"Der Fremde am See"

Von Anke Leweke · 18.09.2013
In dem Film "Der Fremde am See" werden die Grenzen zwischen Sex und Pornografie ausgelotet. Es gibt auch einen Genre-Wechsel: von einer unaufgeregten Beobachtung schwuler Sexualität hin zu einer seltsam mythisch aufgeladenen Krimihandlung. Herausgekommen ist ein Film über Liebe.
Dieser Film kennt nur einen einzigen Schauplatz und die Handlung spielt während weniger Sommertage. Am Ufer eines Sees treffen sich jeden Nachmittag schwule Männer. Sie ziehen sich aus, liegen nackt in der Sonne, beobachten einander, kommen ins Gespräch, flirten und haben Sex.

Selten dürfte man so viel entblößte männliche Geschlechtsorgane auf der Leinwand gesehen haben und dennoch fühlt man sich nicht als Voyeur, weil der Film keine voyeuristische Kamera hat. In aller Selbstverständlichkeit filmt Alain Guiraudie die Männer, ihre Erektionen und die verschiedenen Stellungswechsel.

Eine Affäre am See
Frank ist einer der Männer, die hier ihre Zeit verbringen. Gerne unterhält er sich mit dem stets abseits sitzenden und schon etwas älteren Henri, sein Begehren gilt aber dem athletisch aussehenden Michel. Eines Abends beobachtet er diesen bei einem brutalen Verbrechen. Frank beginnt eine Affäre, die nur am See ausgelebt wird, über der eine permanente Bedrohung liegt. Es ist ein Spiel mit dem Feuer.
Zunächst kann man den Wechsel des Genres - von einer unaufgeregten Beobachtung schwuler Sexualität zur einer seltsam mythisch aufgeladenen Krimihandlung - nicht ganz nachvollziehen. Man muss an "Querelle" von Jean Genet denken, an Oscar Wildes Textzeilen "Each man kills the thing he loves".

Vielleicht hätte der Film die Leiche nicht gebraucht, vielleicht ist der ermittelnde Kommissar als Running Gag einmal zu oft eingesetzt. Doch der offene Umgang mit Körpern, Nacktheit und Sex macht Sinn, weil die pornografischen Bilder Teil der Erzählung werden.

Frankreich 2013 - Regie: Alain Guiraudie, Mit: Pierre Deledaonchamps, Christophe Paou, Patrick D‘Assumcao - 97 Minuten

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