"Ich fühlte mich komplett fremdbestimmt"
"Es ist das Wichtigste, das ich in meinem Leben getan habe", sagt Gianni Jovanovic über sein Coming-out. Aufgewachsen in einer traditionelle Roma-Familie, zwangsverheiratet und mit 18 zweifacher Vater, kämpft Jovanovic heute mit der Initiative "Queer Roma" gegen Homophobie und Rassismus.
Gianni Jovanovics Eltern sind traditionelle Roma und kamen als Gastarbeiter nach Deutschland. Er war damals sieben Jahre alt und erinnert sich, wie die Familie zunächst sehr herzlich aufgenommen wurde, sich dann aber das Blatt auf erschreckende Weise wendete.
"Das waren die ersten Roma nach dem Krieg, die nach Darmstadt wieder gekommen sind. Und man hat sie mit einem Riesen- – damals durfte man das auch offiziell noch sagen – 'Zigeunerfest' begrüßt. Ein paar Monate später kippte das komplett um. Die Menschen wurden rassistisch, die Menschen haben uns dämonisiert, man hat uns direkt unterstellt, dass wir schmutzig, dreckig sind, klauen also die ganzen Klischees, die man sonst so kennt."
Dämonisiert und bedroht
Schließlich traf ihn sogar ein Stein und auf das Haus der Familie wurde ein Molotowcocktail geworfen. Es habe aber auch Menschen gegeben, die ihm sehr geholfen hätten. Eine besonders wichtige Rolle habe für ihn seine Lehrerin gespielt.
"Ich habe diese Frau geliebt. Es gab eine tolle Situation, ich bin in der Mittagspause gerne mit ihr zum Lehrerzimmer gelaufen und dann sagte sie mir immer auf dem Weg dorthin: 'Gianni, wenn Du läufst', weil ich hatte immer eine Art gebückt zu laufen, 'läufst Du gerade und bist stolz dabei. Und wenn Du irgendjemand auf dem Weg dorthin irgendwie kennst, dann grüßt du ihn.' Also die hat mir auch Anstand beigebracht."
Verheiratet mit dem Mann seines Lebens
Als Teenager wurde er zwangsverheiratet und war mit 18 Jahren bereits Vater zweier Kinder. Mit Mitte 20 merkte er, dass irgendetwas nicht stimmte.
"Ich fühlte mich komplett fremdbestimmt, ich fühlte mich wie eine Marionette meiner Selbst, die irgendwie vollgekleistert worden ist mit irgendwelchen Erwartungen, mit irgendwelchen auch selbstkonstruierten Klischees, die man aufgesetzt bekommen hat. Ich fühlte mich eigentlich wie ein schlechter Gulaschtopf, der irgendwie gleich explodiert."
Schließlich offenbarte er den Eltern seine Homosexualität. Für sie brach eine Welt zusammen. Doch Gianni Jovanovic bereute seinen folgenreichen Schritt nicht. Nach Jahren des quälenden Doppellebens fühlte er sich befreit und kämpft heute mit seiner Kölner Initiative "Queer Roma" gegen Homophobie und Rassismus. Die Roma-Community hat gelernt, ihn zu akzeptieren, zu seinen Kindern und Enkeln hat er eine liebevolle Beziehung, und seit kurzem ist er auch wieder verheiratet: mit dem Mann seines Lebens.