Der großen Leinwand wieder zum Durchbruch verhelfen

Von Sven Näbrich |
Der Interessenverband der Programmkinos und Filmkunsttheater, die AG Kino-Gilde, veranstaltet derzeit die <papaya:link href="http://www.filmmesse-leipzig.de/" text="5. Filmkunstmesse" title="5. Filmkunstmesse Leipzig" target="_blank" /> in Leipzig. Verleiher und Kinobetreiber begegnen sich hier auf Augenhöhe. Sie wollen die dritte große Krise, die das Kino nach TV und Video nun in Form der DVD heimsucht, gemeinsam meistern.
Das Licht geht aus, der Film beginnt. Doch immer weniger Zuschauer haben sich in letzter Zeit im Kinosessel entspannt zurückgelehnt und dem Filmbeginn entgegengefiebert. Viele blieben lieber zu Hause und schauten sich Filme auf der vertrauten Mattscheibe an. Doch nicht nur die DVD hat der Kinobranche zugesetzt. Raubkopierer, schwache Hollywood-Kost und immer schmalere Geldbeutel taten ein Übriges.

Insgesamt sind die Besucherzahlen im vergangenen Halbjahr dramatisch gesunken – über 15 Prozent beträgt der Rückgang im Vergleich zum Vorjahr. Vor allem darüber sprechen die Experten bei der diesjährigen Filmkunstmesse in Leipzig. Veranstaltet wird das Treffen von der AG Kino-Gilde, dem Interessenverband der Programmkinos und Filmkunsttheater.

Leipzig ist der ideale Ort, um auf die Kinokrise zu reagieren. Hier basteln Verleiher und Kinobetreiber gemeinsam an Marketingkonzepten, um die Säle wieder voll zu kriegen. Kino-Gilde-Geschäftsführerin Eva Matlock erklärt:
" Über die Filme, die hier gezeigt werden, sprechen die Verleiher mit den Kinobetreibern über deren Herausbringungen: Wann wird der Film starten, wie soll der Titel sein, finden wir den Titel überhaupt gut? Und so weiter. Also es wird wirklich über eine gemeinsame Marketingmaßnahme zwischen Verleiher und Kinobetreiber diskutiert. Und das ist bei diesen üblichen Trade-Shows ansonsten eigentlich nicht der Fall. Da wird der Film einfach konsumiert, er wird den Betreibern vorgestellt, aber es wird in den seltensten Fällen über die Herausbringung gesprochen. Geschweige denn diskutiert. "

Besprochen werden aber nicht nur neue Marketingkonzepte, sondern auch die Zukunft des Kinos insgesamt. Dazu wird eigens ein Runder Tisch installiert, der sich mit dem Filmkunstgeschäft in Europa beschäftigt. In begleitenden Seminaren und Foren geht es darüber hinaus um die Digitalisierung des Kinos sowie die Heranführung jüngerer Menschen an die große Leinwand, vor allem aber an das Programmkino. Denn die Krise hat längst auch den Arthouse-Bereich erfasst. Das weiß auch Micha Ludwig, Programmchef der Schaubühne Lindenfels in Leipzig. Er findet, dass die Filmmesse gerade jetzt wichtige Impulse liefert:

" Es gibt natürlich viele Themen, die angesprochen werden. Die Probleme des Programmkinos, eines Kinos überhaupt, oder die Modernisierung des Kinos, gibt es eine Kinokrise oder die Digitalisierung des Kinos. Und die Filmmesse ist halt der perfekte Zeitpunkt, so was mal geballt, diese Fragen zu sammeln und zu diskutieren mit allen Beteiligten. Da verspreche ich mir schon eine ganze Menge, auch, klar, Ideen und Tipps, gerade auch für schwierige Zeiten."

Denn die fetten Jahre sind vorbei - das spüren Kinobetreiber wie auch Filmverleiher. Es ist bereits die dritte große Krise, die das Kino nun in Form der DVD heimsucht. Nach der Konkurrenz durch Fernsehen und Video befürchtet man nun eine allgemeine DVD-Schwemme. In weiten Teilen hat sie schon eingesetzt – legal wie illegal. Doch im Programmkinobereich wiegeln die Betreiber gleich wieder ab. Das Heimkino könne den klassischen Kinoabend nicht ersetzen, argumentieren Cineasten wie Micha Ludwig:

" Es ist vor allen Dingen auch ein soziales Erlebnis. Also jetzt nicht unbedingt, dass ich mit zweihundert anderen Leuten im Kino sitzen muss und der Film mir dann zerlacht wird. Aber ist trotzdem schön, wenn auch noch andere Menschen dabei sind, wo man weiß: Ah, die mögen diesen Film. Es ist halt die Atmosphäre in einem Kino, die große Leinwand. So alleine zu Hause, im Heimkino sich einen Film angucken, hat auch immer was Autistisches. Also man möchte schon mit anderen Leuten das Erlebnis teilen und hinterher noch was trinken gehen, und das bietet eigentlich nur Kino."

Dennoch werden mit der DVD mittlerweile lukrativere Geschäfte gemacht als an der Kinokasse. Deshalb wollen viele Verleiher die Silberlinge möglichst schnell auf den Markt bringen. Bisher galt das Gentlemen's Agreement, erst sechs Monate nach Kinostart eine DVD zu veröffentlichen. Nun diskutiert man, ob dieses so genannte Auswertungsfenster auf drei Monate reduziert werden sollte. Doch nicht alle Verleiher wollen diesen Weg mitgehen.

Die Kinowelt-Gruppe etwa präsentierte vor kurzem ein eigenes Modell, das nun auf der Filmkunstmesse in Leipzig diskutiert wird. Danach sollen Kinobetreiber bei vorzeitiger DVD-Veröffentlichung geringere Verleihmieten zahlen müssen. Georg Miros von der Kinowelt hält dies für eine akzeptable Lösung, die auch die Filmhäuser schützt:

" Es gibt Mitbewerber, die machen sich sehr stark, dass das Verleihfenster gekürzt wird. Aber wir halten einfach den Kinos die Stange, weil, es ist ein Stück Kultur. Kino muss erhalten bleiben in seiner jetzigen Form, und dafür muss man auch was tun. Das kommt nicht von selbst. Und wenn das Kino irgendwann mal stirbt, dann stirbt auch der Film in der Öffentlichkeit. Und dann wird man auch irgendwann mal keine DVDs mehr verkaufen können. Wir brauchen das Kino. Das Kino ist ein Stück Kultur wie Theater oder sonst was."

Auf diese Formel können sich dieser Tage wohl alle einigen, die bei der Filmmesse in Leipzig dabei sind. Noch bis Freitag werden Filme geschaut, Zahlen verglichen und Verträge gemacht. Verleiher und Kinobetreiber treffen sich dabei auf Augenhöhe und ohne Berührungsängste. Vielleicht ist dies die Chance, der großen Leinwand wieder zum Durchbruch zu verhelfen.

Service:

Die 5. Filmkunstmesse Leipzig findet vom 12. bis 16. September 2005 statt.