Der Holocaust als Lebensthema

Von Klaus Pokatzky |
Der israelische Historiker Saul Friedländer wurde durch seine Arbeiten zum Holocaust berühmt. Mit dem Thema verbindet ihn ein trauriges Schicksal: Seine Eltern wurden in Auschwitz ermordet. Mit dem Band "Die Jahre der Vernichtung 1939-45" seines Werks "Das Dritte Reich und die Juden" legt er nun eine Art Lebenswerk vor.
Als Saul Friedländer vor mehr als vierzig Jahren für seine große Studie über "Papst Pius XII. und das Dritte Reich" in Deutschland recherchierte, musste er einmal mit einer schweren Grippe zu einem deutschen Arzt. Der legte dann zuerst, Computer herrschten damals noch nicht über unsere Arztpraxen, eine Karteikarte "Saul Friedländer" an - und stellte dem Patienten aus Israel die üblichen Fragen: Leben Ihre Eltern noch? Woran sind sie gestorben? Da ist Saul Friedländer aufgestanden und aus der Praxis gelaufen. Denn die Eltern des Historikers Saul Friedländer lebten schon lange nicht mehr. Sie waren in Auschwitz ermordet worden.

Tschechisch und Deutsch waren die ersten Sprachen, mit denen Saul Friedländer aufwuchs, nachdem er am 11. Oktober 1932 in Prag als Pavlicek Friedländer geboren worden war - in eine Familie des deutsch-jüdischen Großbürgertums, die zwar Mitglied der Jüdischen Gemeinde war, aber nie in die Synagoge ging.

Nach der deutschen Besatzung 1939 flohen die Friedländers nach Frankreich; als auch Frankreich von den Deutschen besetzt wurde, wollten die Eltern 1942 weiter in die Schweiz fliehen; ein schweizerischer Polizist fing sie an der Grenze ab und schickte sie zurück - zur Deportation und damit in den Gastod von Auschwitz.

Den kleinen Pavel hatten sie zuvor versteckt, er überlebte in einem katholischen Internat, wurde getauft, hieß nun Paul-Henri-Marie mit Vornamen und Französisch wurde seine dritte Sprache.

1948, als Jugendlicher, ging er nach Israel, hier bekam er, kaum 16 Jahre alt, das dritte Mal einen Vornamen: den amtlichen Shaul, also Saul. Und als nächste Sprachen kamen das Hebräische und das Englische hinzu - denn aus Pavel, Paul, Saul wurde einer der wichtigsten Historiker weltweit, die zum Holocaust forschten: "leise, differenziert, sicher im Urteil", schrieb die "Süddeutsche Zeitung" zu seinem 70. Geburtstag. Als jemand, der "nicht verurteilte, sondern zu verstehen suchte", wie die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" bilanzierte. Und Saul Friedländer selber sagt:

""Ohne die Sicht der Opfer ist die Geschichte der Täter nicht vollständig". "