Englands steigende Nachfrage nach Vierbeinern
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In Coronazeiten wünschen sich viele einen vierbeinigen Gefährten, der die Einsamkeit vertreibt und für Abwechslung sorgt. In England sind deswegen die Preise für Welpen explodiert. Und immer mehr Hunde werden entführt.
Eigentlich sehen sie aus wie Staubwedel, Ollie und Ivy, zwei Maltipoos, eine Mischung aus Malteser und Minipudel, die in Großbritannien zurzeit ungemein begehrt ist.
"Diese kleinen Hunde haben unser Leben auf den Kopf gestellt. Ollie zieht mit der Leine in die eine Richtung, Ivy in die andere. Sie schnüffeln an jedem Grashalm. Man kann sie keinen Moment alleinlassen. Eigentlich wollen sie immer nur auf dem Schoß sitzen. Sie bestimmen sogar unser Fernsehprogramm. Tierfilme sind total out. Da jaulen sie wie Schimpansen."
Vor allem kleine Hunde sind gefragt
Richard ist Rentner und Anfang 60. Seine Frau Deborah hat sich die Vierbeiner gekauft, ohne ihn zu fragen. Das war Anfang März, kurz vor dem Lockdown. Zusammen kosteten sie 2500 Euro, aus heutiger Sicht ein Schnäppchen. Mit dem Lockdown stiegen die Preise, immer mehr Briten wollten plötzlich einen Hund haben. Besonders gefragt, weil praktisch, sind bis heute: niedliche Mischungen und kleinere Rassen, die in enge Stadtwohnungen, unter den Schreibtisch und zur Not auch in die Handtasche passen.
Auch Zwergdackel sind angesagt, weiß Darren, Mitte 30, Dackelzüchter und Richter auf Hundeausstellungen. Ihm wurden bis zu 4000 Euro pro Hund angeboten, als er während des Lockdowns einen neuen Wurf hatte. Normalerweise kosten sie um die 1000 Euro. Darren lehnte ab, seine Welpen waren längst vorbestellt. Seit dem Lockdown spielt der Hundemarkt verrückt.
"Ich habe von Leuten gehört, die mehr als 3500 Euro für Hundebabys gezahlt haben, die dann aber todkrank waren. Züchter wiederum schicken Kunden weg, die bereits bezahlte Welpen abholen wollen, unter dem Vorwand die Tiere seien krank – und verkaufen sie dann für noch mehr Geld."
Hunde nicht aus den Augen lassen
Neuerdings gibt es auch immer mehr Dognappings. Geschätzt wird, dass die Zahl der Hundeentführungen seit dem ersten Lockdown um 65 Prozent gestiegen ist. Besonders häufig werden trächtige Hündinnen gestohlen, aber auch ganze Hundepensionen werden ausgeraubt. Es soll sogar Banden geben, die ganz bestimmte Hunde auf Bestellung stehlen. In den sozialen Medien häufen sich Suchmeldungen von verzweifelten Hundebesitzern und im Fernsehen wird gewarnt: Lasst eure Hunde nicht aus den Augen – auch nicht im eigenen Garten.
Mike, Anfang 50, verheiratet, kann sich ein Leben ohne Frank nicht mehr vorstellen. Der Architekt litt während des Lockdowns an akuten Angststörungen. Inzwischen flaniert er mit Frank regelmäßig durch die Fußgängerzone.
"Ein befreundeter Hausarzt empfahl mir, einen Hund anzuschaffen. Ein fantastischer Ratschlag. Es ist so schön jemanden im Haus zu haben, der sich völlig auf dich einstellt, dich bedingungslos liebt und jeden Tag der Gleiche ist. Das ist sehr beruhigend."
Viel frische Luft und Bewegung
Frank stammt aus einem Tierheim. Auch Kayleigh, Redakteurin, Mitte 20, hat ihren Vierbeiner im Londoner Tierasyl Battersea gefunden. Dennis ist eine Mischung aus Wind- und Hirtenhund und zwei Jahre alt.
"Dennis hat mir echt durch den Lockdown geholfen. Ich war gerade mit meinem Freund in einen Londoner Vorort gezogen und arbeitete von zu Hause aus. Das war einsam und stressig, weil ich unbedingt beweisen wollte, dass ich genauso viel leisten konnte wie im Büro. Dennis zwang mich, Pausen einzulegen und an die frische Luft zu gehen. Jetzt bin ich viel fitter und kann mir das Geld fürs Sportstudio sparen. Das war wirklich eine sehr gute Investition!"
Kayleigh hat auch schon für die Zukunft vorgesorgt. Sie hat einen neuen Arbeitsvertrag ausgehandelt und muss künftig nur noch zwei Mal die Woche in die Redaktion. Für Dennis ist ein Platz im Doggy Day Care Centre reserviert, für 28 Euro am Tag, um sich mit seinesgleichen zu vergnügen. Wenn sie und ihr Freund mit Dennis ausgehen, fühlen sie sich endlich wie eine richtige Familie, sagt Kayleigh. Nur eines muss sie Dennis noch abgewöhnen.
"Hunde schlafen wahnsinnig gerne im Bett. Und das ist nicht so gut für meine Beziehung, aber wir arbeiten daran."
Richard, Besitzer der zwei wilden Maltipoos, hat unterdessen die "Barkbusters" aus Brighton einbestellt. Sie sollen Ollie und Ivy beibringen, dass man nicht ständig kläffen muss, um sich zu beweisen. Auch wenn man klein ist und so aussieht wie ein Staubwedel.