Der Geiger Nemanja Radulovic

Zwischen Balkan und Beethoven

Der serbische Geiger Nemanja Radulovic im Studio von Deutschlandradio Kultur im Berliner Funkhaus, auf genommen am 14.6.2013.
Der serbische Geiger Nemanja Radulovic zu Gast im Studio von Deutschlandradio Kultur © Deutschlandradio / Bettina Straub
Von Mascha Drost |
Fantasievoll, virtuos, mitreißend: Der serbische Geiger Nemanja Radulovic lässt mit seinem Spiel Musikkritiker ins Schwärmen geraten. Sein Debüt-Album "Journey East" bietet eine bunte Mischung aus Klassik und osteuropäischer Folklore.
"Sometimes some friends are joking with me and say: You are like Nemanja from Wonderland."
"My mission is to try to make people happy."
Eine Banalität in etwas Wahrhaftiges zu verwandeln, das ist die Kunst von Nemanja Radulovic. Ob es nun ein platitüdenhafter Satz ist wie "Menschen glücklich machen zu wollen", oder totgespielte Musik wie Brahms "Ungarische Tänze" – bei ihm wirkt es echt, aufrichtig, ohne Pathos.
In seinem Ton schwingt etwas mit, das aufhorchen lässt – etwas ursprüngliches, freies, das dem hochpolierten Klang vieler Geiger verlorengegangen ist. Intensiv aber doch entspannt, glutvoll, geschmeidig und mit einer unwiderstehlichen Prise Sentimentalität. In seinem Spiel haben sich zwei grundverschiedene musikalische Welten getroffen und sind aufs glücklichste miteinander verschmolzen. Die Tradition der sogenannten Zigeunergeiger, mit ihrer aberwitzigen Virtuosität und dem feurigen Musikantentum – auf der anderen Seite die französische Violinschule, geprägt von vornehmer Gradlinigkeit.
Mit viel Aufmerksamkeit und Hingabe
Geboren und aufgewachsen ist Nemanja Radulovic in Jugoslawien, auf dem Gebiet des heutigen Serbien. Während des Bürgerkrieges floh er mit seinen Eltern nach Paris – fremdes Land, fremde Sprache, fremde Musik. Die klassische Ausbildung setzt er in Paris fort, es kommen Siege bei internationalen Wettbewerben hinzu, Konzerte weltweit, erste, von der Kritik gelobte Aufnahmen, Bach, Beethoven, Vivaldi, Paganini. Die Klänge seiner Heimat aber hat sich Radulovic bewahrt – und auch wenn keines der Stücke seiner neuen CD länger als ein paar Minuten ist, er geht mit genauso viel Aufmerksamkeit und Hingabe daran wie an ein großes Konzert – und manchmal sei es sogar schwieriger, eine Geschichte in drei Minuten zu erzählen als in einem großen Konzert:
"I need to put all my soul there, also emotions but also to find the characters in the piece, and the story. And sometimes it is more difficult to tell the story in three minutes than in half an hour."
"It has to touch us, and to be listened, and tob e defended by the artist- that’s it."
Er steht ein für diese Musik, er nimmt sie ernst, lässt sich berühren und gibt diese Liebe weiter an das Publikum. Da spielt es keine Rolle, ob es ein serbisches Volkslied ist, eine Melodie von Antonin Dvorak oder ein Konzertmeistersolo aus Tschaikowskis Schwanensee – das man im übrigen selten so hinreißend hört wie hier.
Kunterbunte Stilmischung
Stilistisch geht es kunterbunt zu auf dieser CD, die über Ungarn, Rumänien, Serbien tief in die dunkel-sehnsuchtsvolle Welt des Balkans vordringt.
Serbische Volkslieder stehen neben Filmmusiken von Kosturica, Zigeunertänze neben Opernmusik. Selbst Dauerbrenner wie Montis Czardas oder der Chatchaturians Säbeltanz beginnen hier wieder neu funkeln – nicht zuletzt dank des Ensembles "Le trilles de Diable", von Radulovic gegründet und ihm in puncto Temperament ebenbürtig.
Die schwarzen Locken wirbeln bei Stücken wie diesem nur so herum, Nemanja Radulovic selbst nicht weniger. Mit den Virtuosen des 19. Jahrhunderts wird er oft verglichen, gern auch mit Paganini – Technik und Virtuosität sind tatsächlich ebenso beeindruckend wie außergewöhnlich, wobei man einräumen muss, dass Raduluvics Wesen um einiges freundlicher und einnehmender sein dürfte als das des Teufelsgeigers.
Selten begegnet man einem Künstler von einer solchen Offenheit, einem fast schon kindlichen Wesen, der fest im Hier und Jetzt lebt, und, ganz mit sich im Reinen, den Augenblick genießt:
"Actually I want to be as a child who is discovering the life, you know? Everything. I just enjoy the moment I am here."
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