Der ganze Kosmos in der Bauernscheune

Von Holger Hettinger |
Man weiß nicht, was genau ihn so sehr fasziniert hat. Im Jahr 1958 sieht der Bauer Franz Gsellmann aus der Oststeiermark in seiner Lokalzeitung ein Foto des Brüsseler Atomiums, das ist jenes überdimensionale Modell eines Eisenkristalls, das damals für das neue, molekulare Zeitalter stand. Tags darauf macht sich der schmächtige Landwirt auf den Weg nach Belgien, zeichnet die Skulptur, kauft sich ein Miniaturmodell als Andenken und fährt wieder zurück in seine oststeirische Heimat. Es ist die einzige Reise seines Lebens.
Noch in der Nacht seiner Rückkehr beginnt Franz Gsellmann, das Atomium zuhause nachzubauen - es ist der 8. Oktober 1958, heute vor 50 Jahren. Gsellmann ist handwerklich geschickt, die Arbeit geht schnell voran.

Doch schon bald geht es dem Bauern nicht mehr darum, die Brüsseler Skulptur nachzubauen. Er konstruiert weiter, ergänzt den Nukleus Atomium um Fundstücke und Flohmarktkäufe, unter anderem um eine niederländische Windmühle, 26 Glasstöpsel, 53 Schalter, drei Blaulichter, 64 Vogelpfeifen, 200 Glühbirnen, 14 Glocken, einen Mercedesstern, einen Haarföhn. Und das ist noch nicht alles. Die Liste der Bestandteile ist mehrere Seiten lang.

Manches ist sehr teuer, wie eine japanische Spielzeugrakete, die er von einem Grazer Spielwarengeschäft importieren lässt und die ihn 1000 Schilling kostet. Der verschwiegene Landwirt investiert sein ganzes Geld, seine ganze Freizeit in die "Weltmaschine", wie die geheimnisvolle Apparatur nach Gsellmanns Tod im Jahr 1981 getauft wurde.

Wozu die flötende, bimmelnde und blinkende Riesenmaschine gut sein soll, weiß man nicht - Gsellmann hat sich nie dazu geäußert. Das macht die Apparatur noch geheimnisvoller, als sie ohnehin schon ist. Jährlich kommen rund 10.000 Menschen auf Gsellmanns Hof, um das Wunderwerk zu sehen.

Hören Sie zu dem Thema auch ein Gespräch mit dem Schriftsteller Gerhard Roth, der ein Buch über die Weltmaschine geschrieben hat. MP3-Audio