Der Gameboy-Sound

Von Christian Fischer |
Die ersten Computerspiele hatten oft einen fiepsigen und manchmal geradezu nervtötenden Sound. Doch für viele Musiker strahlen diese Klänge eine unglaubliche Faszination aus. So wird die 8-bit-Musik reanimiert und hält Einzug in moderne Produktionen.
"Ich hab jetzt hier einen grünen Gameboy Pocket. Man sieht vier mal vier Quadrate, die Sechzehntelnoten darstellen. Und wenn man dann eine Taste drückt, wird in eins der Quadrate ein Punkt gesetzt und man hört einen Ton. Und während das läuft, kann man diesen Ton verändern, indem man ihn zum Beispiel verstimmt."

Auf dem grauen Plastikmodul, das in Oliver Wittchows Gameboy steckt, ist ein sogenannter Stepsequencer. 16 Sechzehntelnoten werden in einer Endlosschleife nacheinander abgespielt. Währenddessen können Länge, Tonlage und Lautstärke über eine minimalistische Nutzeroberfläche verändert werden. Das Programm heißt nanoloop, es macht Nintendos 8bit-Konsole zum Musikinstrument für Retro-DJs und Oliver Wittchow hat es geschrieben.

"Dazu gibt es dann zum Beispiel auch dieses Gameboy-typische Rauschen, das wir jetzt hier mal als ein sehr stumpfes Hi-Hat verwenden. Also man kann sehr schnell aus diesen Grundbausteinen Töne nach Belieben zusammenbauen und sie halt auch wieder sehr schnell verändern."

Wittchow begann mit der Entwicklung von nanoloop schon 1997, begeistert vom Klang des Gameboys und der Idee, ein eigenes Musikprogramm dafür zu schreiben.

"Ich hab innerhalb von wenigen Monaten ein ganz rudimentäres Programm geschrieben. Und dann gab es zufällig diesen Liquid Sky Low Fi Contest. Da hab ich zum ersten Mal vor Publikum damit gespielt. Die Leute sind vollkommen ausgeflippt. Ich stand da und hab so ganz schräge Töne mit dem Gameoby gemacht und es war einfach irre, so eine johlende Masse."

In den letzten zehn Jahren hat sich viel getan, immer mehr Gameboy-Kinder wurden erwachsen und entdeckten ihr ehemaliges Spielzeug als Instrument. Musiker wie firestARTer oder Bitshifter reisen um den Globus und geben Konzerte vor einer stetig wachsenden Fangemeinschaft. Die 8bit- oder Chipmusik ist längst ein etabliertes Genre für Musik aus alten Computern und Spielkonsolen.

Oliver Wittchow vertreibt derweil erfolgreich sein kontinuierlich weiterentwickeltes Programm auf nanoloop.de. Seit einiger Zeit hat er sogar einen Vertriebspartner in Japan.

"Also am Anfang habe ich gedacht: Okay, das ist jetzt so eine Mode, das dauert vielleicht ein zwei Jahre. Naja, das war vor fünf, sechs Jahren. Und es ist eigentlich kein Ende abzusehen."

Einen neuerlichen Höhepunkt markierte Anfang Juni die Veröffentlichung eines Albums der 8bitpeople: "The music of Kraftwerk" vereint zahlreiche 8bit-Musiker aus aller Welt mit dem Versuch, bekannte Songs von Kraftwerk nachzuspielen, wie "Tanzmusik", hier von Herbert Weixelbaum, auf zwei Gameboys.

Nicht für jeden 8bit Musiker ist der Gameboy das Instrument der Wahl. Mit allem, was acht Bit hat, wird musiziert: mit Atari, Amiga – und natürlich dem Commodore 64.

Der Soundchip des C64, der sogenannte SID-Chip, sorgte bereits bei der Veröffentlichung im Jahr 1982 mit seinem Klang für Furore.

"Der wurde von einem Menschen namens Bob Yannes erdacht. Das sollte ein Synthesizerchip sein, der billig und einfach herzustellen ist. Das war der beste Computersound, der damals verfügbar war."

Kein Wunder also, dass der C64 unter Chipmusikern beliebt ist. Sven Hendriks macht unter dem eingängigen Namen STA$D400 SID-Musik und wird beim Vorspielen neuer Lieder im Freundeskreis manchmal ungläubig gefragt, ob das sein neuer Klingelton sei.

Dabei ist es ja genau die Begrenztheit der Möglichkeiten, die ihn herausfordert:

"Man muss mit drei Stimmen hinkommen, da irgendwie eine Baseline unterbringen, eine Melodie und ein Schlagzeug. Und man hat auch nur eine sehr begrenzte Anzahl von Wellenformen zur Verfügung und muss damit versuchen, die Instrumente, die man haben möchte, irgendwie hinzubasteln. Von daher ist es reizvoll, mit diesem geringen Vorrat an Stimmen auszukommen."

So mancher Chipmusiker greift allerdings auch mal zum Lötkolben, um die alte Technik den neuen Bedürfnissen anzupassen. Sven Hendriks zum Beispiel hat seinen SID-Chip in Heimarbeit an den Parallelport seines PCs angeschlossen – und kann nun zumindest mehrere Chips gleichzeitig ansteuern.
"Ich bin mit dem C64 groß geworden und der Sound hat mich komplett aus den Latschen gehauen. Ich verbinde damit schon ein bestimmtes Gefühl. Halt Erinnerungen aus meiner Kindheit."

Klar: 8bit ist der Klang der Kindheit. Doch nicht nur das. Neben manch einer klinisch perfekten Pop-Platte nimmt sich der rohe Chipklang erfrischend aktuell aus. Vielleicht, weil er in Zeiten zunehmend anonymer Technik so etwas wie die Seele des Computers offenbart.

"Es gibt sicher diesen Versuch, etwas Computer-typisches zu finden, also eben die einzelnen Bits und Pixel wieder zu sehen und zu hören."

Bei dieser Suche nach Individualität in den grauen Kästen trifft es sich ganz gut, dass jeder SID-Chip einen etwas anderen Klang hat. Beim Hören eines guten 8bit-Songs ist es deshalb ein wenig so, also könnte man einem Computer beim Denken zuhören.