Der Herr Karl
Er war Schauspieler, Schriftsteller, aber vor allem als Kabarettist wurde er berühmt: Helmut Qualtinger. Den viel zitierten "Wiener Schmäh" nahm er wortwörtlich, in bitterbösen Sketchen und Stücken fühlte er seinen Landsleuten auf den Zahn, überzog er die Österreicher mit schwärzestem Humor. Das Spießertum, die Mentalität der Duckmäuser und Angeber, und immer wieder der verlogene Umgang mit der Geschichte - das waren die Angriffsflächen seines Spotts, der oft auf wütende Proteste stieß.
Bis zu seinem frühen Tod blieb Helmut Qualtinger unnachgiebig in seiner Kritik, heute feiert man ihn auch in seiner Heimat als Original und Klassiker des Kabaretts. Im Münchner Hörverlag ist eine Doppel-CD mit einer Auswahl seiner populärsten Stücke erhältlich - Best of Helmut Qualtinger.
"Da san mer alle, i waaß noch, am Ring, am Heldenplatz gestandn. Man hat gfühlt, man is unter sich, es war wie beim Heurigen, wie aan riesiger Heuriger - aber feierlich, aan Taumel Die Deitschn san einmarschiert, mit klingendem Spiel... (summt)... die Polizei is gestandn, mit ihre Hakenkreuzbinden - furchtbar, furchtbar das Verbrechen, wie man diese gutgläubigen Menschen in die Irre geführt hat! Der Führer hat’s geführt, aber a Persönlichkeit war er! "
Das ist er - der Herr Karl, die bekannteste Figur und Rolle von Helmut Qualtinger. 40 Minuten lang erzählt dieser Herr Karl von seinem Leben, über die alten Zeiten und Verhältnisse, damals vor dem Krieg, wie schwer hat man’s doch gehabt. Und dann 1938, als ganz Wien dem Österreicher Adolf Hitler auf dem Wiener Heldenplatz zujubelte. Mal wehleidig, mal aggressiv raunzt, greint, proletet Herr Karl. Er hat immer mitgemacht und will doch nie dabei gewesen sein, schlau hat er sich durchgewunden, war immer obenauf und mit sich im Reinen. - Helmut Qualtinger war 33, als er diesen Charakter ersann, eine Auftragsarbeit fürs Fernsehen, in nur neun Tagen schrieben er und sein Co-Autor Carl Merz den Text. Noch während der Ausstrahlung am 15. November 1961 meldeten sich empörte Zuschauer, körbeweise kam die Post mit wüsten Beschimpfungen, mancher drohte gar mit Mord. Fortan war Helmut Qualtinger berühmt und für alle Konservativen DER Nestbeschmutzer. Was ihm durchaus gefiel und ihn zu immer neuen Szenen und Gestalten inspirierte. Zum Beispiel zu diesem Wiener Hausmeister, der sich nostalgisch an früher erinnert, als in seiner Straße die Welt noch in Ordnung war.
"Man hat sich gegrüßt, man hat gelächelt, "Servus Franzl, Servus Toni", und dann war wieder alles still. Das ist meine Auffassung von Demokratie: Bappn halten und grinsen! Alle haben immer die selben Fahnen draußen hängen ghobt, jeden andern hätten’s derschlagn. Wenn gar nix los war, an einem Sommersonntag, haben manche die Zeitung gelesen, aber des waren Außenseiter..."
Die so genannten "kleinen Leute", die braven Bürger - sie bildeten für Qualtinger den Kern der großen Geschichtslüge, mit der sich Österreich zum harmlosen Mitläufer des Nationalsozialismus, ja als Opfer stilisierte. Der Satiriker hatte selbst unter einem Nazi-Vater gelitten und mit einem ersten Jugendstück für einen handfesten Theaterskandal gesorgt. In der Kabarettgruppe "Reigen 51" fand Helmut Qualtinger seine künstlerische virtuose Form. Bis in die 60er Jahre erdachten er und seine Kollegen über einhundert Nummern, darin verbanden sich ein ausgemachter Sinn für Sprache, feinstes mimisches Spiel mit der barock-bedrohlichen Wucht des 100-Kilo-Mannes. Johann Nestroy, Ödon von Horvath und Karl Kraus waren seine geistigen Ziehväter. In deren Theaterstücken reüssierte Qualtinger auch als Schauspieler, es folgten viele Film- und Fernsehrollen. Dennoch blieb sein Name untrennbar verknüpft mit jenem Herrn Karl. Den bekam sein Autor nicht mehr weg. Herr Karl ist für die Ewigkeit gemacht - und er passt immer noch, gerade heute:
"Gfreit hob i mi schon, an dem Tag, an dem wir endlich den Staatsvertrag bekommen haben. Da san ma zum Belvedere gezogn, san dagstandn, unübersehbar, lauter Österreicher, wie im Jahr 1938, eine große Familie - schon a bissel klaanere, weil’s Belvedere is ja klaaner als der Heldenplatz, und auch die Menschen waren schon reifer geworden. Und da is er herausgetretn, der Bundespoldl, hat die Arme von den beiden anderen Herrschaften gepackt und hat mutig bekannt: "Österreich ist frei!" Und wie i des ghört hob, hob i gwusst: Auch das habe ich jetzt geschafft!"
Helmut Qualtinger starb 1986 kurz vor seinem 58. Geburtstag an einer Gelbsucht. 2000 Menschen begleiteten den Sarg zum Wiener Zentralfriedhof, die Stadt stiftete ein Ehrengrab. "In Wien musst‘ erst sterben, damit sie dich hochleben lassen. Aber dann lebst lang", sagte er einmal. Und auch damit hatte er wohl Recht.
Best of Helmut Qualtinger
2 CDs mit 15 Stücken
Gesamtlaufzeit: Zwei Stunden, 15 Minuten.
Der Hörverlag, München.
19,95 Euro
"Da san mer alle, i waaß noch, am Ring, am Heldenplatz gestandn. Man hat gfühlt, man is unter sich, es war wie beim Heurigen, wie aan riesiger Heuriger - aber feierlich, aan Taumel Die Deitschn san einmarschiert, mit klingendem Spiel... (summt)... die Polizei is gestandn, mit ihre Hakenkreuzbinden - furchtbar, furchtbar das Verbrechen, wie man diese gutgläubigen Menschen in die Irre geführt hat! Der Führer hat’s geführt, aber a Persönlichkeit war er! "
Das ist er - der Herr Karl, die bekannteste Figur und Rolle von Helmut Qualtinger. 40 Minuten lang erzählt dieser Herr Karl von seinem Leben, über die alten Zeiten und Verhältnisse, damals vor dem Krieg, wie schwer hat man’s doch gehabt. Und dann 1938, als ganz Wien dem Österreicher Adolf Hitler auf dem Wiener Heldenplatz zujubelte. Mal wehleidig, mal aggressiv raunzt, greint, proletet Herr Karl. Er hat immer mitgemacht und will doch nie dabei gewesen sein, schlau hat er sich durchgewunden, war immer obenauf und mit sich im Reinen. - Helmut Qualtinger war 33, als er diesen Charakter ersann, eine Auftragsarbeit fürs Fernsehen, in nur neun Tagen schrieben er und sein Co-Autor Carl Merz den Text. Noch während der Ausstrahlung am 15. November 1961 meldeten sich empörte Zuschauer, körbeweise kam die Post mit wüsten Beschimpfungen, mancher drohte gar mit Mord. Fortan war Helmut Qualtinger berühmt und für alle Konservativen DER Nestbeschmutzer. Was ihm durchaus gefiel und ihn zu immer neuen Szenen und Gestalten inspirierte. Zum Beispiel zu diesem Wiener Hausmeister, der sich nostalgisch an früher erinnert, als in seiner Straße die Welt noch in Ordnung war.
"Man hat sich gegrüßt, man hat gelächelt, "Servus Franzl, Servus Toni", und dann war wieder alles still. Das ist meine Auffassung von Demokratie: Bappn halten und grinsen! Alle haben immer die selben Fahnen draußen hängen ghobt, jeden andern hätten’s derschlagn. Wenn gar nix los war, an einem Sommersonntag, haben manche die Zeitung gelesen, aber des waren Außenseiter..."
Die so genannten "kleinen Leute", die braven Bürger - sie bildeten für Qualtinger den Kern der großen Geschichtslüge, mit der sich Österreich zum harmlosen Mitläufer des Nationalsozialismus, ja als Opfer stilisierte. Der Satiriker hatte selbst unter einem Nazi-Vater gelitten und mit einem ersten Jugendstück für einen handfesten Theaterskandal gesorgt. In der Kabarettgruppe "Reigen 51" fand Helmut Qualtinger seine künstlerische virtuose Form. Bis in die 60er Jahre erdachten er und seine Kollegen über einhundert Nummern, darin verbanden sich ein ausgemachter Sinn für Sprache, feinstes mimisches Spiel mit der barock-bedrohlichen Wucht des 100-Kilo-Mannes. Johann Nestroy, Ödon von Horvath und Karl Kraus waren seine geistigen Ziehväter. In deren Theaterstücken reüssierte Qualtinger auch als Schauspieler, es folgten viele Film- und Fernsehrollen. Dennoch blieb sein Name untrennbar verknüpft mit jenem Herrn Karl. Den bekam sein Autor nicht mehr weg. Herr Karl ist für die Ewigkeit gemacht - und er passt immer noch, gerade heute:
"Gfreit hob i mi schon, an dem Tag, an dem wir endlich den Staatsvertrag bekommen haben. Da san ma zum Belvedere gezogn, san dagstandn, unübersehbar, lauter Österreicher, wie im Jahr 1938, eine große Familie - schon a bissel klaanere, weil’s Belvedere is ja klaaner als der Heldenplatz, und auch die Menschen waren schon reifer geworden. Und da is er herausgetretn, der Bundespoldl, hat die Arme von den beiden anderen Herrschaften gepackt und hat mutig bekannt: "Österreich ist frei!" Und wie i des ghört hob, hob i gwusst: Auch das habe ich jetzt geschafft!"
Helmut Qualtinger starb 1986 kurz vor seinem 58. Geburtstag an einer Gelbsucht. 2000 Menschen begleiteten den Sarg zum Wiener Zentralfriedhof, die Stadt stiftete ein Ehrengrab. "In Wien musst‘ erst sterben, damit sie dich hochleben lassen. Aber dann lebst lang", sagte er einmal. Und auch damit hatte er wohl Recht.
Best of Helmut Qualtinger
2 CDs mit 15 Stücken
Gesamtlaufzeit: Zwei Stunden, 15 Minuten.
Der Hörverlag, München.
19,95 Euro