Der Großmeister des Jugendstils
Gegen die Neigung seiner Zeit zum Ornamentalen setzte Henry van de Velde auf klare Linien und Schlichtheit und wurde so in Deutschland als Prophet der Erneuerung gefeiert. Ursula Muscheler zeichnet in ihrem mit historischen Fotografien und Skizzen illustrierten Buch den Auf- und Abstieg van de Veldes nach.
"Hässlich fand der junge belgische Maler Henry van de Velde das bürgerliche Heim seiner Zeit mit seinen dunklen Räumen und schweren Möbeln", schreibt Ursula Muscheler über einen Mann, der das europäische Kunsthandwerk fundamental erneuerte: Henry van de Velde. 1900 zog er nach Deutschland und attackierte die bürgerliche Spießigkeit und Prunksucht mit einer Architektur der klaren Linien und Schlichtheit. Als Gründer der Kunstgewerbeschule in Weimar legte van de Velde das Fundament für das spätere Bauhaus.
Weiß geschliffene Möbel mit violetten Bezügen, leuchtend bunte Dahlia-Tapeten, kunstvoll geschwungene Arbeitstische und himbeerfarbene Glasfüllungen: Van de Veldes farbenfrohe Interieurs hatten mit dem Historismus des ausgehenden 19. Jahrhunderts nichts mehr gemein. Van de Velde verzichtete weitgehend auf Ornamente und Dekor und setzte mit seinem künstlerischen Stil neue Maßstäbe. Sein von ihm selbst entworfenes Wohnhaus "Bloemenwerf" bei Brüssel wurde 1896 zu einer Pilgerstätte, die auch das interessierte Publikum aus Deutschland anlockte.
Die promovierte Architektin Ursula Muscheler beschreibt in "Möbel, Kunst und feine Nerven", wie van de Veldes Jugendstil das künstlerisch aufgeschlossene Deutschland eroberte. Im traditionsbewussten Paris ein Flop, wurden van de Veldes Inneneinrichtungen in Deutschland zum gesellschaftlichen Ereignis. Sein Folkwang-Museum in Hagen, der "Königliche Frisiersalon Haby" in Berlin, das Nietzsche-Archiv oder die Kunstgewerbeschule in Weimar - van de Veldes Bauten waren Sensationen.
Der Designer gehörte dem illustren Weimarer Kreis von Künstlern und feinsinnigen Industriellen um Harry Graf Kessler und Hugo von Hofmannsthal an, die das Leben als ästhetisches Gesamtkunstwerk neu formulierten. Ihre Mission galt einer "moralischen Erziehung" des modernen Menschen durch die Schönheit der Kunst – dabei sollte ihnen auch der Apostel des Neuen Stils, Henry van de Velde, behilflich sein.
Die Autorin rekonstruiert anhand von historischen Fotografien, Wohnungen, Möbeln, Briefen und Tagebüchern van de Veldes "Kultus der Schönheit". Als er im Jahr 1900 nach Deutschland kam, wurde der Designer als Prophet der Erneuerung gefeiert – als er nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1917 in die Schweiz fliehen musste, wurden seine Arbeiten als "fremdartig" diffamiert. Nach dem Ersten Weltkrieg knüpfte Walter Gropius mit dem Bauhaus an die Tradition an, die Henry van de Velde in Weimar begründet hatte.
Ursula Muschelers detaillierte Beschreibungen zahlreicher Bauprojekte, von Haus "Bloemenwerf" bis zum Entwurf für ein Nietzsche-Denkmal, zeichnet van de Veldes rasanten Auf- und Abstieg in Deutschland eindrücklich nach. Illustriert mit historischen Fotografien und Skizzen würdigt das Buch sein Experiment der frühen Moderne. Ursula Muscheler gibt so einen gut recherchierten, mitunter sehr persönlichen Einblick in das Leben und Wirken Henry van de Veldes, den die Region Erfurt-Weimar-Jena im nächsten Jahr zum 150. Geburtstag mit umfangreichen Ausstellungen und Lesungen feiern wird.
Besprochen von Tabea Grzeszyk
Ursula Muscheler: Möbel, Kunst und feine Nerven. Henry van de Velde und der Kultus der Schönheit 1895-1914
Berenberg-Verlag, Berlin 2012
192 Seiten, EUR 25,00
Weiß geschliffene Möbel mit violetten Bezügen, leuchtend bunte Dahlia-Tapeten, kunstvoll geschwungene Arbeitstische und himbeerfarbene Glasfüllungen: Van de Veldes farbenfrohe Interieurs hatten mit dem Historismus des ausgehenden 19. Jahrhunderts nichts mehr gemein. Van de Velde verzichtete weitgehend auf Ornamente und Dekor und setzte mit seinem künstlerischen Stil neue Maßstäbe. Sein von ihm selbst entworfenes Wohnhaus "Bloemenwerf" bei Brüssel wurde 1896 zu einer Pilgerstätte, die auch das interessierte Publikum aus Deutschland anlockte.
Die promovierte Architektin Ursula Muscheler beschreibt in "Möbel, Kunst und feine Nerven", wie van de Veldes Jugendstil das künstlerisch aufgeschlossene Deutschland eroberte. Im traditionsbewussten Paris ein Flop, wurden van de Veldes Inneneinrichtungen in Deutschland zum gesellschaftlichen Ereignis. Sein Folkwang-Museum in Hagen, der "Königliche Frisiersalon Haby" in Berlin, das Nietzsche-Archiv oder die Kunstgewerbeschule in Weimar - van de Veldes Bauten waren Sensationen.
Der Designer gehörte dem illustren Weimarer Kreis von Künstlern und feinsinnigen Industriellen um Harry Graf Kessler und Hugo von Hofmannsthal an, die das Leben als ästhetisches Gesamtkunstwerk neu formulierten. Ihre Mission galt einer "moralischen Erziehung" des modernen Menschen durch die Schönheit der Kunst – dabei sollte ihnen auch der Apostel des Neuen Stils, Henry van de Velde, behilflich sein.
Die Autorin rekonstruiert anhand von historischen Fotografien, Wohnungen, Möbeln, Briefen und Tagebüchern van de Veldes "Kultus der Schönheit". Als er im Jahr 1900 nach Deutschland kam, wurde der Designer als Prophet der Erneuerung gefeiert – als er nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1917 in die Schweiz fliehen musste, wurden seine Arbeiten als "fremdartig" diffamiert. Nach dem Ersten Weltkrieg knüpfte Walter Gropius mit dem Bauhaus an die Tradition an, die Henry van de Velde in Weimar begründet hatte.
Ursula Muschelers detaillierte Beschreibungen zahlreicher Bauprojekte, von Haus "Bloemenwerf" bis zum Entwurf für ein Nietzsche-Denkmal, zeichnet van de Veldes rasanten Auf- und Abstieg in Deutschland eindrücklich nach. Illustriert mit historischen Fotografien und Skizzen würdigt das Buch sein Experiment der frühen Moderne. Ursula Muscheler gibt so einen gut recherchierten, mitunter sehr persönlichen Einblick in das Leben und Wirken Henry van de Veldes, den die Region Erfurt-Weimar-Jena im nächsten Jahr zum 150. Geburtstag mit umfangreichen Ausstellungen und Lesungen feiern wird.
Besprochen von Tabea Grzeszyk
Ursula Muscheler: Möbel, Kunst und feine Nerven. Henry van de Velde und der Kultus der Schönheit 1895-1914
Berenberg-Verlag, Berlin 2012
192 Seiten, EUR 25,00