Traumberuf Profifußballer

Kleine Schritte in die große Welt des Fußballs

05:29 Minuten
Ein Spiel der UEFA Youth League 2021: RB Leipzig U19 gegen Manchester City U19.
Ob Marius, Niko und Fotios es bereits in die UEFA Youth League geschafft haben, wie diese beiden, erfährt man erst, wenn man das Buch liest. © picture alliance / ZB / motivio
Von Christian von Stülpnagel |
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Einmal für den FC Bayern in der Champions League auflaufen. Welcher kleine Fußballfan träumt nicht davon? Ronald Reng hat drei Jungen auf ihrem Weg zum Profi begleitet und ihre Geschichte in „Der große Traum“ festgehalten.
Die Welt muss Marius, Niko und Fotios sehr oft sehr ungerecht vorkommen. Wenn sie gerade glauben, sie hätten den Durchbruch geschafft, kommt doch wieder irgendjemand und legt ihnen Steine in den Weg. Die drei Jungs sind Nachwuchsfußballer, sehr gute Nachwuchsfußballer, so gut, dass Greuther Fürth und der 1. FC Nürnberg ihnen Plätze in ihren Trainingsakademien anbieten, den Nachwuchsleistungszentren.
Hier beginnt die Geschichte von drei Jungs auf dem Weg zu ihrem "großen Traum", die Ronald Reng in seinem Buch erzählt. Seit 2013 habe er sich dafür mit den drei Jungen beschäftigt, insgesamt neun Jahre. "Es gab drei Monate, da habe ich die gar nicht gesehen, und dann ist wieder etwas passiert, dass ein Spieler nicht mehr weiterkam oder zu einem Profiverein gewechselt ist. Da gab es dann in drei, vier Wochen vielleicht zwei, drei Besuche. Pro Jahr habe ich 20 bis 60 Tage mit denen verbracht."

Kein Raum für das wahre Leben

In dieser Zeit läuft viel, aber wenig rund für die drei Protagonisten. Hier will ein Trainer sie nicht aufstellen, da macht die Schule Probleme, und dort türmt sich Geschirr in der Badewanne. Schon als Teenager sind die Fußballer öfter umgezogen als andere in einem halben Leben: von zu Hause nach Fürth, nach Ingolstadt, München. Stück für Stück in die große Welt des Fußballs.
Das wahre Leben bleibt da schon mal auf der Strecke, sagt Ronald Reng. Wer gerne in der Gruppe unterwegs sei, für den sei es das Beste, die Jugendmannschaft als Welt zu adaptieren und darin glücklich zu werden. "Aber, wenn du versucht, nebenher noch ein anderes Leben zu haben, ein Musikinstrument zu spielen oder so etwas, dann wirst du in dieser Welt nicht glücklich."
Die Nachwuchsleistungszentren bilden zwar erstklassige Fußballer aus, aber "auch die größten Nachteile des Systems liegen paradoxerweise in seiner Professionalität", meint Reng. "Dass der Fußball mit so viel Zeit und Intensität eingeübt wird mit den Kindern, dass ihnen eigentlich kein Raum mehr bleibt für das wahre Leben, das Leben nebenher."

Die vielen Facetten des Fußballs

Und so ist „Der große Traum“ nicht nur das Porträt von drei Jungs, die Fußballprofis werden wollen. Ohne ein wertendes Wort über das Nachwuchssystem zu verlieren, beschreibt Reng in seinen typischen, klaren Sätzen, was ein Leben in diesen Traumfabriken wirklich bedeutet. "Die große Stärke von Büchern heutzutage muss sein, dass sie ein Phänomen oder die Welt, in diesem Fall die Welt des Fußballs, in Facetten und in einer Tiefe zeigen, wie es die normalen Medien heutzutage nicht mehr können", meint Reng.
Das gelingt ihm mit diesem Buch. Geschickt verwebt er die Biografien der Jungs, deren Wege sich immer wieder trennen, um im Jahr darauf doch wieder im gleichen Verein zu kicken. Dabei kommt man den Spielern so nah, wie es bei pubertierenden Jungs eben möglich ist: Nicht immer versteht man ihre Entscheidungen und selten weiß man, was es mit ihnen wirklich macht, wenn es mal wieder sehr gut oder sehr schlecht läuft.

Nicht immer gerecht, aber spannend

Beim Lesen stolpert man immer wieder über Namen, die man auch aus dem heutigen Profigeschäft kennt: Achim Beierlorzer, Pellegrino Matarazzo, Timo Werner. Man fiebert mit den Jungen mit, schimpft gedanklich über das unfaire Verhalten von einigen Trainern und wünscht sich manchmal, die ein oder andere Entscheidung beeinflussen zu können.
"Die Frage ist, wie sehr bist du Akteur, und wo bist du nur Zuschauer", sagt dazu Autor Ronald Reng. Denn auch für ihn war es nicht leicht, seinen drei Protagonisten immer nur zuzuschauen. "Mit dieser Frage hat sich schon Norman Mailer vor 50 Jahren beschäftigt, der große amerikanische Literat, der Mohamed Ali beim großen Kampf in Zaire, beim ‚Rumble in the Jungle’ gegen George Foreman begleitet hat und in der Kabine von Mohamen Ali selbst saß. Ich habe bewusst versucht, so gut es ging, die Rolle des Zuschauers zu wählen."
Trotzdem habe es Momente gegeben, wo er aus Zuneigung zu den Jungs versucht gewesen sei einzugreifen. "Zum Beispiel habe ich mal bei einem Verein angerufen, um einen der Jungs vielleicht dahin zu vermitteln. Ich habe mich bewusst dafür entschieden, wenn das passiert, dann werde ich das auch bewusst im Buch so beschreiben."
Wer das Buch genießen will, googelt vorher besser nicht die Namen der drei Spieler. Die Geschichte lebt auch davon, nicht zu wissen, ob die aktuelle Glückssträhne hält, oder es im nächsten Jahr wieder bergab geht.
Sicher ist: Nur ein Bruchteil der Spieler, die in den Nachwuchsleistungszentren spielen, werden später Profis. Nicht immer mag einem das gerecht erscheinen. Spannend ist der Weg durch die Jugendmannschaften aber allemal.

„Der große Traum“ von Ronald Reng
Piper Verlag, München 2021
528 Seiten, 22 Euro

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