Der gescheitere Alleskönner
Der Held in Hans-Ulrich Treichels Erzählungen ist ein wahrer Wunderknabe, der über Bildung verfügt, wie man sie sich umfassender nicht vorstellen kann. Und dennoch: Trotz seiner vielfältigen Begabung hat es nicht einmal für eine Festanstellung gereicht.
"Irgendetwas ist schief gegangen." Dass bei diesem Treichelschen Helden nicht nur "irgendetwas", sondern alles schief gegangen sein muss, diese Ahnung wird gegen Ende der Erzählung immer mehr zur Gewissheit. Treichel stellt einen Mann vor, der in seinem Dasein deutlich überpräsent ist. Es handelt sich um einen Übertreibungskünstler wie man ihn aus dem Werk von Thomas Bernhard kennt.
Der namenlos bleibende Wunderknabe spricht mehrere Fremdsprachen – natürlich auch Englisch. Von sich behauptet er, dass er Englisch nicht nur beherrscht, sondern die Sprache spricht wie er "atmet". Was dieser Mann kann, kann er "beneidenswert gut", und er kann nahezu alles – also auch alles beneidenswert gut. Natürlich spielt er Klavier. Doch damit nicht genug. Er ist promovierter Literaturwissenschaftler und hat Architektur ebenso wie Sozialpädagogik studiert. Treichel stellt ihn uns als Kenner des Werkes von Caravaggio vor, als Galerist, Hundeausführer, Entwicklungshelfer und Mundartforscher. "Man kann auch zu viel können", heißt es gegen Ende dieser unglaublich komischen Geschichte. Denn mit seinen Übertreibungen redet sich dieser Niemand in Höhen, dass einem schwindlig wird bei so viel vermeintlichem Schwindel. Doch ob es sich um einen Hochstapler, einen Verrückten oder einen Zeitgenossen handelt, der in seiner "Normalität" von beiden etwas hat, lässt Treichel in der Schwebe. Wir lernen jemanden kennen, der viel weiß und viel gesehen hat - Italien, Frankreich, Spanien und Jamaika. Doch zu einer längeren Festanstellung hat es trotz der vielfältigen Begabungen nie gereicht.
Das mutet ein wenig seltsam an, denn dieser Umtriebige bringt doch an Voraussetzungen nahezu alles mit, was gemeinhin erwartet wird. Wer sich jemals intensiver den Zeitungsseiten mit der Überschrift "Karriere" gewidmet hat, findet bei Treichel das Ideal, nach dem verschiedene Betriebe händeringend suchen. Doch allein durch seine Existenz würde er jeden Personalchef das Fürchten lehren. Irgendwie ist dieses eitle Superhirn unheimlich, obwohl er sich an gewisse Vorsätze hält: "Belästige die Menschen, für die du arbeitest, nicht mit deinen Lateinkenntnissen. Protze nicht philosophisch. Bete keine mathematischen Formeln herunter. Rede nicht griechisch, außer in Griechenland. Und dort auch nur neugriechisch." Auch das hilft nicht. Wer dieser von Treichel als Typus gezeichneten Figur real begegnet und den Zeitpunkt zum Gehen verpasst, ist rettungslos verloren.
In dieser Hinsicht ist Treichel seinen Lesern gegenüber nachsichtig und hält die Begegnungsdauer mit diesem Antihelden in Grenzen, denn es handelt sich um ein schmales Bändchen. Der Figur, von der Treichel erzählt, ist wenig gelungen, nicht einmal die Geschichte, die er schreiben wollte. Sie sollte den Titel tragen: Der Papst, den ich gekannt habe. Das Misslungene könnte in diesem Fall womöglich ein Glücksfall sein!
Rezensiert von Michael Opitz
Hans-Ulrich Treichel: Der Papst, den ich gekannt habe
Erzählung
Suhrkamp Verlag
Frankfurt am Main 2007
119 Seiten. 14,80 Euro
Der namenlos bleibende Wunderknabe spricht mehrere Fremdsprachen – natürlich auch Englisch. Von sich behauptet er, dass er Englisch nicht nur beherrscht, sondern die Sprache spricht wie er "atmet". Was dieser Mann kann, kann er "beneidenswert gut", und er kann nahezu alles – also auch alles beneidenswert gut. Natürlich spielt er Klavier. Doch damit nicht genug. Er ist promovierter Literaturwissenschaftler und hat Architektur ebenso wie Sozialpädagogik studiert. Treichel stellt ihn uns als Kenner des Werkes von Caravaggio vor, als Galerist, Hundeausführer, Entwicklungshelfer und Mundartforscher. "Man kann auch zu viel können", heißt es gegen Ende dieser unglaublich komischen Geschichte. Denn mit seinen Übertreibungen redet sich dieser Niemand in Höhen, dass einem schwindlig wird bei so viel vermeintlichem Schwindel. Doch ob es sich um einen Hochstapler, einen Verrückten oder einen Zeitgenossen handelt, der in seiner "Normalität" von beiden etwas hat, lässt Treichel in der Schwebe. Wir lernen jemanden kennen, der viel weiß und viel gesehen hat - Italien, Frankreich, Spanien und Jamaika. Doch zu einer längeren Festanstellung hat es trotz der vielfältigen Begabungen nie gereicht.
Das mutet ein wenig seltsam an, denn dieser Umtriebige bringt doch an Voraussetzungen nahezu alles mit, was gemeinhin erwartet wird. Wer sich jemals intensiver den Zeitungsseiten mit der Überschrift "Karriere" gewidmet hat, findet bei Treichel das Ideal, nach dem verschiedene Betriebe händeringend suchen. Doch allein durch seine Existenz würde er jeden Personalchef das Fürchten lehren. Irgendwie ist dieses eitle Superhirn unheimlich, obwohl er sich an gewisse Vorsätze hält: "Belästige die Menschen, für die du arbeitest, nicht mit deinen Lateinkenntnissen. Protze nicht philosophisch. Bete keine mathematischen Formeln herunter. Rede nicht griechisch, außer in Griechenland. Und dort auch nur neugriechisch." Auch das hilft nicht. Wer dieser von Treichel als Typus gezeichneten Figur real begegnet und den Zeitpunkt zum Gehen verpasst, ist rettungslos verloren.
In dieser Hinsicht ist Treichel seinen Lesern gegenüber nachsichtig und hält die Begegnungsdauer mit diesem Antihelden in Grenzen, denn es handelt sich um ein schmales Bändchen. Der Figur, von der Treichel erzählt, ist wenig gelungen, nicht einmal die Geschichte, die er schreiben wollte. Sie sollte den Titel tragen: Der Papst, den ich gekannt habe. Das Misslungene könnte in diesem Fall womöglich ein Glücksfall sein!
Rezensiert von Michael Opitz
Hans-Ulrich Treichel: Der Papst, den ich gekannt habe
Erzählung
Suhrkamp Verlag
Frankfurt am Main 2007
119 Seiten. 14,80 Euro