Der Grenzgänger am Cello

Von Jonathan Scheiner |
Das Cellospielen gelernt hat er von seinem Vater, der Israel nach dem Jom-Kippur-Krieg den Rücken kehrte und nach Deutschland zog. Der Cellist Ramon Jaffé lässt sich am besten als Grenzgänger beschreiben, der ein umfassendes Repertoire aufweist.
Von seinem Vater Don Jaffé hat er nicht nur die Liebe zur klassischen Musik geerbt – sondern auch die Liebe zu seinem Instrument, dem Cello. Diese Liebe ist unüberhörbar, wenn Ramon Jaffé beispielsweise mit seinem Mendelssohn Trio Berlin oder den Belcanto Strings spielt.

Ramon Jaffés Repertoire umspannt Musik vom 18. bis ins 21. Jahrhundert, ob nun Dvorak – wie eben gehört - Vivaldi oder Schostakowitsch. Doch in Jaffés Ouevre gibt es auch viele Überraschungen: Zum Beispiel die CD-Aufnahme mit dem selten gespielten Heinrich von Herzogenberg, einem Zeitgenossen von Brahms. Und überraschend viele Komponisten, denen sich Jaffé zuwendet, sind jüdisch wie Max Bruch oder die kaum bekannten Ignaz Moscheles und David Popper. Diese Entdeckungen zu spielen macht Ramon Jaffé mindestens genauso viel Spaß wie die Sonate Nr. 1 mit dem Titel "Passionen". Das Stück stammt von seinem Vater, dem Cellisten und Komponisten Don Jaffé.

Ramon Jaffé stammt aus einem jüdischen Elternhaus. Die Familie aus dem lettischen Riga hat 1971 Aliya gemacht. Doch nach dem Jom Kippur-Krieg hat die Familie Israel den Rücken gekehrt und ist nach Deutschland gezogen, wo der Vater zunächst bei den Berliner Symphonikern und dann in Bremen eine Anstellung fand. Dort lebte Ramon Jaffé, seit er drei Jahre alt war, dort hat er mit dem Cellospielen Ernst gemacht.

"In meinem Elternhaus spielt das Judentum .... nicht als religiöses Zentrum eine Rolle. Das Bedürfnis ist einfach nicht da. Aber dieser kulturelle Hintergrund, die Verbundenheit mit der Literatur, auch gewisse Lebenseinstellungen, die sind einfach doch stark da. Die Jahre in Israel waren sehr sehr prägend.

Die Familie meiner Mutter ist schon seit Menschengedenken in Lettland ansässig. Wir sind 1971 ausgereist nach Israel, wir waren mit die ersten, die die Sowjetunion verlassen haben. Nach Deutschland war die Auswahl deswegen, weil mein Vater ist mit deutscher Kultur in Lettland aufgewachsen. Es wurde zuhause vor dem Krieg in Lettland deutsch oder Jiddisch gesprochen."

Neben der Musik jüdischer Komponisten spielt Ramon Jaffé häufig Stücke, die den Rahmen klassischer Musik sprengen. Mit seinem Mendelssohn Trio hat er beispielsweise schon Tangos von Astor Piazzolla gespielt oder er ist mit dem amerikanischen Jazzsänger Bobby McFerrin aufgetreten. Und mit der Neubrandenburger Philharmonie hat ein Stück des sri-lankischen Sitar-Spielers Pradeep Ratnayake uraufgeführt. Doch wirklich tief greifend verändert hat Ramon Jaffé die Musik des spanischen Flamenco-Gitarristen Pedro Bacan.

"Als ich in das Haus von Pedro kam, da haben die gerade geprobt und es war für mich ein absoluter Schock gewesen, was ich da gehört habe. Weil es war genau das Gegenteil von allem, was man als klassischer Musiker gelernt hatte. Und ich habe das erst entsetzt, dann völlig fasziniert zugehört: Was erwartet mich da? Nach zehn Minuten des Zuhörens bin ich dieser Musik ganz einfach verfallen.

Und dann hatten wir gleich unser erstes Konzert vor 5000 Menschen, das war bei der EXPO 92 in Sevilla. Und Pedro Bacan scheint zufrieden gewesen zu sein und es wurde bis zu seinem Tode eine sehr enge Freundschaft und Zusammenarbeit. Das war eigentlich der Anfang meiner Grenzgänge."

Kein Wunder, dass sich diese Grenzgänge auch auf das Festival in Hopfgarten in Tirol erstrecken, das Ramon Jaffé seit nunmehr 20 Jahren organisiert. Alljährlich trifft sich der Cellist dort in alpenländischer Abgeschiedenheit, um mit Kollegen und befreundeten Musikern klassische Musik zu zelebrieren. Aber was heißt schon ‘klassische Musik’? Da mischen sich unter die Klassiker schon mal die Popikone Björk und der Songschreiber Henry Mancini. Und natürlich gibt es auch Tango und Flamenco zu hören. Das Stück " Duerme bien, querido amigo" hat Ramon Jaffé für seinen verstorbenen Freund Pedro Bacan komponiert. Wen wundert es: Auch das ist ein Grenzgang.