Der heilige Franz Xaver und seine Zeit

Der Titel dieser ungewöhnlichen Publikation aus zwei Doppel-CDs und einem Buch lautet auf Deutsch: "Franz Xaver. Der Weg nach Osten". Sie vermittelt sowohl die Geschichte des 1622 heilig gesprochenen Franz Xaver als auch die Musik seiner Zeit. Er gilt als der bedeutendste Missionar der Neuzeit, dessen Überzeugung es war, dass eine Missionierung die Kenntnis von Sprache und Kultur der Eingeborenen voraussetze.
Franz Xaver Süßmayr, Franz Xaver Messerschmidt, Franz Xaver Kroetz – aus dem katholischen Raum ist uns bis heute die Namenskombination "Franz Xaver" geläufig. Aber auf wen geht sie zurück und wer verbirgt sich dahinter?

Franz Xaver ist der im Jahre 1622 heilig gesprochene Adlige Francisco Javier de Jassu y Azpilcueta. Er kam 1506 auf der Burg Javier in Nordspanien zur Welt und starb 1553 auf einer Insel vor der südchinesischen Küste. Neben Ignatius von Loyola und Peter Faber gehört er zu den Mitbegründern des Jesuitenordens und gilt als der bedeutendste Missionar der Neuzeit. Ab 1541 bereiste er Ostafrika, Indien, Indonesien und Japan, um dort das Christentum zu verbreiten.

Der katalanische Gambenvirtuose und Dirigent Jordi Savall hat Franz Xaver jetzt eine Publikation gewidmet, die aus dem Rahmen fällt: ein CD-Buch oder eine Buch-CD, je nachdem, wo man den Schwerpunkt der eigenen Rezeption hinlegen will. Der Titel: "Francisco Javier. La Ruta de Oriente", zu Deutsch: "Franz Xaver. Der Weg nach Osten". Zwei CDs mit Kirchen- und Hofmusik des 16. Jahrhunderts aus Europa, traditioneller Musik aus Afrika, Arabien, Indien und Japan werden umfasst von einem knapp 280 Seiten starken Buch (erschienen beim Label Alia Vox).

In den Aufsätzen von Jordi Savall, dem Musikwissenschaftler Ruy Vieira Nery und dem Sprachwissenschaftler und Dichter Manuel Forcano geht es darum, jene religiöse Situation zu erfassen, die Anfang des 16. Jahrhunderts in Europa zur Reformation und zur Gegenreformation geführt hat. Mit Auszügen aus den Schriften von Erasmus von Rotterdam, Thomas Morus und Niccolò Macchiavelli, mit dem vollständigen Abdruck von Martin Luthers 95 Thesen und der Satzung des Jesuitenordens wird auch der Leser "zurück zu den Quellen" geführt, wie der Schlachtruf der Reformation und des Renaissance-Humanismus lautete. Es geht den Autoren im ersten Teil vor allem darum, die Gegenreformation weniger als Versuch der katholischen Kirche zu werten, die Reformation zu bekämpfen, sondern sie als Parallelbewegung zu begreifen, um jene Missstände zu beseitigen, die von Luther und den Humanisten zu Recht angeprangert wurden.

Im zweiten Teil vermittelt eine Dokumentation aus den Reisebriefen des Franz Xaver ein plastisches Bild von der Begegnung verschiedener Kulturen und Religionen. Grundüberzeugung von Franz Xaver war es, dass eine Missionierung zuvor die Kenntnis von Sprache, Kultur und Religion der Eingeborenen voraussetze. Heutigen Überzeugungen von politischer Korrektheit gehorchend, zeichnet das Buch ein vielleicht zu idyllisches Bild vom friedlichen Dialog bei Franz Xaver. Ruy Vieira Nery räumt das in seinem Beitrag sogar ein.

Auch wird unterschlagen, dass Franz Xaver auf die Einführung jenes Inquisitionsgerichts im westindischen Goa drängte, das später zu grausiger Berühmtheit für seine mörderische Konsequenz gelangte. Dennoch wird die ursprüngliche Lauterkeit und Friedfertigkeit des großen Missionars erkennbar, der schon früh gegen den Sklavenhandel polemisierte, indem er den Sklaven – völlig ungewöhnlich für die damalige Zeit – den Status des vollen Menschseins zusprach.

Den größten Genuss beim Lesen halten Franz Xavers Originalbriefe bereit, in denen er die Schlitzohrigkeit hinduistischer Brahmanen, die maßvollen Tischsitten der Japaner und den Einfallsreichtum der Chinesen beschreibt.

Jordi Savall setzt mit dieser Publikation die aufwändige Reihe seiner CD-Bücher fort, die mit Cervantes’ "Don Quijote" und einem Porträt des Christoph Kolumbus begann. Wieder geht es um die Begegnung verschiedener Kulturen, vor allem aber um die Wieder-Erschließung europäischer Formen christlicher Spiritualität. Immer deutlicher zeichnet sich ab, dass Savall und seine Frau, die Sängerin Montserrat Figueras, zusammen mit vielen Intellektuellen an einer "Rückkehr des Heiligen" in unsere Gegenwart arbeiten, überspitzt gesagt: an einer sanften Gegenreformation mit den Mitteln des Buchdrucks und der Phono-Industrie.

Rezensiert von Jan Brachmann

Jordi Savall u.a.: Francisco Javier – La Ruta de Oriente.
Alia Vox Barcelona. 275 S., 37,99 €