Die Sehnsucht nach Europa
Georgien drängt in die Europäische Union und in die NATO - und das am besten gleichzeitig. Seit Juli dieses Jahres besteht ein Assoziierungsabkommen mit Brüssel, doch der georgischen Regierung gehen die Entwicklungen zu langsam.
Vor gut zehn Jahren herrschte auch in diesem georgischen Weingut fernab der Hauptstadt Grabesstille. Winzer Roland Burdiashvili, ein in Heilbronn ausgebildeter Weinbauer, wertet die wirtschaftliche Durstphase von damals heute als Chance für bessere Zeiten:
"Bis 2005 es war sehr schwierig, in Georgien eine gute Qualitätswein zu finden. Seitdem russische Markt zu war, alle Produzenten haben hier angefangen, hier bessere Wein zu produzieren für europäische Länder oder für andere Länder zu verkaufen; deshalb ist die Weinqualität besser geworden; ich kann laut sagen: Ich finde in Georgien keinen Produzenten, der schlechten Wein produziert."
Die Zeiten haben sich wahrlich geändert. Russische Touristen kommen wieder in das malerische Land zwischen dem Schwarzen und dem Kaspischen Meer, und der Wein fließt längst wieder aus dem Südkaukasus zu den russischen Abnehmern. Wären da nicht die von Russland vereinnahmten Provinzen Abchasien und Süd-Ossetien, gäbe es wohl kaum Probleme. Oder doch? So oder so drängt es das 3,7-Millionen-Einwohner-Land gen Westen – in die Europäische Union und in die NATO, am liebsten gleichzeitig. Nach den jüngsten Gipfeln beider Bündnisse im Juli in Warschau und kürzlich in Bratislava ist man in Tiflis traurig, dass dem Land keine neuerlichen Zusagen gemacht wurden.
"Bis 2005 es war sehr schwierig, in Georgien eine gute Qualitätswein zu finden. Seitdem russische Markt zu war, alle Produzenten haben hier angefangen, hier bessere Wein zu produzieren für europäische Länder oder für andere Länder zu verkaufen; deshalb ist die Weinqualität besser geworden; ich kann laut sagen: Ich finde in Georgien keinen Produzenten, der schlechten Wein produziert."
Die Zeiten haben sich wahrlich geändert. Russische Touristen kommen wieder in das malerische Land zwischen dem Schwarzen und dem Kaspischen Meer, und der Wein fließt längst wieder aus dem Südkaukasus zu den russischen Abnehmern. Wären da nicht die von Russland vereinnahmten Provinzen Abchasien und Süd-Ossetien, gäbe es wohl kaum Probleme. Oder doch? So oder so drängt es das 3,7-Millionen-Einwohner-Land gen Westen – in die Europäische Union und in die NATO, am liebsten gleichzeitig. Nach den jüngsten Gipfeln beider Bündnisse im Juli in Warschau und kürzlich in Bratislava ist man in Tiflis traurig, dass dem Land keine neuerlichen Zusagen gemacht wurden.
Visa nur noch eine Frage der Zeit
Das seit dem 1. Juli geltende Assoziierungsabkommen zwischen Brüssel und Tiflis sei ein klarer Fingerzeig, heißt es hingegen in der Europäischen Union. Häufig gaben sich georgische Spitzenpolitiker allein in diesem Jahr in Berlin die Klinke in die Hand, um bilateral die Bitten um Annäherung zu bekräftigen. Vom Staatspräsidenten abwärts kamen viele, um als ersten Schritt den Reiseverkehr von Georgien nach Deutschland erleichtern zu können. Nach einer Aufschiebung der Angelegenheit im Mai sind sich beide Seiten einig; für Berlin ist die Visa-Frage nur noch eine der Zeit. Insofern kann Ministerpräsident Giorgi Kwirikashvili seinen potentiellen Wählern guten Gewissens versichern:
"Georgien wird die Visa-Liberalisierung bekommen."
Aber kann er auch dies guten Gewissens prognostizieren?
"Georgien geht davon aus, dass es Mitglied in der NATO wird. Dafür ist es notwendig, dass Georgien in seinen Reformen konsequent bleibt, dass es seine Partnerschaft mit der NATO ausweitet, und wir gehen davon aus, dass das ´window of opportunity` sich dann öffnet, wenn der internationale Kontext dafür bereit sein wird."
In diesen internationalen Zusammenhang gehört mehr denn je der georgisch-russische Konflikt um die von Moskau nicht annektierten, aber zum Protektorat erklärten Gebiete Abchasien und Süd-Ossetien. Niemand in der NATO möchte zu den vorhandenen Problemen im Osten noch neue hinzuholen – auch wenn Ministerpräsident Kwirikashvili diese Beruhigungspille verabreicht:
"Wir versuchen ständig, die feindliche Rhetorik mit Russland zu vermeiden. Seit 2012 haben wir die Einstellung unserer Regierung geändert. Wir sind möglichst konstruktiv. Was die Frage der territorialen Integrität und der Souveränität angeht, gehen wir keine Kompromisse ein. Georgien wird nicht feindlicher gegen Russland eingestellt sein, egal ob es jetzt NATO-Mitglied ist oder nicht."
Diesen Balanceakt stellt eine Oppositionspolitikerin in Frage, die vor ein paar Jahren noch Außenministerin und auch einmal Georgiens Botschafterin in Deutschland gewesen ist. Maja Panjikidzes Partei ist mit der FDP vergleichbar; sie lehnt halbe Sachen ab und verlangt von der Regierung in Tiflis eine klare Kante…
"In der letzten Zeit laufen wir die Gefahr, dass die pro-russischen Parteien stark werden, dass die pro-russischen Nicht-Regierungsorganisationen stark werden und dass Russland sozusagen diese Softpower nutzt, um russische Propaganda in Georgien zu aktivieren. Das führt dazu, dass viele Menschen der Botschaft ausgesetzt sind, dass die Zukunft Georgiens in Russland liege, was natürlich aus unserer Sicht völlig falsch ist; aber diese populistischen Ideen – sie haben doch ein bisschen Einfluss auf die Bevölkerung."
"Georgien wird die Visa-Liberalisierung bekommen."
Aber kann er auch dies guten Gewissens prognostizieren?
"Georgien geht davon aus, dass es Mitglied in der NATO wird. Dafür ist es notwendig, dass Georgien in seinen Reformen konsequent bleibt, dass es seine Partnerschaft mit der NATO ausweitet, und wir gehen davon aus, dass das ´window of opportunity` sich dann öffnet, wenn der internationale Kontext dafür bereit sein wird."
In diesen internationalen Zusammenhang gehört mehr denn je der georgisch-russische Konflikt um die von Moskau nicht annektierten, aber zum Protektorat erklärten Gebiete Abchasien und Süd-Ossetien. Niemand in der NATO möchte zu den vorhandenen Problemen im Osten noch neue hinzuholen – auch wenn Ministerpräsident Kwirikashvili diese Beruhigungspille verabreicht:
"Wir versuchen ständig, die feindliche Rhetorik mit Russland zu vermeiden. Seit 2012 haben wir die Einstellung unserer Regierung geändert. Wir sind möglichst konstruktiv. Was die Frage der territorialen Integrität und der Souveränität angeht, gehen wir keine Kompromisse ein. Georgien wird nicht feindlicher gegen Russland eingestellt sein, egal ob es jetzt NATO-Mitglied ist oder nicht."
Diesen Balanceakt stellt eine Oppositionspolitikerin in Frage, die vor ein paar Jahren noch Außenministerin und auch einmal Georgiens Botschafterin in Deutschland gewesen ist. Maja Panjikidzes Partei ist mit der FDP vergleichbar; sie lehnt halbe Sachen ab und verlangt von der Regierung in Tiflis eine klare Kante…
"In der letzten Zeit laufen wir die Gefahr, dass die pro-russischen Parteien stark werden, dass die pro-russischen Nicht-Regierungsorganisationen stark werden und dass Russland sozusagen diese Softpower nutzt, um russische Propaganda in Georgien zu aktivieren. Das führt dazu, dass viele Menschen der Botschaft ausgesetzt sind, dass die Zukunft Georgiens in Russland liege, was natürlich aus unserer Sicht völlig falsch ist; aber diese populistischen Ideen – sie haben doch ein bisschen Einfluss auf die Bevölkerung."
Pragmatismus im Umgang mit dem Rest der Welt
Das Gros der georgischen Parteien empfiehlt Pragmatismus im Umgang mit dem Rest der Welt. Und auch Weinbauer Roland Burdiashvili unterscheidet klar zwischen Geschäft und privaten Gefühlen.
"Ich hab' sehr viel gereist in europäische Länder. In Russland war ich noch nie und habe auch keine Lust, obwohl es Nachbarland ist. Unser Ziel für Georgien und georgische junge Leute ist Europa. Wir wollen in Europa sein und alles so haben, wie es in einem normal entwickelten Land ist."
Zurück in Tiflis möchten andere Gesprächspartner Reibereien mit Russland oder innenpolitische Scharmützel zu diesem Disput am liebsten außen vor lassen. Da preist der Sprecher der "Georgian National Investment Agency" sein Land in rosigen Tönen als Platz für ausländische Direktinvestitionen an; und da triumphiert Zaira Soloeva von der deutschen Wirtschaftsvereinigung in Tiflis, weil die günstige Lage Georgiens beispielsweise Baustoffunternehmen den Transport ihrer Produkte auch nach Aserbaidschan, Armenien, in die Türkei und eben auch nach Russland gestatte. Andere sprechen gar vom Zwischenstopp auf der neuen Seidenstraße von China bis Duisburg – auf Straßen und Schienen, versteht sich. Zaira Soloeva erhofft sich beim Blick gen Westen vor allem wirtschaftlichen und strukturellen Gewinn:
"Wir werden sehr viel arbeiten müssen, um die Standards einzuhalten, die Europa uns anbietet. Wir haben 2014 ein Freihandelsabkommen unterzeichnet; und da merkt man auch schon jetzt, dass wir wesentliche Vergünstigungen bekommen haben und einige große Firmen sich auf kurze Sicht Vorteile verschafft haben. Und was mich besonders freuen würde, wenn wir ein Teil Europas sind – dass auch das Bildungsniveau sich wesentlich erhöht."
Die Wirtschaftsfachfrau denkt – nach den Visaerleichterungen – an georgische Studenten und Experten, die aus Deutschland zurückkommen und dem Heimatland zusätzlich auf die Sprünge helfen. Am liebsten würde sich Zaira Soloeva aus beiden Ländern ein drittes zaubern:
"Also aus Deutschland würde ich auf jeden Fall die Disziplin nehmen, Arbeitsmoral und die Pünktlichkeit. Weil in Georgien haben wir 'Georgia may be time'. Und das kann bis zu ein paar Stunden dauern – also fünf Minuten ist nicht gleich fünf Minuten; das kann bis zu 60 Minuten sein. Was mir in Georgien gefällt, ist diese Flexibilität, was man hat. Dass man mit den Leuten – auch ganz wichtigen Leuten – per Du sein kann, einfach mal sehr, sehr freundlich zueinander sein kann. Wir sind herzlich."
"Ich hab' sehr viel gereist in europäische Länder. In Russland war ich noch nie und habe auch keine Lust, obwohl es Nachbarland ist. Unser Ziel für Georgien und georgische junge Leute ist Europa. Wir wollen in Europa sein und alles so haben, wie es in einem normal entwickelten Land ist."
Zurück in Tiflis möchten andere Gesprächspartner Reibereien mit Russland oder innenpolitische Scharmützel zu diesem Disput am liebsten außen vor lassen. Da preist der Sprecher der "Georgian National Investment Agency" sein Land in rosigen Tönen als Platz für ausländische Direktinvestitionen an; und da triumphiert Zaira Soloeva von der deutschen Wirtschaftsvereinigung in Tiflis, weil die günstige Lage Georgiens beispielsweise Baustoffunternehmen den Transport ihrer Produkte auch nach Aserbaidschan, Armenien, in die Türkei und eben auch nach Russland gestatte. Andere sprechen gar vom Zwischenstopp auf der neuen Seidenstraße von China bis Duisburg – auf Straßen und Schienen, versteht sich. Zaira Soloeva erhofft sich beim Blick gen Westen vor allem wirtschaftlichen und strukturellen Gewinn:
"Wir werden sehr viel arbeiten müssen, um die Standards einzuhalten, die Europa uns anbietet. Wir haben 2014 ein Freihandelsabkommen unterzeichnet; und da merkt man auch schon jetzt, dass wir wesentliche Vergünstigungen bekommen haben und einige große Firmen sich auf kurze Sicht Vorteile verschafft haben. Und was mich besonders freuen würde, wenn wir ein Teil Europas sind – dass auch das Bildungsniveau sich wesentlich erhöht."
Die Wirtschaftsfachfrau denkt – nach den Visaerleichterungen – an georgische Studenten und Experten, die aus Deutschland zurückkommen und dem Heimatland zusätzlich auf die Sprünge helfen. Am liebsten würde sich Zaira Soloeva aus beiden Ländern ein drittes zaubern:
"Also aus Deutschland würde ich auf jeden Fall die Disziplin nehmen, Arbeitsmoral und die Pünktlichkeit. Weil in Georgien haben wir 'Georgia may be time'. Und das kann bis zu ein paar Stunden dauern – also fünf Minuten ist nicht gleich fünf Minuten; das kann bis zu 60 Minuten sein. Was mir in Georgien gefällt, ist diese Flexibilität, was man hat. Dass man mit den Leuten – auch ganz wichtigen Leuten – per Du sein kann, einfach mal sehr, sehr freundlich zueinander sein kann. Wir sind herzlich."
Georgien will nicht ins Abseits geraten
Im Windschatten der großen Krisen – von Syrien, anderen Teilen des Nahen und mittleren Ostens bis zum Nachbar-Konflikt in der Ukraine – versucht Georgien, mit seinen Sorgen nicht ins Abseits zu geraten. Nach den ausgebliebenen Zusagen auf dem Warschauer NATO-Gipfel im Juli setzt das Land außenpolitisch nun noch auf die bis zum Jahresende dauernde Präsidentschaft Deutschlands in der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa. Intensive Gespräche vor allem mit Ex-Staatsminister Gernot Erler, dem OSZE-Beauftragten im Auswärtigen Amt, sollen beispielsweise helfen, der OSZE, zu der auch Russland gehört, wieder mehr Zuständigkeiten Abchasien und Süd-Ossetien zu verschaffen.
Die amerikanische Regierung hat – nach massiver Unterstützung aus geopolitischen Gründen in den Jahren der Saakashvili-Ära in Tiflis – eine moderatere Verteidigungspartnerschaft zugesagt. Und auch in Deutschland werden – natürlich ohne Russland um Erlaubnis zu fragen – georgische Soldaten fortgebildet. Der außen- und sicherheitspolitische Kurs der meisten politischen Parteien in diesem Südkaukasus-Land ähnelt schon fast der Quadratur des Kreises. Bislang allerdings hat Außenminister Mikheil Janelidze den Kreml mit seiner Versicherung zwar relativ ruhig gestellt, aber wohl kaum überzeugt:
"Unsere europäische Integration richtet sich nicht gegen Irgendjemanden. Sie kann sich im Gegenteil für viele Länder in unserer Region und über ihre Grenzen hinaus als segensreich erweisen. Georgien möchte ein bedeutender Teil der Brücke zwischen Asien und Europa sein. Wir wollen aber auch die pragmatischen Beziehungen mit unseren russischen Partnern fortsetzen. Wir haben wirtschaftliche Beziehungen, die zu einer De-Eskalation der Spannungen zwischen der Russischen Föderation und Georgien beitragen können."
"Unsere europäische Integration richtet sich nicht gegen Irgendjemanden. Sie kann sich im Gegenteil für viele Länder in unserer Region und über ihre Grenzen hinaus als segensreich erweisen. Georgien möchte ein bedeutender Teil der Brücke zwischen Asien und Europa sein. Wir wollen aber auch die pragmatischen Beziehungen mit unseren russischen Partnern fortsetzen. Wir haben wirtschaftliche Beziehungen, die zu einer De-Eskalation der Spannungen zwischen der Russischen Föderation und Georgien beitragen können."