"Der Humor, über sich selber Witze zu machen"
Woody Allen habe ihm immer wieder den Mut zur Intimität gegeben, sich nicht selbst auszusparen, sagt der Regisseur Dani Levy, dessen Film "Woody Allen Documentary" jetzt in die Kinos kommt. Allen ist bekannt dafür, in seinen Filmen eigene Neurosen aufzuarbeiten.
Ulrike Timm: Woody Allen ist einer der bedeutendsten Filmregisseure unserer Zeit, keine Frage. Jetzt gibt es einen Dokumentarfilm, der Allens über 50 Jahre währende Karriere nachzeichnet - vom Schüler, der gerne Sketche schreibt, bis zum bald 77-jährigen, gefeierten Autorenfilmer, der jedes Jahr ein neues Werk ins Kino bringt. Der amerikanische Dokumentarfilmer Robert B. Weide hat Woody Allen zwei Jahre lang begleitet und legt jetzt einen Film über den Regisseur vor: "Woody Allen Documentary". Und wir stellen Ihnen diesen Film jetzt vor, und danach hören Sie ein Gespräch mit dem deutschen Regisseur Dani Levy, für den Woody Allen mal ein ganz enger Verwandter war und mal wieder ein nicht so enger. Aber zunächst Sigrid Fischer über "Woody Allen Documentary" mit O-Tönen aus dem Film natürlich, und auch mit Statements des Regisseurs Robert B. Weide.
Sigrid Fischer über "Woody Allen Documentary", der Film läuft am 5. Juli in unseren Kinos an. Der deutsche Regisseur Dani Levy wird uns jetzt erzählen, was ihm Woody Allen bedeutet. Levy hat immer wieder Motive von Allen in seinen Filmen aufgegriffen, und er hat mit seinem bisher erfolgreichsten Film "Alles auf Zucker" auch den jüdischen Humor in den deutschen Film wieder zurückgebracht, das sagen viele. Meine Kollegin Susanne Burg hat sich mit Dani Levy getroffen und ihn gefragt, ob er sich in einer gewissen Weise mit Woody Allen verwandt fühlen würde.
Dani Levy: Soll ich eine Verwandtschaft bestimmen, dann wäre er eine Art guter Vater eigentlich schon, kann man schon sagen. Er hat auf jeden Fall auf mich immer so gewirkt, als würde er mir auch Lust machen wollen, selber was zu machen. Es gibt ja so Meister oder so tolle Regisseure, die machen einen irgendwie stumm. Und das war bei Woody Allen nie, ich hatte bei Woody Allen immer das Gefühl, er macht wirklich tolle Filme, auch in einer unglaublich für mich inspirierenden Mischung aus autobiografisch oder persönlich und fiktional, versponnen, surreal und trotzdem eigen, wo ich dann aber selber auch Lust hatte, immer, wenn ich einen Film von ihm gesehen habe, auch wieder einen Film zu machen. Er war schon immer ein sehr inspirierender Vater, sage ich jetzt mal.
Susanne Burg: Jetzt bei Ihrem letzten Film, "Das Leben ist zu lang", da wurden Sie auch immer wieder angesprochen auf Woody Allen, denn es lag ja auch teilweise relativ nahe, die Hauptfigur Alfi Seliger, die eben an Alvy Singer aus Woody Allens "Stadtneurotiker" erinnert - inwieweit lassen Sie sich heute immer noch von Woody Allen inspirieren, oder arbeiten sich vielleicht auch an ihm ab?
Levy: Gute Frage, das ist eher eine Frage für einen Psychoanalytiker, wie weit ich mich an Woody Allen abarbeiten muss, um irgendwie aus dem Kokon herauszupuppen. Grundsätzlich ist es natürlich schon so, dass ich einfach eine Verwandtschaft habe per se, die spüre ich in mir. Was ich von Woody Allen natürlich immer gerne bekommen habe, ist der Mut zur Intimität, oder anders gesagt, der Mut, sich selber nicht auszusparen, sondern sich selber mit einzubeziehen in die Kunst.
Also, dass das in Deutschland etwas Verschrienes hat, das muss ich Ihnen nicht sagen, das wissen wir ja. Deutschland hat einfach nicht diese Kultur dessen, wo auch Woody Allen herkommt, der Stand-up-Comedy, der Verwertung der Autobiografie in Komik. Das ist erst in den letzten Jahren so ein bisschen mit Comedians entstanden, und ich finde auch, nicht so richtig gut, weil sie nicht verstanden haben, dass man mit menschlichen Abgründen arbeiten muss, mehr als mit einfach nur Kalauern.
Aber das hat mich immer schon an Woody Allen angezogen, dass ich das Gefühl hatte, es gibt da eine kulturelle Verwandtschaft zwischen mir und ihm - nennen wir es einmal das Jüdische -, was uns Lust macht, mit dem eigenen persönlichen Material zu arbeiten und mit dem eigenen persönlichen Material Kunst zu generieren, um sich selber auch ein Stück weit zu therapieren.
Burg: Das heißt, Woody Allen thematisiert ja gerne seine eigenen Neurosen. Sie auch?
Levy: Ja, habe ich auf jeden Fall auch schon mal gemacht.
Burg: Können Sie etwas konkreter werden?
Levy: Ja, noch konkreter?
Burg: Also zumindest in welchen Filmen?
Levy: Na ja, also ich meine, es ist ja nicht so, dass "Das Leben ist zu lang" der erste Film ist, der etwas mit meinem Leben zu tun hat. Ich habe einen Kurzfilm gemacht, der heißt "Ohne Mich". "RobbyKallePaul" war damals 1987 oder so, wo wir den geschrieben haben und entwickelt haben, auf jeden Fall ein Film, der sehr viel mit meinem Leben zu tun hatte, auch mit der Konstellation, mit zwei anderen Männern in einer Wohngemeinschaft zu wohnen und alle drei irgendwie Probleme mit dem Mann-Sein zu haben und mit Frauen und so. Also da, finde ich, sind Neurosen, aber auch emotionale Verzwicktheiten und Verklemmtheiten und Blockiertheiten, die wir alle in unserem Leben mit uns tragen müssen, dankbarer Stoff für Komödien.
Burg: Deutschlandradio Kultur im Gespräch mit dem Filmemacher Dani Levy. Wir sprechen über einen US-amerikanischen Kollegen von ihm, über Woody Allen, und Sie haben eben schon den jüdischen Humor angesprochen. In den USA sind ja die Komödien durch den jüdischen Humor geprägt wie kaum woanders - man denke nur an die Screwball Comedies, an Sitcoms -, wie findet sich Ihrer Meinung nach dieser jüdische Humor bei Woody Allen wieder?
Levy: Einmal schwerpunktmäßig in der Verbindung von persönlichem Leben und gesellschaftlichem Wirken. Das, finde ich, ist ein sehr jüdisches Thema, das zweite, sicher zentrale Thema ist das Thema Familie - wo komme ich her, aus welchem Stall komme ich, und wie kann ich meine Eltern nie abschütteln, und wie verhärmt und desaströs ist mein Leben mit meiner Ehefrau und meinen Kindern -, also all dieses universelle Chaos, was jeder von uns in seinem privaten Leben irgendwie hat, das gehört dazu, und jetzt kommen wir natürlich in den Bereich - ich sage das mal bewusst nazi-infiltriert - entartete Kunst, sich mit den Abgründen des Menschen auseinanderzusetzen. Also auch das Kranke, das Dysfunktionale, das emotional Verwirrte, das Chaotische zu umarmen und es nach außen zu tragen.
Burg: Sie haben angesprochen, bei Woody Allen ist es ja immer auf einer Beziehungsebene. Er lässt ja eigentlich die Politik immer außen vor.
Levy: Ja, deswegen habe ich das auch nicht erwähnt, Politik.
Burg: Genau. Und ich habe mich gefragt, Deutsche konnten ja nach dem Holocaust mit jüdischem Humor viele Jahre, fast Jahrzehnte, nicht viel anfangen aus verschiedenen Gründen. Schuldbesetzt, gespaltenes Verhältnis, teilweise war er ihnen einfach fremd. Inwieweit hat Woody Allen denn mit seinen Filmen dazu beigetragen, Deutsche wieder etwas mit jüdischem Humor vertraut zu machen?
Levy: Also auf jeden Fall durch, wie ich finde, einen sehr smarten und irgendwo auch sehr populären, selbstironischen Humor, der eben nicht abgehoben ist, es ist kein intellektueller Humor, obwohl er natürlich intelligent ist. Aber es ist kein Akademiker-Humor in dem Sinne, sondern es ist eher ein Psychotherapeuten-Humor. Also es ist wirklich eher der Humor, über sich selber Witze zu machen, über sich und all das, was einen irgendwie auch bedrängt im Leben: Der Nachbar, der zu laut ist, und die Katze, die zu dick ist, und das Kind, was nicht essen will und was weiß ich, und da hat man einfach auch einen einfachen Zugang.
Und ich glaube, dass das für das Publikum einfach zu nehmen war. Jetzt muss man natürlich auch sehen, wenn man sich die ersten Filme von ihm anguckt, "Take the Money and run", "Bananas", der, wo er das Sperma spielt - "Was Sie schon immer über Sex wissen wollten, aber bisher nicht zu fragen wagten" -, und diese ersten Filme, die sind richtig bunte Slapstick-Filme, auf eine Art. Die sind ja teilweise unglaublich albern. Also auf eine schöne Art, unglaublich verspielt, kindlich fast schon. Und damit hat er natürlich ein ganz breites Publikum erst mal angezogen, weil das ja gar nicht exklusiv war, sondern da waren alle im Club.
Burg: Woody Allen wird ja nicht in die Filmgeschichte eingehen als einer, der ästhetisch die Kinogeschichte revolutioniert hat, also für seine visuellen ...
Levy: Schade, das hat er auch schon gemacht an einigen Stellen.
Burg: Und trotzdem, also er hatte jetzt nicht einen revolutionären eigenen Stil, und trotzdem sind seine Filme ja sehr eigen, und bestimmte Momente in den Filmen bleiben einem ja doch auch haften, etwa, wie die in "Annie Hall" (zu dt.: "Stadtneurotiker") Hummer fangen mit Tennisschlägern. Die Filme haben häufig was Leichtes. Was zeichnet für Sie Woody Allens Filme visuell aus, ästhetisch?
Levy: Also es ist schon eine Vatergenerationen-Ästhetik, finde ich. Es ist keine moderne Ästhetik, nie gewesen, eher noch die Filme, wo er wirklich zwischen 30 und 40 war, da hat man schon gespürt, dass er noch wilder mit Kamera und mit Schnitt umgegangen ist und alles noch ein bisschen pubertärer war, sage ich jetzt mal.
Aber Woody Allen ist relativ früh in seiner Filmsprache, finde ich, ziemlich erwachsen geworden und hat eigentlich eher durch Askese experimentiert. Es war eher eine Art von Reduktion, die er ja dann gerade in den Filmen, die er Ende der 80er-Jahre, Anfang der 90er-Jahre gemacht hat, wo er auf seiner Ingmar-Bergman-Phase war und die Filme dann wirklich zu so ganz fast schon reduzierten Kammerspielen geworden sind, wie "September" oder so.
Dann hat er ein paar, finde ich, doch ziemlich verrückte Sachen gemacht. Er hat "Zelig" gemacht, einen Film, in dem er sich als das wandelnde Chamäleon in die ganzen Archivmaterialien einkopiert hat - also ein wirklich toller Film, finde ich. Dann hat er auch so Sachen gemacht wie "Purple Rose of Cairo", der kein kommerzieller Erfolg war, wo der Darsteller von der Leinwand runter gestiegen ist, also fast so eine Art Buster-Keaton-Aufarbeitung aus der Stummfilmzeit - ich finde, er hat schon echt viel gemacht und viel probiert.
Ulrike Timm: Der Filmregisseur Dani Levy über sein Vorbild Woody Allen, und das Gespräch führte Susanne Burg. Und die Woody-Allen-Dokumentation, die kommt ab heute in unsere Kinos.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Sigrid Fischer über "Woody Allen Documentary", der Film läuft am 5. Juli in unseren Kinos an. Der deutsche Regisseur Dani Levy wird uns jetzt erzählen, was ihm Woody Allen bedeutet. Levy hat immer wieder Motive von Allen in seinen Filmen aufgegriffen, und er hat mit seinem bisher erfolgreichsten Film "Alles auf Zucker" auch den jüdischen Humor in den deutschen Film wieder zurückgebracht, das sagen viele. Meine Kollegin Susanne Burg hat sich mit Dani Levy getroffen und ihn gefragt, ob er sich in einer gewissen Weise mit Woody Allen verwandt fühlen würde.
Dani Levy: Soll ich eine Verwandtschaft bestimmen, dann wäre er eine Art guter Vater eigentlich schon, kann man schon sagen. Er hat auf jeden Fall auf mich immer so gewirkt, als würde er mir auch Lust machen wollen, selber was zu machen. Es gibt ja so Meister oder so tolle Regisseure, die machen einen irgendwie stumm. Und das war bei Woody Allen nie, ich hatte bei Woody Allen immer das Gefühl, er macht wirklich tolle Filme, auch in einer unglaublich für mich inspirierenden Mischung aus autobiografisch oder persönlich und fiktional, versponnen, surreal und trotzdem eigen, wo ich dann aber selber auch Lust hatte, immer, wenn ich einen Film von ihm gesehen habe, auch wieder einen Film zu machen. Er war schon immer ein sehr inspirierender Vater, sage ich jetzt mal.
Susanne Burg: Jetzt bei Ihrem letzten Film, "Das Leben ist zu lang", da wurden Sie auch immer wieder angesprochen auf Woody Allen, denn es lag ja auch teilweise relativ nahe, die Hauptfigur Alfi Seliger, die eben an Alvy Singer aus Woody Allens "Stadtneurotiker" erinnert - inwieweit lassen Sie sich heute immer noch von Woody Allen inspirieren, oder arbeiten sich vielleicht auch an ihm ab?
Levy: Gute Frage, das ist eher eine Frage für einen Psychoanalytiker, wie weit ich mich an Woody Allen abarbeiten muss, um irgendwie aus dem Kokon herauszupuppen. Grundsätzlich ist es natürlich schon so, dass ich einfach eine Verwandtschaft habe per se, die spüre ich in mir. Was ich von Woody Allen natürlich immer gerne bekommen habe, ist der Mut zur Intimität, oder anders gesagt, der Mut, sich selber nicht auszusparen, sondern sich selber mit einzubeziehen in die Kunst.
Also, dass das in Deutschland etwas Verschrienes hat, das muss ich Ihnen nicht sagen, das wissen wir ja. Deutschland hat einfach nicht diese Kultur dessen, wo auch Woody Allen herkommt, der Stand-up-Comedy, der Verwertung der Autobiografie in Komik. Das ist erst in den letzten Jahren so ein bisschen mit Comedians entstanden, und ich finde auch, nicht so richtig gut, weil sie nicht verstanden haben, dass man mit menschlichen Abgründen arbeiten muss, mehr als mit einfach nur Kalauern.
Aber das hat mich immer schon an Woody Allen angezogen, dass ich das Gefühl hatte, es gibt da eine kulturelle Verwandtschaft zwischen mir und ihm - nennen wir es einmal das Jüdische -, was uns Lust macht, mit dem eigenen persönlichen Material zu arbeiten und mit dem eigenen persönlichen Material Kunst zu generieren, um sich selber auch ein Stück weit zu therapieren.
Burg: Das heißt, Woody Allen thematisiert ja gerne seine eigenen Neurosen. Sie auch?
Levy: Ja, habe ich auf jeden Fall auch schon mal gemacht.
Burg: Können Sie etwas konkreter werden?
Levy: Ja, noch konkreter?
Burg: Also zumindest in welchen Filmen?
Levy: Na ja, also ich meine, es ist ja nicht so, dass "Das Leben ist zu lang" der erste Film ist, der etwas mit meinem Leben zu tun hat. Ich habe einen Kurzfilm gemacht, der heißt "Ohne Mich". "RobbyKallePaul" war damals 1987 oder so, wo wir den geschrieben haben und entwickelt haben, auf jeden Fall ein Film, der sehr viel mit meinem Leben zu tun hatte, auch mit der Konstellation, mit zwei anderen Männern in einer Wohngemeinschaft zu wohnen und alle drei irgendwie Probleme mit dem Mann-Sein zu haben und mit Frauen und so. Also da, finde ich, sind Neurosen, aber auch emotionale Verzwicktheiten und Verklemmtheiten und Blockiertheiten, die wir alle in unserem Leben mit uns tragen müssen, dankbarer Stoff für Komödien.
Burg: Deutschlandradio Kultur im Gespräch mit dem Filmemacher Dani Levy. Wir sprechen über einen US-amerikanischen Kollegen von ihm, über Woody Allen, und Sie haben eben schon den jüdischen Humor angesprochen. In den USA sind ja die Komödien durch den jüdischen Humor geprägt wie kaum woanders - man denke nur an die Screwball Comedies, an Sitcoms -, wie findet sich Ihrer Meinung nach dieser jüdische Humor bei Woody Allen wieder?
Levy: Einmal schwerpunktmäßig in der Verbindung von persönlichem Leben und gesellschaftlichem Wirken. Das, finde ich, ist ein sehr jüdisches Thema, das zweite, sicher zentrale Thema ist das Thema Familie - wo komme ich her, aus welchem Stall komme ich, und wie kann ich meine Eltern nie abschütteln, und wie verhärmt und desaströs ist mein Leben mit meiner Ehefrau und meinen Kindern -, also all dieses universelle Chaos, was jeder von uns in seinem privaten Leben irgendwie hat, das gehört dazu, und jetzt kommen wir natürlich in den Bereich - ich sage das mal bewusst nazi-infiltriert - entartete Kunst, sich mit den Abgründen des Menschen auseinanderzusetzen. Also auch das Kranke, das Dysfunktionale, das emotional Verwirrte, das Chaotische zu umarmen und es nach außen zu tragen.
Burg: Sie haben angesprochen, bei Woody Allen ist es ja immer auf einer Beziehungsebene. Er lässt ja eigentlich die Politik immer außen vor.
Levy: Ja, deswegen habe ich das auch nicht erwähnt, Politik.
Burg: Genau. Und ich habe mich gefragt, Deutsche konnten ja nach dem Holocaust mit jüdischem Humor viele Jahre, fast Jahrzehnte, nicht viel anfangen aus verschiedenen Gründen. Schuldbesetzt, gespaltenes Verhältnis, teilweise war er ihnen einfach fremd. Inwieweit hat Woody Allen denn mit seinen Filmen dazu beigetragen, Deutsche wieder etwas mit jüdischem Humor vertraut zu machen?
Levy: Also auf jeden Fall durch, wie ich finde, einen sehr smarten und irgendwo auch sehr populären, selbstironischen Humor, der eben nicht abgehoben ist, es ist kein intellektueller Humor, obwohl er natürlich intelligent ist. Aber es ist kein Akademiker-Humor in dem Sinne, sondern es ist eher ein Psychotherapeuten-Humor. Also es ist wirklich eher der Humor, über sich selber Witze zu machen, über sich und all das, was einen irgendwie auch bedrängt im Leben: Der Nachbar, der zu laut ist, und die Katze, die zu dick ist, und das Kind, was nicht essen will und was weiß ich, und da hat man einfach auch einen einfachen Zugang.
Und ich glaube, dass das für das Publikum einfach zu nehmen war. Jetzt muss man natürlich auch sehen, wenn man sich die ersten Filme von ihm anguckt, "Take the Money and run", "Bananas", der, wo er das Sperma spielt - "Was Sie schon immer über Sex wissen wollten, aber bisher nicht zu fragen wagten" -, und diese ersten Filme, die sind richtig bunte Slapstick-Filme, auf eine Art. Die sind ja teilweise unglaublich albern. Also auf eine schöne Art, unglaublich verspielt, kindlich fast schon. Und damit hat er natürlich ein ganz breites Publikum erst mal angezogen, weil das ja gar nicht exklusiv war, sondern da waren alle im Club.
Burg: Woody Allen wird ja nicht in die Filmgeschichte eingehen als einer, der ästhetisch die Kinogeschichte revolutioniert hat, also für seine visuellen ...
Levy: Schade, das hat er auch schon gemacht an einigen Stellen.
Burg: Und trotzdem, also er hatte jetzt nicht einen revolutionären eigenen Stil, und trotzdem sind seine Filme ja sehr eigen, und bestimmte Momente in den Filmen bleiben einem ja doch auch haften, etwa, wie die in "Annie Hall" (zu dt.: "Stadtneurotiker") Hummer fangen mit Tennisschlägern. Die Filme haben häufig was Leichtes. Was zeichnet für Sie Woody Allens Filme visuell aus, ästhetisch?
Levy: Also es ist schon eine Vatergenerationen-Ästhetik, finde ich. Es ist keine moderne Ästhetik, nie gewesen, eher noch die Filme, wo er wirklich zwischen 30 und 40 war, da hat man schon gespürt, dass er noch wilder mit Kamera und mit Schnitt umgegangen ist und alles noch ein bisschen pubertärer war, sage ich jetzt mal.
Aber Woody Allen ist relativ früh in seiner Filmsprache, finde ich, ziemlich erwachsen geworden und hat eigentlich eher durch Askese experimentiert. Es war eher eine Art von Reduktion, die er ja dann gerade in den Filmen, die er Ende der 80er-Jahre, Anfang der 90er-Jahre gemacht hat, wo er auf seiner Ingmar-Bergman-Phase war und die Filme dann wirklich zu so ganz fast schon reduzierten Kammerspielen geworden sind, wie "September" oder so.
Dann hat er ein paar, finde ich, doch ziemlich verrückte Sachen gemacht. Er hat "Zelig" gemacht, einen Film, in dem er sich als das wandelnde Chamäleon in die ganzen Archivmaterialien einkopiert hat - also ein wirklich toller Film, finde ich. Dann hat er auch so Sachen gemacht wie "Purple Rose of Cairo", der kein kommerzieller Erfolg war, wo der Darsteller von der Leinwand runter gestiegen ist, also fast so eine Art Buster-Keaton-Aufarbeitung aus der Stummfilmzeit - ich finde, er hat schon echt viel gemacht und viel probiert.
Ulrike Timm: Der Filmregisseur Dani Levy über sein Vorbild Woody Allen, und das Gespräch führte Susanne Burg. Und die Woody-Allen-Dokumentation, die kommt ab heute in unsere Kinos.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.