Der "Holländer" als gescheiterter Manager

Von Rainer Zerbst |
Die weibliche Hauptfigur begehrt in diesem "Fliegenden Holländer" unter der Regie von Calixto Bieito gegen eine Frauenwelt gestylter Körper auf. Die Mannschaft des Holländerschiffs besteht aus brav-bürgerlichen Matrosen mit Aktentaschen. Die Staatsoper Stuttgart bietet mit dem Stück Grandioses für die Ohren.
Noch während der Ouvertüre macht Bieito deutlich, worauf es ihm ankommt. Hinter einer Wand aus Milchglas steht Senta; sie will heraus aus dem Käfig. Männerschatten weisen sie in ihre Schranken. Diese Konstellation prägt auch den 2. Akt. Ihre Ballade vom "Fliegenden Holländer" schleudert sie ihren Kameradinnen als Affront entgegen. Sie rebelliert gegen eine Frauenwelt der gestylten Körper und Glanzfassade, wirft die blonde Perücke vom Kopf. Sie will sie selbst sein.

Grandios ist auch der Schlussauftritt der Mannschaft des Holländerschiffs. Die Saaltüren werden geöffnet, aus Lautsprechern klingt überdimensional der Chor, dazu irrlichtert ein Blitzgewitter über die Bühne und lässt alle Anwesenden zu Ungeheuern mutieren.

Für den Rest ist Bieito freilich kein überzeugender Ansatz gelungen. Die brav-bürgerlichen Matrosen Donalds (wie Daland in der Urversion heißt) sind Manager mit Aktentaschen und Computermonitoren, der Holländer ein gescheiterter Manager, strikt unterschieden wird zwischen den Parteien nicht, sie sitzen buchstäblich im selben (Schlauch-)Boot. Und der Verlust der überirdischen Dimension des Holländers reduziert auch Sentas Operbereitschaft.

Allviele szenische Gags übertönen gelegentlich zudem die Musik. Die freilich ist brillant dargeboten. Enrique Mazzola dirigiert die Urfassung in einem Zug, mit drängendem Elan und feinem Gespür für Zwischentöne, Yalun Zhang gestaltet einen verzweifelten Holländer, und Barbara Schneider-Hofstetter singt eine hochdramatische Senta, die die spätere Wagnersche Aufbegehrende - Brünnhilde - bereits ahnen lässt. Es ist eine grandiose Aufführung für die Ohren.

Rainer Zerbst
Richard Wagner. Der Fliegende Holländer

Premiere: 25. 1.2008
Staatsoper Stuttgart
Regie: Calixto Bieito