Der freie Wille – eine Illusion?

Von Kim Kindermann |
Unserer Entscheidungen sind schon festgelegt, bevor wir sie treffen. Das zumindest behaupten Hirnforscher. Sie sagen: Der freie Wille des Menschen ist eine Illusion. Denn all unser Handeln und Denken ist mit dem Ablauf neuronaler Prozesse zu erklären. Damit haben sie eine hitzige Debatte ausgelöst. Denn wenn der Mensch einer Maschine gleich nur auf Impulse des Gehirns reagiert, dann werden Freiheit und Verantwortung bedeutungslos. So die Kritiker.
Auslöser für den Streit, ob der menschliche Wille ein entschlüsselbares Zusammenspiel neuronaler Prozesse ist oder nicht, war bislang ein einziges, 30 Jahre altes Experiment. Es stammt von Benjamin Libet, amerikanischer Neurophysiologe, und untersucht die Frage: Geht der bewusste Wille der Aktion des Gehirns voraus, oder folgt er ihr nach? Um das herauszufinden, setzte Libet 1978 seine Versuchpersonen vor eine Scheibe, die einem Uhrziffernblatt ähnlich durch Striche unterteilt war, und die anstelle eines Zeigers von einem roten Lichtstrahl umrundet wurde.

Während die Versuchsteilnehmer, deren Gehirnströme mittels Elektroden an der Kopfhaut gemessen wurden, nun also auf die Scheibe schauten, sollten sie einen freien Willenakt ausführen. D.h. sie sollten die Hand heben, den Arm beugen oder einen Finger bewegen.

Libet kam zu einem überraschenden Ergebnis: Die Hirnströme verstärkten sich nämlich bereits 350 Millisekunden, bevor sich der Versuchsteilnehmer seines Willens, etwa den Finger zu bewegen, überhaupt bewusst wurde.

Ohne es zu wollen, eröffnete Libet damit die Diskussion um die Existenz des freien Willens. Führende Hirnforscher behaupteten unter Berufung auf dieses Experiment, dass der freie Wille eine Illusion sei.

Eine Aussage, die natürlich sofort heftigen Widerstand auslöste: Ohne den freien Willen würde der Mensch einer Maschine gleichen, die nur auf elektrische Impulse des eigenen Gehirns reagiert. Freiheit im Handeln und Verantwortung für das eigene Tun wären damit bedeutungslos. Sprich: Es gäbe weder Gut noch Böse, weder Schuld noch Einsicht.