"Der hat auf mich einen völlig relaxten Eindruck gemacht"

Moderation: Jan-Christoph Kitzler |
Guido Westerwelle steht momentan erheblich unter Druck, denn seine eigenen FDP-Parteigenossen legen ihm den Rücktritt nahe. Der Künstler Michael Fischer-Art hat ihn dennoch ziemlich entspannt erlebt und hält ihn für etwas Besonderes: "Er hat Kultur. Ein Mensch, der Originale bei sich zu Hause an die Wand hängt, der kann ja nicht völlig verkehrt sein".
Jan-Christoph Kitzler: Kunst kann ja manchmal Brücken schaffen. Da kommen Menschen ins Gespräch, die sonst nur wenig miteinander zu tun haben, und um genau so einen Fall geht es jetzt: um einen Maler und um einen Parteichef, dem zurzeit ein ziemlich scharfer Wind ins Gesicht weht. Guido Westerwelle schätzt die Bilder von Michael Fischer-Art. Er besitzt drei Bilder des Leipzigers, vielleicht auch, weil der Künstler seinen Stil als "marktwirtschaftlichen Realismus" bezeichnet. Vor drei Tagen, am Samstag, haben sich die beiden getroffen. Darüber und wie der Künstler die Lage der FDP sieht, spreche ich jetzt mit Michael Fischer-Art. Guten Morgen!

Michael Fischer-Art: Ja, guten Morgen!

Kitzler: Hans-Dietrich Genscher, den FDP-Ehrenvorsitzenden und langjährigen Außenminister, haben Sie ja schon gemalt. Wie würden Sie denn Guido Westerwelle, seinen Nachfolger, malen?

Fischer-Art: Im Moment als völlig relaxt. Ich meine, er hat ja 10 Jahre die Partei geführt und hat auch dafür gesorgt, dass die jetzt in Regierungsverantwortung stehen, und da kann ja der aus der dritten oder vierten Reihe jetzt gerne kommen mit einer Säge und an ihm herumsägen, das muss erst mal ein anderer schaffen. Das war ja wie eine Splitterpartei und unter seiner Führung ist das ja mehr oder weniger nach vorne gegangen. Aber es ist eben nur nach vorne gegangen, weil der innerparteiliche Streit mal für kurze Zeit nach hinten getreten ist.

Die FDP ist ja leider eine Partei, wo jeder seinen Presslufthammer im Nachtschrank hat und ständig am anderen herumhackt, teilweise auch an sich selber. Das ist schon verrückt. Dabei sollten die sich eigentlich mal hinsetzen und ein bisschen programmatisch nach vorne arbeiten. Da fehlt nämlich im Moment ein bisschen was.

Kitzler: Aber Porträts sind ja immer auch Momentaufnahmen. Fällt Ihnen da jetzt nicht das Bild ein, was Guido Westerwelle zurzeit selbst gern benutzt, wenn er sagt, er verlässt die Brücke nicht, wenn es stürmt, oder wird es am Ende dann doch wieder ...

Fischer-Art: Ja, sicher. Man könnte die Gustloff oder die Titanic nehmen, wie da sozusagen torpedogetroffen oder eisbergzerstört langsam Wasser hinten runterläuft, aber die Sache ist: Der hat auf mich einen völlig relaxten Eindruck gemacht am Sonnabend, wirklich völlig aufgeräumt, also nicht irgendwie, dass da Angst in seinen Augen wäre. Denn egal wie es auch immer ausgeht: Er ist noch ein paar Jahre Außenminister und er hat natürlich was, was viele andere Politiker nicht haben: Er hat Kultur. Ein Mensch, der Originale bei sich zu Hause an die Wand hängt, egal ob sie jetzt von mir sind, oder von jemand anderem, der kann ja nicht völlig verkehrt sein. Es gibt viele Leute, die schneiden irgendwelche Drucke aus, oder nehmen halt das ganz normale Zeug, was einem so von der Bundesverwaltung da reingehängt wird, aber das sind eben Menschen, die gehen ein bisschen tiefer rein, und das ist natürlich eine spannende Sache.

Kitzler: Und das heißt, Sie werden am Ende auch nicht doch dann das alte Bild vom Lotsen benutzen, der von Bord geht?

Fischer-Art: Nein, in so einer Uniform würde ich ihn wahrscheinlich nicht malen. Schon sicherlich seitlich blickend, was kommt da, also jetzt nicht den völlig relaxten. So ein bisschen ist es ja schon seltsam, wenn die eigenen Parteigenossen die Säge ansetzen. Normalerweise fetzt man sich ja mit der anderen Partei, oder mit dem politischen Gegner, und jetzt kommt sozusagen der Wind aus der eigenen Partei. Das ist natürlich schon heftig. Aber das ist ganz normal! Das ist ja sozusagen in der SPD auch ständig gelaufen.

Kitzler: Sie haben ihn ganz relaxt erlebt, haben Sie gesagt. Trotzdem: Auf Westerwelle herrscht ja ein wahnsinniger Druck. Trotzdem hatten Sie Gelegenheit, Samstag mit ihm ganz entspannt zu sprechen. Ging es denn da mehr um die Kunst, oder ging es da auch um die FDP?

Fischer-Art: Nein! Es ging natürlich am Rande darum, wie sieht es denn gerade aus, aber da hat er gesagt, es ist alles gut. Das waren nur ein, zwei Sätze. Sonst ging es natürlich um die Kunst, eine spannende Sache, weil ich bin ja der Meinung, dass Kunst ein sehr guter Botschafter ist. Meine Idee war ja gewesen, habe ich ihm auch gesagt, dass man in der Botschaft in Afghanistan mal eine Ausstellung machen sollte, dass man also nicht nur Soldaten runterschickt, sondern auch ein bisschen Kunst und Kultur.

Ein weiterer Traum von mir ist, dass ich dort mal in einer Dorfschule zwei, drei Wochen Unterricht gebe, da werde ich mich mal ans Verteidigungsministerium wenden, weil es geht nicht darum, dass wir da sozusagen nur Soldaten hinschicken, um die Taliban aufzuhalten, sondern wir müssen ein bisschen Kultur vermitteln, und das ist in der letzten Zeit ein bisschen zu kurz gekommen. Es müssten eigentlich genauso viele Lehrer und Künstler da unten zu Gange sein wie Soldaten. Sicherlich ist das im Moment gefährlich, aber das muss man eben auf sich nehmen. Also das ist so eine Idee eigentlich, die ich weiter verfolge.

Kitzler: Insofern haben dann vielleicht das Leben eines Künstlers und das Leben eines Parteichefs doch mehr gemeinsam, als man denken würde?

Fischer-Art: Na ja. Sie können sich vorstellen, dass zum Beispiel jeder Künstler dem anderen immer die Luft neidet. Ich freue mich zum Beispiel darüber, wenn ein Kollege irgendwo eine schöne Ausstellung hat, aber es gibt natürlich auch viele andere, die sagen, na der, der hat einen Kunstpreis, ich hasse ihn, ich habe ihn schon immer gehasst. Und genauso ist es auch in der Politik. Es ist ja Wahnsinn, Hauen und Stechen.

Ich hatte ja Gelegenheit, zur Buchmesse mal kurz mit Frau Nahles zu sprechen. Mich interessierte einfach mal so die gesamte Bandbreite. Ich sagte, Mensch, Frau Nahles, jetzt haben Sie endlich mal was Sinnvolles zu tun, indem Sie ein Kind kriegen, weil die war ja Praktikantin bei der SPD und ist dann dort geblieben. Ich meine, das sind Leute, die haben überhaupt keine berufliche Praxis. Und das ist ja bei Herrn Westerwelle auch ein bisschen anders. Er kann ja sozusagen auch in der freien Wirtschaft arbeiten und da würde er auch sofort einen Job kriegen.

Kitzler: Bleiben wir noch mal bei Westerwelle. Nach außen hin hat man ja immer so ein bisschen den Eindruck, der lässt gar keine Kritik an sich herankommen. Da kommt wieder dieses Bild vom Teflon-Außenminister, an dem alles abperlt. Haben Sie da als Künstler – Sie müssen ja Ihr Auge auch sehr schulen – einen anderen Blick?

Fischer-Art: Nein. Ich denke schon, dass ihm das sehr nahe geht. Tiefensee zum Beispiel, das war so richtig Mr. Teflon. Den hat ja nichts interessiert. Da konnte der Stern einen Bericht schreiben, "der Verkehrtminister", das war dem völlig Wurscht. Der hat nur dann komisch geguckt, als er eben nicht mehr Minister war, als dann ein anderer Name an seiner Tür stand. Aber bei Westerwelle sieht man schon, man merkt das, es ist schon ein bisschen so eine innere Unruhe. Das merkt man schon.

Kitzler: Jetzt müssen Sie mir am Ende nur noch den "marktwirtschaftlichen Realismus" beschreiben. Das ist ja Ihr Stil. Und vor allem: Was hat der mit der FDP zu tun?

Fischer-Art: Eigentlich eine ganze Menge. Ich war ja 19 Jahre, als die DDR zusammengebrochen ist. Ich war ja auch in so einer Oppositionsgruppe, wir haben in Leipzig eine ganze Menge gemacht, meine Stasi-Akte ist so dick wie die Bibel, die man sich kaufen kann. Aber die Sache ist eben: Der marktwirtschaftliche Realismus sollte den sozialistischen Realismus ablösen, immer diese Arbeiterbilder, Thälmann und so, alles so Brigade, der Bitterfelder Weg, das waren alles so diese Sachen, die waren eben sehr sozialistisch geprägt. Und ich dachte, nein, du musst da eine Überhöhung bringen, und deswegen habe ich das den marktwirtschaftlichen Realismus genannt. Da gibt es eben Gebäude, die eingefärbt sind, da gibt es eine Universität da in Dresden oder Leipzig, es gibt so Sachen, die springen so richtig ins Auge. Da ist nicht dieser Grauwert da. Das ist auch ein bisschen comicartig, gar nicht dieser totale Realismus.

Kitzler: Auf Ihren Bildern habe ich gesehen, da herrscht manchmal ziemliches Gewusel. Ist dieses Durcheinander vielleicht auch ein bisschen die FDP?

Fischer-Art: Ja, aber das ist ja auch produktiv. Normalerweise müsste die FDP eine Partei sein so zwischen fünf und zehn Prozent, die so ein bisschen auf technologische Innovation setzt, ein bisschen frecher ist, ein bisschen quereinsteigerisch, so einfach, dass man so die unternehmerischen Gedanken reinträgt. Das haben sie aber in der letzten Zeit ein bisschen vernachlässigt.

Was ich überhaupt nicht verstehen kann, dass eben viele Leute auf so einem gewissen Hauptschulniveau gehalten werden, die dann später immer einen Kostenfaktor darstellen. Man muss Leute motivieren, man kann sie nicht einfach liegen lassen. Man muss sich nicht damit abfinden, dass, was weiß ich, ein paar Millionen keinen Job haben. Das ist einfach das, was die FDP in der letzten Zeit versäumt hat. Da müssen sie meiner Ansicht nach ran, jeden motivieren und immer wieder, dass der Mensch so seine eigene Lebensleistung entfalten kann. Das ist eigentlich so eine Sache, die geht nach vorne. Dann kriegen sie auch den Namen los, dass sie eine Klientelpartei sind.

Kitzler: Der Künstler Michael Fischer-Art und die Lage der FDP. Vielen Dank für das Gespräch.

Fischer-Art: Alles klar!