"Der große Gatsby"

Von Hannelore Heider |
Baz Luhrmann bleibt seinem bekannten Stil treu: Laut, bunt und wild geht es in seiner Literaturverfilmung "Der große Gatsby" zu. Um die Gefühle der Charaktere des Dramas mit Tiefgang zu zeigen, reicht das aber nicht.
Der australische Regisseur Baz Luhrmann hat mit Filmen wie "Romeo & Juliet" und "Moulin Rouge" gezeigt, dass das feinfühlig psychologische Erzählen nicht seine Sache ist. Visuell effektvoll und mit Starbesetzung brachte er dramatische Geschichten auf die Leinwand, die mit prachtvoller Ausstattung und mitreißender musikalischer Untermalung bezauberten.

Mit Schauspielern wie Leonardo DiCaprio und Tobey Maguire und dem Romanklassiker von F. Scott Fitzgerald hat er jetzt wieder alles, um seinen Stil auf die große Leinwand zu bringen, wobei ihm das Format 3D noch zusätzlichen Spielraum gibt. Der von den in den Himmel steigenden Aktienkursen und dem Rhythmus der Jazz Musik überheizte Stadtmoloch New Yorks, die Villen des alten Geldadels auf Long Island und erst recht das Schloss Jay Gatsbys werden zu Theaterbühnen oder aufklappbaren Bilderbüchern, in denen sich die Stars und Sternchen, die Politiker, Mafiosi und Promis der 20er-Jahre tummeln. Gern in rasanten Kamerafahrten von oben aufgenommen und mit Partymusik der heutigen Unterhaltungsszene, in die auch wenige traditionelle Jazzmotive eingefügt werden, erzählt Baz Luhrmann den Klassiker als Märchen in überbordender Ausstattung.

Tobey Maguire ist als Nick Carraway der Beobachter der dramatischen Ereignisse. Als einziger wird er im übersteigerten Partygetümmel der Aufmerksamkeit des geheimnisvollen Hausherren Jay Gatsby gewürdigt. Aus seiner Distanz und mit seinen Kommentaren, die auch noch im Rahmen einer Rückblende gehalten sind, erleben wir das Geschehen, das Wiederzusammenführen von Gatsby und Daisy Buchanan und das unvermeidlich tragische Ende einer großen Liebesgeschichte.

Daisy (Carey Mulligan) als zauberhafte Prinzessin im Märchenschloss, die rasende Vereinnahmung einer naiven jungen Frau und Gatsby (Leonardo DiCaprio) als in seiner obsessiven Vision dieser Liebe Gefangener - auf die psychologischen Motive der schicksalsschweren Liaison oder das durchaus gesellschaftskritische Zeitbild legt Luhrmann wenig Wert. Auch die Erzählperspektive wird nicht konsequent eingehalten, die Kamera ist um des Effektes willen einfach immer da, wo wir als Zuschauer gern sein möchten.

Luhrman malt ein üppiges Gemälde aus. Er verfilmt, was erzählt wird - selbst etwas wirklich zu erzählen hat er nicht. So dass, als die Geschichte in die Tragödie kippt, die Schauspieler hilflos sind. Gefühle werden jetzt nur noch mit großer Orchesteruntermalung theatralisch inszeniert. Hier hilft auch das 3D-Format nichts mehr, im Gegenteil, es verstärkt nur die Künstlichkeit. Allein Leonardo DiCaprio kann kraft seiner Präsenz und schönen Selbstironie noch wirklich Dramatik herstellen.

USA 2012 – Originaltitel: The Great Gatsby, Regie: Baz Luhrmann, Darsteller: Leonardo DiCaprio, Carey Mulligan, Tobey Maguire, Isla Fisher u.a., ab 12 Jahren, 143 Minuten

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