Der Hochstapler als Literat
Im März 2012 jährt sich Karl Mays Todestag zum 100. Mal und im Vorgriff darauf würdigen ihn zwei neue Biographien. Zwei sehr interessante, materialreiche, kluge und gut geschriebene Bücher.
Er war der Superstar der deutschen Literatur. Ein Auflagenmillionär, der seinen eigenen Kosmos schuf, dessen Werk verfilmt und vertont wurde und der mit Old Shatterhand, Winnetou und Kara ben Nemsi unser Bild des Wilden Westens und des Nahen Ostens prägte.
Sehr lebendig beschreiben beide Biografen den Lebensweg Mays. Die Jugend in Armut, die Konflikte mit dem Gesetz, die Ausbildung des Hochbegabten zum Lehrer, der Rauschmiss aus dem Schuldienst, die ersten Versuche als Autor, die erneute Inhaftierung als Hochstapler. Die Bildung im Gefängnis – May war der eifrigste Leser dort – dann den erfolgreichen Versuch, aus Hochstapelei Literatur zu machen: Die sogenannten Reiseerzählungen, die May schreibt und mit denen er berühmt wird.
Mays Bücher sind genau arrangiert. Eine kolportagehafte, spannende Handlung garniert mit Humor und viel Wissen zu fremden Ländern. May mischt Auszüge aus Reiseberichten, Wörterbüchern, Zeitungsartikeln und Lexika sowie kulturgeschichtlichen Abhandlungen – mal übernimmt er die Information wörtlich, aber in anderen Reihenfolge, mal fasst er sie zusammen.
Diese Rezeptur verkauft sich gut. Aber je erfolgreicher May wird, desto mehr verschwimmen die Grenzen zwischen Realität und Rolle, zwischen dem Schriftsteller und seinen Figuren. Karl May wird zu Kara ben Nemsi und Old Shatterhand. May lässt sich in Radebeul seine Villa Shatterhand erbauen. Er beantwortet als weitgereister Autor Briefe, behauptet, er würde hunderte von Sprachen sprechen und lässt sich als Old Shatterhand fotografieren. Konflikte zwischen Wirklichkeit und Traumwelt bleiben dabei natürlich nicht aus: So schreibt May von einer späten Orient-Reise Heldenberichte als Kara ben Nemsi nach Deutschland, obwohl er nur eine Pauschalreise absolviert und dabei zwei Nervenzusammenbrüche erleidet.
Doch es wäre falsch, May nur als einen literarischen Hochstapler zu sehen. Beide Biographen würdigen sein Friedensengagement (May war gut mit der Friedensnobelpreisträgerin Bertha von Suttner bekannt), beide schätzen ihn auch als großen Autor, wobei – und das ist in beiden Büchern die schwächste Stelle – sie nirgendwo überzeugend darlegen, wo und warum er denn als Autor groß ist. Außer darin, dass er seine eigene Welt und seine eigenen Mythen schafft.
Beide Biografien haben ein ähnliches Umschlagfoto: Karl May im Old-Shatterhand-Kostüm mit Winnetous Silberbüchse. Die Titelbilder sind gut ausgewählt und verraten viel über die Bücher: Auf Schmiedts Cover steht May, aufgestützt auf das Gewehr, fest und verwurzelt, und Schmiedt erzählt auch stringent, gut lesbar, sehr chronologisch, aber etwas leidenschaftslos vom ganzen Karl May. Schapers Illustration zeigt nur den Ausschnitt des Kopfes, gut zu erkennen ist hier der leicht entrückte Blick Mays. Schapers Buch ist assoziativer und verspielter, mitunter auch origineller, und dieser Biograph schwärmt auch stärker von seinem Helden.
Rüdiger Schaper: Karl May. Untertan, Hochstapler, Übermensch
Siedler Verlag, München 2011
240 Seiten, 19,99 Euro
Helmut Schmiedt: Karl May oder Die Macht der Phantasie
Verlag C. H. Beck, München 2011
368 Seiten, 22,95 Euro
Sehr lebendig beschreiben beide Biografen den Lebensweg Mays. Die Jugend in Armut, die Konflikte mit dem Gesetz, die Ausbildung des Hochbegabten zum Lehrer, der Rauschmiss aus dem Schuldienst, die ersten Versuche als Autor, die erneute Inhaftierung als Hochstapler. Die Bildung im Gefängnis – May war der eifrigste Leser dort – dann den erfolgreichen Versuch, aus Hochstapelei Literatur zu machen: Die sogenannten Reiseerzählungen, die May schreibt und mit denen er berühmt wird.
Mays Bücher sind genau arrangiert. Eine kolportagehafte, spannende Handlung garniert mit Humor und viel Wissen zu fremden Ländern. May mischt Auszüge aus Reiseberichten, Wörterbüchern, Zeitungsartikeln und Lexika sowie kulturgeschichtlichen Abhandlungen – mal übernimmt er die Information wörtlich, aber in anderen Reihenfolge, mal fasst er sie zusammen.
Diese Rezeptur verkauft sich gut. Aber je erfolgreicher May wird, desto mehr verschwimmen die Grenzen zwischen Realität und Rolle, zwischen dem Schriftsteller und seinen Figuren. Karl May wird zu Kara ben Nemsi und Old Shatterhand. May lässt sich in Radebeul seine Villa Shatterhand erbauen. Er beantwortet als weitgereister Autor Briefe, behauptet, er würde hunderte von Sprachen sprechen und lässt sich als Old Shatterhand fotografieren. Konflikte zwischen Wirklichkeit und Traumwelt bleiben dabei natürlich nicht aus: So schreibt May von einer späten Orient-Reise Heldenberichte als Kara ben Nemsi nach Deutschland, obwohl er nur eine Pauschalreise absolviert und dabei zwei Nervenzusammenbrüche erleidet.
Doch es wäre falsch, May nur als einen literarischen Hochstapler zu sehen. Beide Biographen würdigen sein Friedensengagement (May war gut mit der Friedensnobelpreisträgerin Bertha von Suttner bekannt), beide schätzen ihn auch als großen Autor, wobei – und das ist in beiden Büchern die schwächste Stelle – sie nirgendwo überzeugend darlegen, wo und warum er denn als Autor groß ist. Außer darin, dass er seine eigene Welt und seine eigenen Mythen schafft.
Beide Biografien haben ein ähnliches Umschlagfoto: Karl May im Old-Shatterhand-Kostüm mit Winnetous Silberbüchse. Die Titelbilder sind gut ausgewählt und verraten viel über die Bücher: Auf Schmiedts Cover steht May, aufgestützt auf das Gewehr, fest und verwurzelt, und Schmiedt erzählt auch stringent, gut lesbar, sehr chronologisch, aber etwas leidenschaftslos vom ganzen Karl May. Schapers Illustration zeigt nur den Ausschnitt des Kopfes, gut zu erkennen ist hier der leicht entrückte Blick Mays. Schapers Buch ist assoziativer und verspielter, mitunter auch origineller, und dieser Biograph schwärmt auch stärker von seinem Helden.
Rüdiger Schaper: Karl May. Untertan, Hochstapler, Übermensch
Siedler Verlag, München 2011
240 Seiten, 19,99 Euro
Helmut Schmiedt: Karl May oder Die Macht der Phantasie
Verlag C. H. Beck, München 2011
368 Seiten, 22,95 Euro