Der "glänzendste Stilist" des vergangenen Jahrhunderts
Wolfgang Wippermann hat den verstorbenen Historiker und Publizisten Joachim Fest als große Persönlichkeit und großen Historiker gewürdigt. Wenn man über Hitler rede, dürfe man über die Hitler-Biografie von Joachim Fest nicht schweigen, sagte der Professor für Neuere Geschichte an der Freien Universität Berlin. Als Sachbuchautor habe Fest komplizierte Dinge verständlich dargestellt.
König: Vor allem durch seine Hitler-Biographie wurde er bekannt, der Publizist und Historiker Joachim Fest, der gestern im Alter von 79 Jahren in seinem Haus in Kronberg im Taunus starb. Joachim Fest, er begann als Redakteur für politische und zeitgeschichtliche Fragen beim Berliner Sender RIAS. 1961 ging er als Chefdramaturg und stellvertretender Hauptabteilungsleiter Fernsehspiel zum Norddeutschen Rundfunk nach Hamburg, wurde Chefredakteur und Hauptabteilungsleiter Zeitgeschehen des NDR. Zum 1. Dezember 1973 trat Joachim Fest dann als Leiter des Kulturteils in das Gremium der Herausgeber der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" ein. Im selben Jahr war auch sein Buch "Hitler" erschienen.
Joachim Fest hat viel über die NS-Zeit geschrieben, zuletzt die große Speer-Biographie. Joachim Fest schrieb auch, unter sehr viel anderem, eine Geschichte der Bundesrepublik in sechs Bänden sowie ein wunderbares Reisebuch über Italien , "Im Gegenlicht". Kurz vor seinem Tod wurde es noch einmal neu aufgelegt. Joachim Fest ist tot, und wir wollen über ihn sprechen mit Wolfgang Wippermann, er ist Professor für Neuere Geschichte an der FU Berlin. Er hat ebenfalls zu den Themenbereichen Faschismus und Nationalsozialismus geforscht und geschrieben. Guten Morgen, Herr Wippermann.
Wippermann: Schönen guten Morgen.
König: Wie haben Sie Joachim Fest kennen gelernt?
Wippermann: Als das, worüber er geschrieben hat, als Person, als Persönlichkeit. Eine große Persönlichkeit, muss ich wirklich sagen. Er war ein sehr selbstbewusster Mensch, ohne aufgeregt aufdringlich zu sein. Er ruhte gewissermaßen in sich selbst, geradezu bewundernswert. Insofern habe ich ihn bewundert und in dieser Hinsicht auch beneidet. Also, der Mann der über Personen schreiben konnte, war selber eine große Person, eine Persönlichkeit.
König: Können Sie diesen Menschen Joachim Fest noch näher charakterisieren? Was trieb ihn an? Was machte seinen Charakter aus?
Wippermann: Darüber hat er sich - ich habe die Autobiographie noch nicht gelesen, da er sich ja selbst dazu äußert - eben nicht so geäußert. Es war eben nicht diese Aufdringlichkeit, es war nicht die Aufgeregtheit, sondern auch die Nüchternheit, die ihn kennzeichnete, ohne dass er sich selber sozusagen präsentierte. Wie auch jetzt Günter Grass. Da hielt er sich sozusagen zurück. Aber durch sein Wirken, durch sein Auftreten in Natura, und dann vor allem in den Medien - er war ein Medienmensch, der in den Medien hervorragend ankommt, ankam, wie man so sagt - wirkte er als Persönlichkeit.
König: Obwohl man eigentlich nie so richtig den Eindruck hatte, an ihn heranzukommen. Er blieb auf der anderen Seite immer auch ein großer Unbekannter, was erstaunlich ist, gerade weil er in den Medien doch sehr präsent war.
Wippermann: Ja, da hat er es nie herankommen lassen und hat eben dem Zeitgeist generell getrotzt. Wie er auch generell gegen die Zeit war, gegen den Zeitgeist und insofern auch der große Anti-68er war.
König: Sprechen wir über den Schriftsteller Joachim Fest. Mein Eindruck war, ich habe ihn kennen gelernt über dieses Buch "Im Gegenlicht". Ich bin selber damit unter dem Arm durch Italien gereist. Er war von unglaublichem Stilbewusstsein und einem großartigen Sprachvermögen. Das waren so meine ersten Eindrücke, die sich dann später bei anderen Büchern auch bestätigten, dass er komplizierte Sachverhalte sehr klar benennen konnte.
Wippermann: Da stimme ich ihnen völlig zu. Ich würde aber nicht nur sagen Schriftsteller, er war wirklich ein Historiker. Und ich würde auch nicht sagen nur Bindestrich. Sicherlich, er war auch Journalist, das ist ganz klar, aber er war wirklich ein großer Historiker. Er beherrschte sein Handwerk und konnte eben, was sie eben schon gesagt haben, anders als viele andere Historiker, schreiben. Und zwar so, dass ihn jeder, oder zumindest fast alle verstanden. Der glänzendste Stilist, den wir in diesem letzten Jahrhundert sozusagen haben. Mir würde vielleicht nur noch Bismarck einfallen als so guter glänzender Stilist.
König: Das ist aber ein großer Vergleich.
Wippermann: Ja, das ist ein großer Vergleich, aber ich weiß. Ich sage es auch deshalb, weil ich mehrmals mit ihm die Klingen gekreuzt habe, gegen ihn angeschrieben habe, mit ihm diskutiert habe. Aber ich muss gestehen, ich habe immer verloren und das war auch richtig, dass ich verloren habe. Ich war eindeutig schlechter.
König: Die Mitte der wissenschaftlichen und, wenn man so sagen kann, schreibenden Existenz des Joachim Fest, das machten die Ursachen, die Folgen der Nazi-Herrschaft aus. "Hitler", dieses Buch aus dem Jahre 1973 war eine der Aufsehen erregendsten Neuerscheinungen dieses Jahres, blieb monatelang in der öffentlichen Diskussion. Können Sie noch mal beschreiben, was dieses Buch hatte, dass es dermaßen polarisierte?
Wippermann: Ja, es polarisierte, aber rückblickend muss man einfach sagen, wer über Hitler heute redet, darf über die Hitlerbiographie von Joachim Fest nicht schweigen. Ich selber sitze gerade an einem Vortrag für die Urania über Hitler und das wird ein Vortrag über Hitler und Fest. Das klingt natürlich auch etwas ambivalent, denn die Hitlerbiographie, die liegt mir gerade vor und ich habe gerade darin geblättert und viele Fragezeichen und grimmige Bemerkungen, Kritik von mir darin gefunden. Diese Hitler-Biographie war ja gegen den Zeitgeist. Der Zeitgeist war geprägt von Faschismus. Man ging davon aus, das war die Epoche des Faschismus und eben nicht der großen Personen - und schon gar nicht Hitler.
Hitler wurde bei ihm zu einer großen Person und ich und andere haben darauf gesagt, Faschismus, darum geht es und nicht um Hitlerismus. Also, es geht um Strukturen und nicht um historische, große Persönlichkeiten. Es hatte natürlich auch, und das war in der Debatte, eine gewisse exculpierende Funktion nach dem Muster des Theaterstücks "Ich war es nicht, es war Hitler".
Aber, er hat immerhin dann die Schwierigkeiten und die Probleme der so genannten Strukturgeschichte, die damals sich noch gerade entwickelte - Hans Ulrich Wehler, der jetzt 75 geworden ist - entdeckt, auch die Schwachstellen und darauf hingewiesen, was auch schon Marx wusste, dass die Menschen ihre Geschichte selber machen. Und mit diesem Persönlichkeitsbezug und dem Hinweis auf die Personen, die hier Geschichte gemacht haben, war er erfolgreich und zum Teil lag er auch richtig.
König: Das heißt, Sie haben ihm damals vorgeworfen, er habe Hitler als großen Diktator bezeichnet, damit sozusagen sehr leichtfertig Größe herausgestellt, die dann eben zur Bewunderung auch einlädt.
Wippermann: Ja.
König: Würden Sie heute sagen, sie hatten damals Unrecht?
Wippermann: Recht und Unrecht sozusagen, es ist die Frage, die ich auch in diesem Vortrag behandele: Kann ein so böser Mensch wie Hitler ein großer Diktator sein, also ein großer Herrscher? Das ist problematisch. Und es war natürlich gerade in den 70er Jahren so, dass da noch viele lebten und man sagen konnte eben, ich war es ja nicht. Im Osten sagte man, es war das Kapital, oder Kapitalfraktionen. Im Westen konnte man sagen und hatte schon vorher gesagt, es war Hitler, ich bin nicht davon betroffen. Aber es ist sozusagen die Ambivalenz oder die Folge.
Ich würde auch ergänzen, dass es Joachim C. Fest war und nicht so viele 68er, die wesentlich dazu beigetragen haben, dass die nationalsozialistische Vergangenheit eben nicht Vergangenheit geworden ist, wie das Ernst Nolte, den Sie in der Ankündigung auch erwähnt haben, ja gefordert hat. Also das war die Wirkung. Vielleicht wollte das Fest gar nicht. Aber die Wirkung des Hitler-Buches, auch von Speer und anderen - nicht zu vergessen auch die gute Darstellung des 20. Juli 1944 - das wurde akzeptiert, das wurde gelesen, das wurde rezipiert und hat auch dazu beigetragen, dass wir uns noch intensiver mit der Vergangenheit auseinandergesetzt haben. Und dafür muss man Fest auch danken.
Wenn er mir jetzt gegenüber sitzen würde, würde er sehr die Augen verdrehen etwas und sehr skeptisch, sehr ironisch sagen, na ja, Sie, und so weiter. Also ich glaube, er wäre damit gar nicht einverstanden, aber das ist durchaus richtig.
König: Um noch auf eine ganz andere Facette dieses Menschen Joachim C. Fest kurz zu sprechen zu kommen, der Kollege aus der Sportredaktion, Matthias Spraktis, hat mich gerade darauf aufmerksam gemacht, dass Joachim Fest ein unglaublicher Experte im internationalen Berufsboxsport gewesen ist. Das unsere, also die Sportreporter des Rias, damals immer auf ihn zukamen als er hier im Rias tätig war und ihn um Rat fragten. Wussten Sie das?
Wippermann: Nein, das wusste ich nicht, obwohl ich ihn einmal geärgert habe. Er war Herausgeber der FAZ und da sagte ich, also ich lese die FAZ entweder nicht oder nur den Sportteil. Das war natürlich polemisch gemeint und war auch sehr polemisch. Aber er ging darauf ein und wir hätten fast darüber geredet. Schade, wenn ich das gewusst hätte, ich habe auch etwas geboxt, hätte ich mich mit ihm darüber unterhalten. Aber das zeigt eben auch seine Fähigkeit, auch andere Dinge darzustellen und insofern war er auch in der Tat neben dem großen Historiker eben auch der Sachbuchautor. Er konnte also verschiedene Dinge einfach und klar verständlich darstellen, also noch einmal, der Stilist.
Und vor allen Dingen, auch das ein wichtiger Punkt, was wir damals nicht so gesehen haben: Er hat bewiesen, dass intellektuell und konservativ zu sein, nicht unbedingt und immer - und das war meistens in der deutschen Geschichte so - Gegensätze sind. Er war ein sehr intelligenter und sehr guter Konservativer. Und das soll man dann auch achten.
König: Was bleibt von diesem Mann? Welche Spuren wird er dauerhaft hinterlassen?
Wippermann: Dauerhaft wird vor allen Dingen seine Hitler-Biographie sein. Das heißt also, wer sich auch in den nächsten 20, 30, vielleicht 50 Jahren mit Hitler beschäftigt, und das wird man auf jeden Fall tun, kommt um Fest nicht herum. Also wer dort über Hitler schreibt, muss sich zu Fest äußern. Das ist die entscheidende Biographie. Und bei allem Respekt vor den Kollegen aus England und Amerika, (…), von den deutschen Kollegen ganz abgesehen, die haben Fest nicht erreicht. Er hat also hier ein prägendes Bild hinterlassen. Und wir können dann sagen, dass Hitler und das Dritte Reich durchaus ein Image bekommen hat, das Fest geprägt hat. Wie gesagt, ihm wäre das nicht so recht gewesen. Aber, das zweite Verdienst eben auch, dass die Vergangenheit nicht vergangen ist und persönlich würde ich sagen, muss ich ihm dafür danken.
Joachim Fest hat viel über die NS-Zeit geschrieben, zuletzt die große Speer-Biographie. Joachim Fest schrieb auch, unter sehr viel anderem, eine Geschichte der Bundesrepublik in sechs Bänden sowie ein wunderbares Reisebuch über Italien , "Im Gegenlicht". Kurz vor seinem Tod wurde es noch einmal neu aufgelegt. Joachim Fest ist tot, und wir wollen über ihn sprechen mit Wolfgang Wippermann, er ist Professor für Neuere Geschichte an der FU Berlin. Er hat ebenfalls zu den Themenbereichen Faschismus und Nationalsozialismus geforscht und geschrieben. Guten Morgen, Herr Wippermann.
Wippermann: Schönen guten Morgen.
König: Wie haben Sie Joachim Fest kennen gelernt?
Wippermann: Als das, worüber er geschrieben hat, als Person, als Persönlichkeit. Eine große Persönlichkeit, muss ich wirklich sagen. Er war ein sehr selbstbewusster Mensch, ohne aufgeregt aufdringlich zu sein. Er ruhte gewissermaßen in sich selbst, geradezu bewundernswert. Insofern habe ich ihn bewundert und in dieser Hinsicht auch beneidet. Also, der Mann der über Personen schreiben konnte, war selber eine große Person, eine Persönlichkeit.
König: Können Sie diesen Menschen Joachim Fest noch näher charakterisieren? Was trieb ihn an? Was machte seinen Charakter aus?
Wippermann: Darüber hat er sich - ich habe die Autobiographie noch nicht gelesen, da er sich ja selbst dazu äußert - eben nicht so geäußert. Es war eben nicht diese Aufdringlichkeit, es war nicht die Aufgeregtheit, sondern auch die Nüchternheit, die ihn kennzeichnete, ohne dass er sich selber sozusagen präsentierte. Wie auch jetzt Günter Grass. Da hielt er sich sozusagen zurück. Aber durch sein Wirken, durch sein Auftreten in Natura, und dann vor allem in den Medien - er war ein Medienmensch, der in den Medien hervorragend ankommt, ankam, wie man so sagt - wirkte er als Persönlichkeit.
König: Obwohl man eigentlich nie so richtig den Eindruck hatte, an ihn heranzukommen. Er blieb auf der anderen Seite immer auch ein großer Unbekannter, was erstaunlich ist, gerade weil er in den Medien doch sehr präsent war.
Wippermann: Ja, da hat er es nie herankommen lassen und hat eben dem Zeitgeist generell getrotzt. Wie er auch generell gegen die Zeit war, gegen den Zeitgeist und insofern auch der große Anti-68er war.
König: Sprechen wir über den Schriftsteller Joachim Fest. Mein Eindruck war, ich habe ihn kennen gelernt über dieses Buch "Im Gegenlicht". Ich bin selber damit unter dem Arm durch Italien gereist. Er war von unglaublichem Stilbewusstsein und einem großartigen Sprachvermögen. Das waren so meine ersten Eindrücke, die sich dann später bei anderen Büchern auch bestätigten, dass er komplizierte Sachverhalte sehr klar benennen konnte.
Wippermann: Da stimme ich ihnen völlig zu. Ich würde aber nicht nur sagen Schriftsteller, er war wirklich ein Historiker. Und ich würde auch nicht sagen nur Bindestrich. Sicherlich, er war auch Journalist, das ist ganz klar, aber er war wirklich ein großer Historiker. Er beherrschte sein Handwerk und konnte eben, was sie eben schon gesagt haben, anders als viele andere Historiker, schreiben. Und zwar so, dass ihn jeder, oder zumindest fast alle verstanden. Der glänzendste Stilist, den wir in diesem letzten Jahrhundert sozusagen haben. Mir würde vielleicht nur noch Bismarck einfallen als so guter glänzender Stilist.
König: Das ist aber ein großer Vergleich.
Wippermann: Ja, das ist ein großer Vergleich, aber ich weiß. Ich sage es auch deshalb, weil ich mehrmals mit ihm die Klingen gekreuzt habe, gegen ihn angeschrieben habe, mit ihm diskutiert habe. Aber ich muss gestehen, ich habe immer verloren und das war auch richtig, dass ich verloren habe. Ich war eindeutig schlechter.
König: Die Mitte der wissenschaftlichen und, wenn man so sagen kann, schreibenden Existenz des Joachim Fest, das machten die Ursachen, die Folgen der Nazi-Herrschaft aus. "Hitler", dieses Buch aus dem Jahre 1973 war eine der Aufsehen erregendsten Neuerscheinungen dieses Jahres, blieb monatelang in der öffentlichen Diskussion. Können Sie noch mal beschreiben, was dieses Buch hatte, dass es dermaßen polarisierte?
Wippermann: Ja, es polarisierte, aber rückblickend muss man einfach sagen, wer über Hitler heute redet, darf über die Hitlerbiographie von Joachim Fest nicht schweigen. Ich selber sitze gerade an einem Vortrag für die Urania über Hitler und das wird ein Vortrag über Hitler und Fest. Das klingt natürlich auch etwas ambivalent, denn die Hitlerbiographie, die liegt mir gerade vor und ich habe gerade darin geblättert und viele Fragezeichen und grimmige Bemerkungen, Kritik von mir darin gefunden. Diese Hitler-Biographie war ja gegen den Zeitgeist. Der Zeitgeist war geprägt von Faschismus. Man ging davon aus, das war die Epoche des Faschismus und eben nicht der großen Personen - und schon gar nicht Hitler.
Hitler wurde bei ihm zu einer großen Person und ich und andere haben darauf gesagt, Faschismus, darum geht es und nicht um Hitlerismus. Also, es geht um Strukturen und nicht um historische, große Persönlichkeiten. Es hatte natürlich auch, und das war in der Debatte, eine gewisse exculpierende Funktion nach dem Muster des Theaterstücks "Ich war es nicht, es war Hitler".
Aber, er hat immerhin dann die Schwierigkeiten und die Probleme der so genannten Strukturgeschichte, die damals sich noch gerade entwickelte - Hans Ulrich Wehler, der jetzt 75 geworden ist - entdeckt, auch die Schwachstellen und darauf hingewiesen, was auch schon Marx wusste, dass die Menschen ihre Geschichte selber machen. Und mit diesem Persönlichkeitsbezug und dem Hinweis auf die Personen, die hier Geschichte gemacht haben, war er erfolgreich und zum Teil lag er auch richtig.
König: Das heißt, Sie haben ihm damals vorgeworfen, er habe Hitler als großen Diktator bezeichnet, damit sozusagen sehr leichtfertig Größe herausgestellt, die dann eben zur Bewunderung auch einlädt.
Wippermann: Ja.
König: Würden Sie heute sagen, sie hatten damals Unrecht?
Wippermann: Recht und Unrecht sozusagen, es ist die Frage, die ich auch in diesem Vortrag behandele: Kann ein so böser Mensch wie Hitler ein großer Diktator sein, also ein großer Herrscher? Das ist problematisch. Und es war natürlich gerade in den 70er Jahren so, dass da noch viele lebten und man sagen konnte eben, ich war es ja nicht. Im Osten sagte man, es war das Kapital, oder Kapitalfraktionen. Im Westen konnte man sagen und hatte schon vorher gesagt, es war Hitler, ich bin nicht davon betroffen. Aber es ist sozusagen die Ambivalenz oder die Folge.
Ich würde auch ergänzen, dass es Joachim C. Fest war und nicht so viele 68er, die wesentlich dazu beigetragen haben, dass die nationalsozialistische Vergangenheit eben nicht Vergangenheit geworden ist, wie das Ernst Nolte, den Sie in der Ankündigung auch erwähnt haben, ja gefordert hat. Also das war die Wirkung. Vielleicht wollte das Fest gar nicht. Aber die Wirkung des Hitler-Buches, auch von Speer und anderen - nicht zu vergessen auch die gute Darstellung des 20. Juli 1944 - das wurde akzeptiert, das wurde gelesen, das wurde rezipiert und hat auch dazu beigetragen, dass wir uns noch intensiver mit der Vergangenheit auseinandergesetzt haben. Und dafür muss man Fest auch danken.
Wenn er mir jetzt gegenüber sitzen würde, würde er sehr die Augen verdrehen etwas und sehr skeptisch, sehr ironisch sagen, na ja, Sie, und so weiter. Also ich glaube, er wäre damit gar nicht einverstanden, aber das ist durchaus richtig.
König: Um noch auf eine ganz andere Facette dieses Menschen Joachim C. Fest kurz zu sprechen zu kommen, der Kollege aus der Sportredaktion, Matthias Spraktis, hat mich gerade darauf aufmerksam gemacht, dass Joachim Fest ein unglaublicher Experte im internationalen Berufsboxsport gewesen ist. Das unsere, also die Sportreporter des Rias, damals immer auf ihn zukamen als er hier im Rias tätig war und ihn um Rat fragten. Wussten Sie das?
Wippermann: Nein, das wusste ich nicht, obwohl ich ihn einmal geärgert habe. Er war Herausgeber der FAZ und da sagte ich, also ich lese die FAZ entweder nicht oder nur den Sportteil. Das war natürlich polemisch gemeint und war auch sehr polemisch. Aber er ging darauf ein und wir hätten fast darüber geredet. Schade, wenn ich das gewusst hätte, ich habe auch etwas geboxt, hätte ich mich mit ihm darüber unterhalten. Aber das zeigt eben auch seine Fähigkeit, auch andere Dinge darzustellen und insofern war er auch in der Tat neben dem großen Historiker eben auch der Sachbuchautor. Er konnte also verschiedene Dinge einfach und klar verständlich darstellen, also noch einmal, der Stilist.
Und vor allen Dingen, auch das ein wichtiger Punkt, was wir damals nicht so gesehen haben: Er hat bewiesen, dass intellektuell und konservativ zu sein, nicht unbedingt und immer - und das war meistens in der deutschen Geschichte so - Gegensätze sind. Er war ein sehr intelligenter und sehr guter Konservativer. Und das soll man dann auch achten.
König: Was bleibt von diesem Mann? Welche Spuren wird er dauerhaft hinterlassen?
Wippermann: Dauerhaft wird vor allen Dingen seine Hitler-Biographie sein. Das heißt also, wer sich auch in den nächsten 20, 30, vielleicht 50 Jahren mit Hitler beschäftigt, und das wird man auf jeden Fall tun, kommt um Fest nicht herum. Also wer dort über Hitler schreibt, muss sich zu Fest äußern. Das ist die entscheidende Biographie. Und bei allem Respekt vor den Kollegen aus England und Amerika, (…), von den deutschen Kollegen ganz abgesehen, die haben Fest nicht erreicht. Er hat also hier ein prägendes Bild hinterlassen. Und wir können dann sagen, dass Hitler und das Dritte Reich durchaus ein Image bekommen hat, das Fest geprägt hat. Wie gesagt, ihm wäre das nicht so recht gewesen. Aber, das zweite Verdienst eben auch, dass die Vergangenheit nicht vergangen ist und persönlich würde ich sagen, muss ich ihm dafür danken.