Der Fotograf als Prominenten-Jäger
Die Berliner Ausstellung "Pigozzi und Paparazzi" erzählt zum ersten Mal die Geschichte der "Paparazzi", der Prominenten-Fotografen. Sie blättert mit Hunderten von Schwarzweißabzügen zurück in die Glanzzeit des Gewerbes, als noch Einfallsreichtum und Frechheit zählten, statt dreister Überrumpelung und brutaler Verfolgungsjagden.
Im Smoking mit Fliege neben Clint Eastwood oder splitternackt mit Mel Brooks im Whirlpool. Eng angeschmiegt neben Andy Warhol, kumpelhaft mit der Hand auf der Schulter von Truman Capote. So fotografiert Jean Pigozzi sich und seine Welt: mit der Digitalkamera am lang ausgestreckten Arm, als eine Art "personal paparazzi". Der Erbe der Simca-Autodynastie ist mit den Schönen und Reichen auf Du und Du, ihm sehen Hollywoodstars und Pop-Idole jene Fotobesessenheit nach, die kommerziellen Bilderjägern schon mal zum Verhängnis wird. Zum Beispiel bei Marlon Brando oder Sean Penn, die mit Ron Galella einen Paparazzo der ersten Stunde ihre Faust schmecken ließen. Der Modefotograf Helmut Newton bewunderte Schneid und Konsequenz seiner Kollegen. Denn den als "Schmuddelkinder" geschmähten Paparazzi, da spricht Newtons Freund Pigozzi aus Erfahrung, ging es nicht nur ums Geld, sondern auch um archaische Jägerrituale:
" Angeln Sie, um den Fisch zu essen? Es geht ums Fischen, darum, die Beute an Bord zu bringen. Bei der Bärenjagd geht’s auch nicht um den einzelnen Bären, sondern ums Jagen an sich. "
Weniger psychologisch als kunsthistorisch geht die Newton Stiftung dem "Paparazzi"-Phänomen auf den Grund. Zum einen mit Erich Salomon, der in der Weimarer Republik mit den ersten lichtstarken Kleinbildobjektiven die Schattenzonen von Politik und Wirtschaft erkundete, sich unbemerkt in Gerichtsverhandlungen und diplomatische Zirkel einschlich. Zum anderen mit Weegee, dem New Yorker Sensationsreporter, der bei jeder Schießerei und jedem Großbrand als Erster zur Stelle war, der aber auch mit seinem raubeinigen Auftreten brillantenbehängte Damen und befrackte Herren der Upperclass zu grandios verzerrten Fratzen provozieren konnte. Der vor allem Gespür hatte:
" Etwas passiert in diesem Moment, und nicht 12 Millisekunden später. Man kann seine Augen darauf trainieren, wer das nicht schafft, verpasst den richtigen Moment. Und Weegee – ich weiß nicht, ob er provozierte – er ahnte auf jeden Fall immer, wann da etwas ablaufen würde. Nebenbei: Wenn Sie sehr viel Bilder machen, können Sie den Moment auch erwischen – manchmal wenigstens. "
Jean Pigozzi muss es wissen, denn er legt seine kleine Automatikkamera selten aus der Hand, knipst drauflos, wie es eben kommt. Und wählt für seine Bücher am Ende nur wenige Motive aus. Aber das ist nur einer von vielen Paparazzi-Typen, eine Variante zwischen den beiden Extremen, dem Anschleichen à la Salomon und dem aggressiven, technisch hochgerüsteten Draufhalten von Weegee:
Matthias Harder: " Es gibt kein einheitliches Muster der Paparazzi-Fotografie. Einerseits die Konfrontation und andererseits das geraubte Bild aus dem Verborgenen. Bei Ron Galella beispielsweise sehen wir, wie nahe er dem Opfer kommt. Auf der anderen Seite sehen wir Bilder von Daniel Angeli, der mit der Teleoptik die Menschen heranholt, er liegt auf der Lauer und fotografiert die nackte Romy Schneider auf dem Boot."
Matthias Harder, Kurator der Newton Stiftung, erzählt mit seiner Ausstellung zum ersten Mal die Geschichte der "Paparazzi", blättert mit Hunderten von Schwarzweißabzügen zurück in die Glanzzeit des Gewerbes, als in den sechziger und siebziger Jahren noch Einfallsreichtum und Frechheit zählten, statt dreister Überrumpelung und brutaler Verfolgungsjagden, wie sie heute an der Tagesordnung sind. Und Jean Pigozzi erinnert daran, dass gute Reporter zwar immer nah dran sein müssen, aber nicht unbedingt im physischen Sinn. Einfühlungsvermögen reicht auch, wie etwa bei Robert Frank, dessen legendärer Fotoessay "The Americans" den unsichtbaren Hintergrund, das fotohistorische Kontrastprogramm zur Paparazzi-Schau bildet.
Jean Pigozzi: " Was ich an Robert Frank mag: Man spürt seine Anwesenheit. So nahe kommt kein Paparazzo seinem Motiv, gerade mit dem Riesen-Teleobjektiv nicht. Bei Frank sieht man, dass er da war – auf sehr diskrete Art. Als begnadeter Fotograf konnte er sich zurückhalten. Ich bin ein bescheidener Fotograf – und muss mich deshalb selbst ins Bild stellen. "
Mit diesem Markenzeichen, mit seinem eigenen Gesicht direkt neben dem des willigen "Opfers", bleibt Pigozzi allerdings ein Sonderfall. Denn für den gewöhnlichen Prominentenjäger gilt:
Matthias Harder: " Die Paparazzi tauchen geballt auf, am roten Teppich, wie die Soldaten aufgereiht - in Helmut Newtons Bildern, der die Paparazzi ja auch später auf dem Cannes-Filmfestival vor die Linse genommen hat. "
Matthias Harder, der Paparazzi-Forscher, hat die Fotos denn auch dicht an dicht, oft sogar in Dreierreihen übereinander gehängt. Wie bei den Soldaten eben: Einer allein mag lächerlich wirken, aber eine Parade ist allemal überwältigend. Und wo sieht man heute noch so viele Stars und Sternchen von damals, Audrey Hepburn neben Anita Ekberg, Maria Callas oder auch den jungen Arnold Schwarzenegger? Aber nicht nur auf die kommt es an, betont Jean Pigozzi:
" Das finde ich spannend: Wenn man in zwei Sekunden den Fotografen erkennt: Das ist ein Robert Frank, ein Avedon, ein Penn. Das ist unglaublich schwierig, seinen eigenen Stil zu entwickeln! "
Dazu aber bleibt den Paparazzi kaum Zeit. Denn ihre Kunst ist nicht das Porträt im Stile Richard Avedons, nicht das gleichberechtigte Duell zwischen dem Fotografen und einem Selbstdarsteller vor der Kamera. Als aggressive Späher des "public viewing" setzen sie auf den Überraschungsangriff – und behalten trotz Gegenwehr das letzte Wort, pardon: das letzte Bild.
Matthias Harder: " Sicherlich gibt es die Posen, die die Stars sich für den Notfall ausgedacht haben. Die Hände spielen hier allerdings auch eine ganz große Rolle, weil die Fotografen teilweise viel, viel schneller waren und die Schauspieler häufig nur die Hand hochreißen, um sozusagen das Bild abzuwehren. Und das ist nun eine ganz interessante Geste – weil sie es natürlich nicht schaffen! "
" Angeln Sie, um den Fisch zu essen? Es geht ums Fischen, darum, die Beute an Bord zu bringen. Bei der Bärenjagd geht’s auch nicht um den einzelnen Bären, sondern ums Jagen an sich. "
Weniger psychologisch als kunsthistorisch geht die Newton Stiftung dem "Paparazzi"-Phänomen auf den Grund. Zum einen mit Erich Salomon, der in der Weimarer Republik mit den ersten lichtstarken Kleinbildobjektiven die Schattenzonen von Politik und Wirtschaft erkundete, sich unbemerkt in Gerichtsverhandlungen und diplomatische Zirkel einschlich. Zum anderen mit Weegee, dem New Yorker Sensationsreporter, der bei jeder Schießerei und jedem Großbrand als Erster zur Stelle war, der aber auch mit seinem raubeinigen Auftreten brillantenbehängte Damen und befrackte Herren der Upperclass zu grandios verzerrten Fratzen provozieren konnte. Der vor allem Gespür hatte:
" Etwas passiert in diesem Moment, und nicht 12 Millisekunden später. Man kann seine Augen darauf trainieren, wer das nicht schafft, verpasst den richtigen Moment. Und Weegee – ich weiß nicht, ob er provozierte – er ahnte auf jeden Fall immer, wann da etwas ablaufen würde. Nebenbei: Wenn Sie sehr viel Bilder machen, können Sie den Moment auch erwischen – manchmal wenigstens. "
Jean Pigozzi muss es wissen, denn er legt seine kleine Automatikkamera selten aus der Hand, knipst drauflos, wie es eben kommt. Und wählt für seine Bücher am Ende nur wenige Motive aus. Aber das ist nur einer von vielen Paparazzi-Typen, eine Variante zwischen den beiden Extremen, dem Anschleichen à la Salomon und dem aggressiven, technisch hochgerüsteten Draufhalten von Weegee:
Matthias Harder: " Es gibt kein einheitliches Muster der Paparazzi-Fotografie. Einerseits die Konfrontation und andererseits das geraubte Bild aus dem Verborgenen. Bei Ron Galella beispielsweise sehen wir, wie nahe er dem Opfer kommt. Auf der anderen Seite sehen wir Bilder von Daniel Angeli, der mit der Teleoptik die Menschen heranholt, er liegt auf der Lauer und fotografiert die nackte Romy Schneider auf dem Boot."
Matthias Harder, Kurator der Newton Stiftung, erzählt mit seiner Ausstellung zum ersten Mal die Geschichte der "Paparazzi", blättert mit Hunderten von Schwarzweißabzügen zurück in die Glanzzeit des Gewerbes, als in den sechziger und siebziger Jahren noch Einfallsreichtum und Frechheit zählten, statt dreister Überrumpelung und brutaler Verfolgungsjagden, wie sie heute an der Tagesordnung sind. Und Jean Pigozzi erinnert daran, dass gute Reporter zwar immer nah dran sein müssen, aber nicht unbedingt im physischen Sinn. Einfühlungsvermögen reicht auch, wie etwa bei Robert Frank, dessen legendärer Fotoessay "The Americans" den unsichtbaren Hintergrund, das fotohistorische Kontrastprogramm zur Paparazzi-Schau bildet.
Jean Pigozzi: " Was ich an Robert Frank mag: Man spürt seine Anwesenheit. So nahe kommt kein Paparazzo seinem Motiv, gerade mit dem Riesen-Teleobjektiv nicht. Bei Frank sieht man, dass er da war – auf sehr diskrete Art. Als begnadeter Fotograf konnte er sich zurückhalten. Ich bin ein bescheidener Fotograf – und muss mich deshalb selbst ins Bild stellen. "
Mit diesem Markenzeichen, mit seinem eigenen Gesicht direkt neben dem des willigen "Opfers", bleibt Pigozzi allerdings ein Sonderfall. Denn für den gewöhnlichen Prominentenjäger gilt:
Matthias Harder: " Die Paparazzi tauchen geballt auf, am roten Teppich, wie die Soldaten aufgereiht - in Helmut Newtons Bildern, der die Paparazzi ja auch später auf dem Cannes-Filmfestival vor die Linse genommen hat. "
Matthias Harder, der Paparazzi-Forscher, hat die Fotos denn auch dicht an dicht, oft sogar in Dreierreihen übereinander gehängt. Wie bei den Soldaten eben: Einer allein mag lächerlich wirken, aber eine Parade ist allemal überwältigend. Und wo sieht man heute noch so viele Stars und Sternchen von damals, Audrey Hepburn neben Anita Ekberg, Maria Callas oder auch den jungen Arnold Schwarzenegger? Aber nicht nur auf die kommt es an, betont Jean Pigozzi:
" Das finde ich spannend: Wenn man in zwei Sekunden den Fotografen erkennt: Das ist ein Robert Frank, ein Avedon, ein Penn. Das ist unglaublich schwierig, seinen eigenen Stil zu entwickeln! "
Dazu aber bleibt den Paparazzi kaum Zeit. Denn ihre Kunst ist nicht das Porträt im Stile Richard Avedons, nicht das gleichberechtigte Duell zwischen dem Fotografen und einem Selbstdarsteller vor der Kamera. Als aggressive Späher des "public viewing" setzen sie auf den Überraschungsangriff – und behalten trotz Gegenwehr das letzte Wort, pardon: das letzte Bild.
Matthias Harder: " Sicherlich gibt es die Posen, die die Stars sich für den Notfall ausgedacht haben. Die Hände spielen hier allerdings auch eine ganz große Rolle, weil die Fotografen teilweise viel, viel schneller waren und die Schauspieler häufig nur die Hand hochreißen, um sozusagen das Bild abzuwehren. Und das ist nun eine ganz interessante Geste – weil sie es natürlich nicht schaffen! "