohlleben also kein Reh- und Wildschweinhasser geworden – im Gegenteil. Er kann sich begeistern für die Gedächtnisleistung französischer Wildschweine, die Jahr für Jahr zu Beginn der Jagdsaison vorübergehend in die Schweiz auswandern. Denn dort im Kanton Genf herrscht seit einer Volksabstimmung Jagdverbot. Nach Ende der Saison kommen die Tiere dann zurück in ihren heimischen Wald in Frankreich.
Trotz seiner Liebe zum Wald und zu den Bäumen ist Peter Wohlleben also kein Reh- und Wildschweinhasser geworden – im Gegenteil. Er kann sich begeistern für die Gedächtnisleistung französischer Wildschweine, die Jahr für Jahr zu Beginn der Jagdsaison vorübergehend in die Schweiz auswandern. Denn dort im Kanton Genf herrscht seit einer Volksabstimmung Jagdverbot. Nach Ende der Saison kommen die Tiere dann zurück in ihren heimischen Wald in Frankreich.
Wölfe im Yellowstone-Nationalpark
Auch die Wiederkehr des Wolfes sieht der Förster positiv. Weil im Yellowstone-Nationalpark alle Wölfe abgeschossen worden waren, vermehrten sich die Hirsche und in der Folge verschwanden an den Flussufern die Bäume, und mit ihnen die Gräser, die Biber und die Wasservögel. Seit man den Wolf wieder angesiedelt hat, sind die Hirsche in die Berge gezogen und am lange verödeten Ufer ereignet sich eine Kaskade erstaunlicher Veränderungen. Als erstes wachsen wieder Bäume.
"Dann kommen die Bieber zurück, die die Bäume fressen, die Bäume fällen, die Biber legen Dämme an, es entstehen Stillwasserbereiche, und es kommen gleichzeitig Wasservögel zurück. Die ganze Artenvielfalt explodiert, nur weil der Wolf da ist."
Solche Erfahrungen machen Peter Wohlleben grundsätzlich optimistisch, was die Erholungskraft der Natur angeht.
Solche Erfahrungen machen Peter Wohlleben grundsätzlich optimistisch, was die Erholungskraft der Natur angeht.
"Die Natur regelt das perfekt selber. Also, ich mach mir selber um die Natur wenig Sorgen. Das heißt, wir müssen da gar nicht aktiv manipulieren; wenn wir Natur schützen wollen, müssen wir sie einfach nur in Ruhe lassen."
Immer noch arbeitet der Bestsellerautor halbtags als Förster und wohnt auch nach wie vor in seinem Forsthaus. Ein Leben ohne Wald – das kann sich Peter Wohlleben nicht vorstellen. Und er hat eine Vision: 98 Prozent der bewaldeten Flächen in Deutschland werden kommerziell genutzt, das möchte er ändern und plädiert dringend dafür, mehr Wälder der Natur zu überlassen, denn die Bewohner des Waldes brauchen Ruhe und Zeit für ihren eigenen Rhythmus.
Vielleicht erklärt auch das den großen Erfolg seiner Bücher: Wer darin liest, kann den Leistungsdruck und den durchgetakteten Alltag hinter sich lassen und mit Peter Wohlleben eintauchen in die so ganz andere Zeit des Waldes.