Der Gottsucher

12.01.2007
Friedrich Ani – einer der besten und erfolgreichsten Krimiautoren Deutschlands – hat einen neuen Ermittler. Für einen Krimiautor eine ungefähr so schwere Entscheidung wie der Umzug auf einen anderen Kontinent.
Nach mehreren Romanen mit seinem Altstar Tabor Süden heißt sein neuer Mann jetzt Polonius Fischer. Mehr Krawatte als Jeans. Ein nach außen hin strenger und geradliniger Mann, der sich "weigert, einem Tatort zu glauben", wie im Roman über ihn zu lesen ist. Fischer steht einem zwölfköpfigen Ermittlerteam vor, dass sich "Die Zwölf Apostel" nennt. Es soll die Umstände herausfinden, unter denen eine Frau starb, die jetzt in der Tiefgarage eines großen Münchner Mietshauses liegt. Auch ihre Tochter, die die Tote vernachlässigt haben soll, ist verschwunden.

Natürlich wissen die Bewohner des Hauses nichts - nichts gehört, nichts gesehen, nichts gewusst. Die Ermittler stoßen bei ihren Recherchen auf einen versoffenen Schriftsteller, der ebenfalls in ein Verbrechen verwickelt ist. Aber mit dem Schicksal der Toten in der Tiefgarage hat er offenbar nichts zu tun.

Mehr sollte man über einen Kriminalroman wohl nicht verraten, denn ein Buch dieses Genres braucht bekanntermaßen seine Geheimnisse.

Der Ermittler Polonius Fischer geht systematisch vor und man würde zunächst kaum auf die Idee kommen, dass dieser Mann in seinem ersten Leben Mönch war - keine Sanftmut, keine Langsamkeit, kaum Einkehr. Aber vielleicht reichen ja auch die drei Jahre nicht, die Fischer im Kloster verbracht hat, um das Wesen der Verbrechens und die großen Fragen nach Schuld und Sühne zu klären. Also begibt er sich in die Wirklichkeit. Ins Münchner Morddezernat. Einem durchaus nahe liegenden Arbeitsplatz, wenn man das Verbrechen kennen lernen will.

Und dennoch: Friedrich Ani sagt selbst über seinen Ermittler, für ihn bleibe "das Verbrechen ein Urrätsel". Und dabei geht es in diesem Roman nicht nur um die Art des Mordes, die nach juristischer Ahndung ruft - des Mordes an anderen. Es geht auch um den Mord an sich selbst. Und damit auch um die uralte Frage nach dem Recht, sich selbst zu töten, nach diesem "letzten und einzigen Akt der Freiheit", wie er von einigen genannt wird und dessen Konsequenzen die Umwelt zu tragen hat.

Friedrich Ani hat einen Roman der Verluste geschrieben. Nicht nur ein Buch über den Tod – sondern über Verluste: über den Verlust der Mutter, der Familie, letztlich auch über den Verlust von Gott. Einen Roman, der zwar den Gesetzen seines Genres treu bleibt, aber sie da übersteigt, wo er an grundsätzliche Dinge rührt. Und vielleicht tröstet es auch, zu lesen, mit welchem Humor es dem Ermittler Polonius Fischer gelingt, Not und Konflikte zu relativieren. Fischer meint: "Man soll sein Leben nicht allzu persönlich nehmen".

Rezensiert von Vladimir Balzer


Friedrich Ani: Idylle der Hyänen
Zsolnay Verlag, Wien 2006, 352 Seiten, 19,90 Euro