Der Imam von Lüneburg
Bernd-Dieter Wolff ist Schuhmachermeister. Für ihn ist sein Beruf mehr als nur ein Broterwerb. Vor 20 Jahren ging er von Berlin nach Lüneburg und mit ihm die Idee, ein guter Mensch zu werden. Er trat einem Sufi-Orden bei, einer mystischen Gemeinschaft innerhalb des Islam. Aus Bernd-Dieter wurde Ibrahim.
Wolff: "Das ist in der Oberhaut, das ist nicht durch."
Kunde: "Und von innen etwas verstärken, würde dass Sinn machen?"
Wolff: "Noch nicht. Es ist ja noch nicht durch."
Kunde: "Das will ich ja verhindern. Aber sie kennen ihr Fach.
... Wann kann ich sie abholen?"
Wolff: "Donnerstag in einer Woche."
Kunde: "Alles klar. Tschüß."
Seit fast 40 Jahren arbeitet Bernd-Dieter Wolff als Schuhmacher in Lüneburg. Er kennt die Menschen, die zu ihm kommen fast genauso gut, wie die Schuhe, die er repariert.
Wolff: "Wir sind ja keine Absatzbar, sondern hier entwickelt sich sehr oft ein Kontakt und aus diesem Kontakt, da weiß man dann, wie sie es repariert haben wollen, was man machen kann, ob du freie Hand hast zum ordentlichen Arbeiten. Wenn sie ihren Zettel nicht dabei haben, dann weißt du, dass war der und der Schuh. Dann hat man die Kunden, mit denen man ein paar Worte gewechselt hat, im Herzenscomputer. ... Hätte ich auch nicht gedacht. Dabei fällt mir auswendig lernen ziemlich schwer."
Kunde: "Ein paar Schuhe, die sollten geweitet werden. ..."
Wolff: "So geweitet. Sie werden eine Runde probieren. Dann ist es okay oder sie kommen wieder."
Kunde: "Kann man die noch mal weiten."
Wolff: "Ja. Der gibt sowieso gut nach. Wie der gearbeitet ist. Oben mit der Mittelnaht. Wenn se schon mal rin kommen, ist doch schon die halbe Miete. Es gibt Leute, die kaufen sich Schuhe und kommen gar nicht rein in den Schuh."
Kunde: "So war das mit dem. Den habe ich aber geschenkt gekriegt."
Bernd-Dieter Wolff ist verheiratet und hat drei Kinder. 1944 ist er in Berlin geboren. Kindheit und Jugend hat er im Westen der Stadt, in Charlottenburg, verbracht, wo sein Vater eine Schusterei betrieb.
Wolff: "Wann war denn das überhaupt als ich jung war? So 50er-, 60er-Jahre. ... Sybelstr. Zur Schule gegangen – so mehr oder weniger erfolglos. Dann Lehre, Vatern, Charlottenburg. War ja ein größerer Laden. Und Großvater, der andere, mütterlicherseits, der war Sattlermeister. Das hat man sich auch mit angenommen. Aber Hauptaugenmerk war der Beruf als Schuhmacher."
Seine Eltern hatten andere Pläne für ihren Sohn. Er sollte nicht Schumacher werden wie Vater und Großvater und immer mit schmutzigen Händen und im Kittel in der Werkstatt stehen. Bernd-Dieter hat versucht, ihren Vorstellungen zu entsprechen.
Wolff: "Ich habe ja noch einen anderen Beruf. Ich bin ja noch Kaufmann. Aber mein Ding ist das nicht. Zuhause hieß es, lerne was Anständiges. Tja, nun gehören wir auch zu den Unanständigen. Das ist es: Man muss seiner Bestimmung folgen, wenn man kann. Das machen, was sauber, gerade ist."
Kundin: "Guten Tag. Ich hätte hier meine Schuhe. Können sie da was machen? Die sind gar nicht so alt. Aber ruckzuck abgetragen, der Absatz. Wann kann ich sie abholen."
Wolff: "Sonnabend."
Kundin: "Heute geht nicht mehr - auf dem Rückweg?"
Wolff: "Wann ist ihr Rückweg?"
Kundin: "18.00 Uhr. Ich muss zum Arzt."
Wolff: "Okay. Bis dann, Tschüß."
In seiner Werkstatt im Zentrum von Lüneburg ist es eng und gemütlich. Ein altes Ledersofa steht an der Wand und lädt zum Verweilen ein. Die Regale sind bis oben gefüllt mit Schuhen. Vor dem Verkaufstresen stehen Barhocker. Von dort kann man dem Stadtschuster gut bei der Arbeit zusehen. Im Radio läuft leise klassische Musik. Manchmal, wenn er einen alten Kunden länger nicht gesehen hat, macht er eine kurze Pause, verschwindet hinter einem der vollgepackten Regale und kommt kurz darauf mit zwei Tassen Kaffee zurück – Instant, der geht schneller. Ein hoher Berg kaputter Schuhe muss heute noch abgearbeitet werden. Und ständig kommen weitere hinzu.
Wolff: "Oh. Geht’s gut?"
Kundin: "Ja. Ich komme gerade aus Berlin. Und jetzt will ich Schuhe vorbei bringen ... Das sieht ja scheiße aus. Und das Leder runterziehen und festkleben."
Wolff: "Na wie wollen wir das machen? So hier was raufkleben."
Kundin: "Nee, das reicht so. Und die Absätze. Und Freitag, nächste Woche."
Wolff: "Ja nächsten Freitag."
Bernd-Dieter Wolff ist 1970, nach einer längeren Reise, aus Damaskus hier in Lüneburg gestrandet. Eigentlich wollte er nur Verwandte besuchen, doch dann kam es ganz anders.
Wolff: "Ich fand das ziemlich lebendig, obwohl es eine kleine Stadt ist. Es ist nicht zu vergleichen mit Berlin, kulturell. Aber es gibt ein Theater, ein kleines Orchester und es gibt eine gewisse Ruhe, keine Hektik, es ist nicht so laut. Es gibt große Kirchen hier und es sollte wohl auch mal ein zweites Jerusalem werden. Das hat schon so seine versteckte Kraft. Für mich ist es eine Stadt, die in ihrer Kleinheit eine gewisse Lebendigkeit haben kann. ... Ich sitze ja mittendrin. Wenn man selbst im Schokoladentopf sitzt, dann kann man schlecht etwas anderes schmecken. Ich finde es hier immer noch schön."
Bernd-Dieter Wolff ist vor vielen Jahren zum Islam konvertiert und trägt als Moslem den Namen Ibrahim. Er gibt sich auch als solcher zu erkennen mit seinen kurzen, grauen Haaren und dem Bart. Auf dem Kopf trägt er oft eine Gebetskappe. Er wirkt ruhig und zufrieden, wenn er erzählt, wie aus dem unmotivierten Christen ein begeisterter Moslem geworden ist. Das war 1967.
Wolff: "Später musste ich mal Luft schnappen, vor die Tür treten, außerhalb Berlins gehen. Dann bin ich erst nach Libanon ... gereist ..., was mich sehr faszinierte. ... Da fing eigentlich, obwohl ich gar nicht so gepolt war, so eine geistig-spirituelle Entwicklung an.
Eigentlich wollte ich ja ganz woanders hin. Ich wollte ja nach Amerika, wegen der Musik. Rock ’n' Roll etc. Aber das klappte nicht. Mein timing war nicht so professionell. Es gab keinen Flug und da bin ich in den Libanon geflogen. Da war mein Onkel."
Vom Libanon ging die Reise weiter nach Damaskus.
Wolff: "In Damaskus traf ich, oder umgekehrt, wurde ich getroffen von einem Sultan, einem Groß-Shaikh, ein traditioneller Sufimeister. ... Aulia al Aulia, der Heilige für die Heiligen. Das hat mich im Herzen berührt und dann blieb ich da und so ging es los. ... Das war der spirituelle Kontakt und der Einstieg für mich, ja zu sagen, dass es etwas Höheres gibt. So war mein Verständnis damals: Es muss doch etwas Höheres geben."
"Der Islam ist für mich allumfassend gewesen. Er beeinflusst mich durch die Heiligen die einen getroffen haben. Die haben die Kraft, einen im Herzen zu inspirieren. Sie können mein Herz korrigieren und ausrichten. Da der Prophet Mohamed ... als letzter geschickt worden ist, Segen sei immer auf ihm, war es für mich wichtig, weil aus der Erfahrung, dass Jesus Christus, Friede sei mit ihm auch, ja gesagt hat: Und folgt dem letzten der Propheten der nach mir kommt. Der wird Mohamed heißen. Diese Tatsache hat mich beflügelt, einfach ja zu sagen."
Bernd-Dieter Wolff alias Ibrahim ist Sufi – Anhänger einer mystischen Glaubensrichtung im Islam. Und er ist Imam – Vorsteher der kleinen Sufigemeinde in Lüneburg.
Wolff: "Sufi – das ist die innere geistige Arbeit, die sich in Wolle kleidet, in der Einfachheit lebt. Der Welt sich entsagen, alles abgeben und innerlich kriegen, d.h. auf der innerlichen Reise sein, der Alchemie, des Austausches: das Weltliche zum Geistigen machen. Das ist die Erkenntnis, Gott näher zu kommen. Das ist der geistige Weg des Sufi."
Als Imam gehört es zu seinen Pflichten, mit seiner Gemeinde das wichtigste Gebet der Woche zu verrichten – das Freitagsgebet. Es findet jede Woche zwischen 13.00 und 15.00 Uhr bei ihm zuhause statt. Dann bleibt der Schusterladen über Mittag eine halbe Stunde länger geschlossen und sein kleines Haus wird zur Moschee.
Das Wohnzimmer ist mit kleinen Gebetsteppichen ausgelegt. Nach und nach treffen die Gläubigen ein. Es sind fast ausschließlich deutsche Muslime. Am Ende sitzen etwa 30 Leute auf dem Boden. Die Hälfte von ihnen sind Frauen. Sie sitzen im hinteren Teil des Raumes.
Wolff: "Gebet: Alles predigt schnell, jetzt sofort. Und das Unglück ist gleich mitgebucht. In der Ungeduld, in der Jagd nach den weltlichen Dingen, die zu erledigen sind, ist der Misserfolg gleich mitgebucht."
Ibrahim hat nie eine Koranschule besucht, sondern wurde von dem geistlichen Oberhaupt seines Ordens, Shaikh Nasim, der auf Zypern lebt, zum Vorbeter bestimmt.
Wollf: "Man will schnell die Dinge erledigen, man will schnell zu seiner Anerkennung kommen, zu seinem Wohlstand, seinem Reichtum. Die Geduldigen fragen danach, was sie tun können, um sich zu läutern. Allah der Mächtige gewährt ihnen als Grundstein Sabbah, die Geduld. Koran Karim."
Ibrahim improvisiert seine Predigten. Das jeweilige Thema ist das, was ihn gerade bewegt. Der Gottesdienst dauert etwa eineinhalb Stunden. Im Mittelpunkt steht das gemeinsame Gebet.
Nach dem Freitagsgebet essen die Gläubigen zusammen. Auf einer Decke auf dem Boden stehen eine Schüssel Reis, gekochte Linsen, knusprige Hähnchenschenkel und ein köstlicher Salat. Ibrahims Frau, Sarah, hat, wie meist, gekocht. Sie ist vor etwa 30 Jahren zum Islam konvertiert.
Sarah: "Die Religion selber ist durch das erste Kind zurückgekommen, durch den Michael. Der hatte so ein ganz bestimmtes Wesen, so eine Art zu sein und durch diesen Blick, wenn er so nach den Fragen des Lebens fragt, kann man nicht sagen: nein, das gibt es nicht. Sondern das hat ganz viel zurück gebracht."
Ibrahim und seine Frau waren die ersten Sufis in Lüneburg. Heute zählen etwa 40 Frauen und Männer zu Ibrahims Gemeinde. Sie kommen aus ganz verschiedenen gesellschaftlichen Schichten. Sie kennen zwar die islamische Gemeinde in Lüneburg, in die türkische Moschee gehen sie jedoch selten.
Frau: "Ich bin zur Ramadanzeit in die türkische Moschee gegangen. ... Das ist auf Türkisch, da versteht man ja kein Wort. Bei ihm versteht man alles. Dass ist der große Unterschied und der entscheidende Unterschied. Darum kommen wir auch gerne her. Und in deutscher Sprache, das hat dann eine andere Qualität auch."
Wida ist in Afghanistan geboren. Seit ihrem fünften Lebensjahr lebt sie in Deutschland. Ihr deutscher Mann ist vor neun Jahren zum Islam konvertiert. Erst seit dem sie mit ihm verheiratet ist, geht sie regelmäßig zu Imam Ibrahim.
Frau: "Ich habe mich gleich sehr wohl gefühlt hier. Ich bin jetzt fast vier Jahre hier und sehr glücklich. Ich habe auch vorher über dem Stadtschuster, wo er seine Werkstatt hat, gewohnt mit meinem Mann. Wir mussten aber leider - wegen Mängel in der Wohnung, sind wir dann ausgezogen."
Zurück in seiner kleinen Werkstatt im Zentrum von Lüneburg macht sich Bernd-Dieter Wolff gleich wieder an die Arbeit.
Wolff: "Das ist aus Cordovan-Leder, Pferdeleder, amerikanisch. Das trägt sich besonders gut. Passt sich an wie ein Handschuh. Klar, ist kein Massenprodukt. Das Produkt ist absolute Spitzenklasse. ... So was bauen wir auch. Und noch eins drauf, weil wir es nicht industriell machen, sondern von Hand. Nehmen von Hand Maß, so wie früher."
Freitagnachmittag kommen viele Kunden, um ihre Schuhe vor dem Wochenende abzuholen. Manche Schuhreparaturen sind besonders kompliziert und halten den Stadtschuster unnötig auf.
Wolff: "Die Rahmennaht, die wird dann aufgenäht und die darf auch nicht zerstört werden. Die ist die Seele vons Ganze. Wenn jemand nicht weiß, was er in der Hand hält und geht an die Schleifmaschine, um zu besohlen, dann schleift er und schleift und schleift unter Umständen die Rahmennaht kaputt. Das war’s dann. ... Ein Schuhmacher, der was von seinem Fach versteht, was es nur noch selten gibt, der schleift ja nicht den Rahmen kaputt, der weiß, was er in der Hand hält. Aber Unwissende, die machen das. Es kommt ja ständig vor, dass er zerstört ist. Dann kommen sie an, dann muss man den Rahmen ausbessern, Flickwerk beginnen, weil der Kunde den Schuh gerettet haben möchte. Friemelarbeit, damit es nachher wieder genauso aussieht."
Bernd-Dieter Wolffs ältester Sohn, Michael, ist, wie sein Vater, Schuhmacher geworden. Er fertigt Maßschuhe an. Sein Geschäft liegt direkt neben der Werkstatt seines Vaters. Die Atmosphäre ist gediegen, in den Regalen stehen hauptsächlich feine Herrenhalbschuhe in gedeckten Farben.
Michael: "Das sind die Ambiorix aus Belgien. Das ist Maßkonfektion. Das ist so gedacht, dass der Kunde hier reinschlüpfen kann, es gibt verschiedene Größen und Weiten, man kann links und rechts verschieden bestellen, sich das Leder selber aussuchen, die Sohle mit bestimmen. Man kann auch auf Einlagen Rücksicht nehmen. Das ist eine schöne Alternative zu einem richtigen Maßschuh."
Auch preislich. Kostet ein Maßschuhpaar ab 1200 Euro aufwärts, ist man mit einem paar Schuhe aus der Maßkonfektion schon ab 360 Euro dabei. Allerdings steckt in Maßschuhen auch sehr viel mehr Arbeit. Zwischen 40 und 45 Stunden arbeitet Michael Wolff im Durchschnitt daran. Dementsprechend sei der Tragekomfort schwärmt der junge Schuhmacher. Die Investition lohne sich also.
Michael: "Man kann seine persönliche Linie unterstreichen. Man kann auf vieles Rücksicht nehmen auch vom Anatomischen her gesehen. In Punkto Qualität natürlich auch. Wir kaufen sehr hochwertige Leder ein, was in der Industrie meist nicht so ist. Es sind verschiedene Punkte die bei einem Maßschuh zum Tragen kommen – allein, dass sich der Handwerker mit diesen zwei Füßen für einen langen Zeitraum beschäftigt und etwas Schönes kreieren kann, womit der Kunde am Ende zufrieden sein kann.
Man steht schon anders in einem richtigen Maßschuh als in herkömmlichen Schuhen."
Michael Wolff ist 32, verheiratet, hat drei Kinder und spielt Schlagzeug in einer Band. Wie sein Vater, ist auch er Moslem. So wurde er erzogen. Nach einer Phase jugendlicher Rebellion, hat er sich wieder seinem Glauben zugewandt.
Michael: "Überall hat das Spirituelle auch seinen Platz. Während der Arbeit kann man eine Meditation machen mit dem sog. Bismiliah-ir-Rahman-ir-Rahim, im Namen Gottes. Jeden Handschlag kann man damit ja machen. Das ist ein alltägliches Gebet, was man dauernd machen kann."
Wolff: "Was machen wir jetzt hiermit?"
Kundin: "Ich weiß nicht. Ich will das wieder zu haben. Da dringt Feuchtigkeit ein. Ich fürchte, kleben reicht nicht. ... Ich fürchte, die Naht ist auf."
Wolff: "Nee. ..."
Nebenan in der Werkstatt von Bernd-Dieter Wolff läuft das Geschäft weiter.
Kundin: "Neulich haste was gesagt von Sohle abtrennen."
Wolff: "Das müsste man dann. Hier sieht es kriminell aus."
Kundin: "Wenn du dichter ran gehst, dann wird mir der Schuh zu eng. Das darfst du auch nicht machen. ... Ich meine, das sind handgearbeitete gute Schuhe. Du kannst nichts sagen."
Wolff: "Nein, ich sag nichts. Wir müssen den Boden doppeln, das müssen wir also nähen."
Bernd-Dieter Wolff repariert alles, was man ihm bringt – vorausgesetzt es ist möglich - auch die ältesten, abgelatschten Schuhe.
Wolff: "Es gibt Sachen, wo es sehr aussichtslos ist, eine vernünftige, ehrliche Reparatur, die man als solche bezeichnen kann (zu machen). Man kann nicht irgendwas machen, nur dass man ein bisschen Geld in die Kasse kriegt. Das ist nicht mein Stil. Das geht nicht. ... Aber wenn die Oma kommt mit ihrem schmalen Geldbeutel, und hat total abgewrackte Schuhe, wo man normalerweise sagt, das ist aber Reif für die Tonne, weil nichts mehr da ist. Wo nix ist kann man ja nichts reparieren... dann stelle ich das zur Debatte – zumindest zur Überlegung und sage, dass es keine wirkliche Reparatur ist, sondern Improvisieren. Solange es hält, hält's. Und mache darauf aufmerksam, dass es nicht die Reparatur ist, die ich mir vorstelle. ... Das muss man schon machen, wegen der Ehrlichkeit."
So denkt und so verhält sich der Stadtschuster von Lüneburg. Denn eines ist ihm besonders wichtig.
Wolff: "Wenn ich in so einem Ort lebe ... wenn ich denjenigen auf der Straße treffe, dem kann ich gerade in die Augen gucken. Auch der Oma, die ich darauf hingewiesen habe, dass die Reparatur nicht optimal ist. ... Ich habe keine Lust, mir schlechte Energien einzufangen, nur wegen ein bisschen Geld in der Kasse. ... Brauche ich auch gar nicht. Ich kriege genug Arbeit. Das ist mein Weg ... weil Allah, Gott, versorgt uns. Deshalb habe ich gar keinen Grund nachzuhelfen. Ich kriege sowieso nur dass, was ich brauche."
Kunde: "Und von innen etwas verstärken, würde dass Sinn machen?"
Wolff: "Noch nicht. Es ist ja noch nicht durch."
Kunde: "Das will ich ja verhindern. Aber sie kennen ihr Fach.
... Wann kann ich sie abholen?"
Wolff: "Donnerstag in einer Woche."
Kunde: "Alles klar. Tschüß."
Seit fast 40 Jahren arbeitet Bernd-Dieter Wolff als Schuhmacher in Lüneburg. Er kennt die Menschen, die zu ihm kommen fast genauso gut, wie die Schuhe, die er repariert.
Wolff: "Wir sind ja keine Absatzbar, sondern hier entwickelt sich sehr oft ein Kontakt und aus diesem Kontakt, da weiß man dann, wie sie es repariert haben wollen, was man machen kann, ob du freie Hand hast zum ordentlichen Arbeiten. Wenn sie ihren Zettel nicht dabei haben, dann weißt du, dass war der und der Schuh. Dann hat man die Kunden, mit denen man ein paar Worte gewechselt hat, im Herzenscomputer. ... Hätte ich auch nicht gedacht. Dabei fällt mir auswendig lernen ziemlich schwer."
Kunde: "Ein paar Schuhe, die sollten geweitet werden. ..."
Wolff: "So geweitet. Sie werden eine Runde probieren. Dann ist es okay oder sie kommen wieder."
Kunde: "Kann man die noch mal weiten."
Wolff: "Ja. Der gibt sowieso gut nach. Wie der gearbeitet ist. Oben mit der Mittelnaht. Wenn se schon mal rin kommen, ist doch schon die halbe Miete. Es gibt Leute, die kaufen sich Schuhe und kommen gar nicht rein in den Schuh."
Kunde: "So war das mit dem. Den habe ich aber geschenkt gekriegt."
Bernd-Dieter Wolff ist verheiratet und hat drei Kinder. 1944 ist er in Berlin geboren. Kindheit und Jugend hat er im Westen der Stadt, in Charlottenburg, verbracht, wo sein Vater eine Schusterei betrieb.
Wolff: "Wann war denn das überhaupt als ich jung war? So 50er-, 60er-Jahre. ... Sybelstr. Zur Schule gegangen – so mehr oder weniger erfolglos. Dann Lehre, Vatern, Charlottenburg. War ja ein größerer Laden. Und Großvater, der andere, mütterlicherseits, der war Sattlermeister. Das hat man sich auch mit angenommen. Aber Hauptaugenmerk war der Beruf als Schuhmacher."
Seine Eltern hatten andere Pläne für ihren Sohn. Er sollte nicht Schumacher werden wie Vater und Großvater und immer mit schmutzigen Händen und im Kittel in der Werkstatt stehen. Bernd-Dieter hat versucht, ihren Vorstellungen zu entsprechen.
Wolff: "Ich habe ja noch einen anderen Beruf. Ich bin ja noch Kaufmann. Aber mein Ding ist das nicht. Zuhause hieß es, lerne was Anständiges. Tja, nun gehören wir auch zu den Unanständigen. Das ist es: Man muss seiner Bestimmung folgen, wenn man kann. Das machen, was sauber, gerade ist."
Kundin: "Guten Tag. Ich hätte hier meine Schuhe. Können sie da was machen? Die sind gar nicht so alt. Aber ruckzuck abgetragen, der Absatz. Wann kann ich sie abholen."
Wolff: "Sonnabend."
Kundin: "Heute geht nicht mehr - auf dem Rückweg?"
Wolff: "Wann ist ihr Rückweg?"
Kundin: "18.00 Uhr. Ich muss zum Arzt."
Wolff: "Okay. Bis dann, Tschüß."
In seiner Werkstatt im Zentrum von Lüneburg ist es eng und gemütlich. Ein altes Ledersofa steht an der Wand und lädt zum Verweilen ein. Die Regale sind bis oben gefüllt mit Schuhen. Vor dem Verkaufstresen stehen Barhocker. Von dort kann man dem Stadtschuster gut bei der Arbeit zusehen. Im Radio läuft leise klassische Musik. Manchmal, wenn er einen alten Kunden länger nicht gesehen hat, macht er eine kurze Pause, verschwindet hinter einem der vollgepackten Regale und kommt kurz darauf mit zwei Tassen Kaffee zurück – Instant, der geht schneller. Ein hoher Berg kaputter Schuhe muss heute noch abgearbeitet werden. Und ständig kommen weitere hinzu.
Wolff: "Oh. Geht’s gut?"
Kundin: "Ja. Ich komme gerade aus Berlin. Und jetzt will ich Schuhe vorbei bringen ... Das sieht ja scheiße aus. Und das Leder runterziehen und festkleben."
Wolff: "Na wie wollen wir das machen? So hier was raufkleben."
Kundin: "Nee, das reicht so. Und die Absätze. Und Freitag, nächste Woche."
Wolff: "Ja nächsten Freitag."
Bernd-Dieter Wolff ist 1970, nach einer längeren Reise, aus Damaskus hier in Lüneburg gestrandet. Eigentlich wollte er nur Verwandte besuchen, doch dann kam es ganz anders.
Wolff: "Ich fand das ziemlich lebendig, obwohl es eine kleine Stadt ist. Es ist nicht zu vergleichen mit Berlin, kulturell. Aber es gibt ein Theater, ein kleines Orchester und es gibt eine gewisse Ruhe, keine Hektik, es ist nicht so laut. Es gibt große Kirchen hier und es sollte wohl auch mal ein zweites Jerusalem werden. Das hat schon so seine versteckte Kraft. Für mich ist es eine Stadt, die in ihrer Kleinheit eine gewisse Lebendigkeit haben kann. ... Ich sitze ja mittendrin. Wenn man selbst im Schokoladentopf sitzt, dann kann man schlecht etwas anderes schmecken. Ich finde es hier immer noch schön."
Bernd-Dieter Wolff ist vor vielen Jahren zum Islam konvertiert und trägt als Moslem den Namen Ibrahim. Er gibt sich auch als solcher zu erkennen mit seinen kurzen, grauen Haaren und dem Bart. Auf dem Kopf trägt er oft eine Gebetskappe. Er wirkt ruhig und zufrieden, wenn er erzählt, wie aus dem unmotivierten Christen ein begeisterter Moslem geworden ist. Das war 1967.
Wolff: "Später musste ich mal Luft schnappen, vor die Tür treten, außerhalb Berlins gehen. Dann bin ich erst nach Libanon ... gereist ..., was mich sehr faszinierte. ... Da fing eigentlich, obwohl ich gar nicht so gepolt war, so eine geistig-spirituelle Entwicklung an.
Eigentlich wollte ich ja ganz woanders hin. Ich wollte ja nach Amerika, wegen der Musik. Rock ’n' Roll etc. Aber das klappte nicht. Mein timing war nicht so professionell. Es gab keinen Flug und da bin ich in den Libanon geflogen. Da war mein Onkel."
Vom Libanon ging die Reise weiter nach Damaskus.
Wolff: "In Damaskus traf ich, oder umgekehrt, wurde ich getroffen von einem Sultan, einem Groß-Shaikh, ein traditioneller Sufimeister. ... Aulia al Aulia, der Heilige für die Heiligen. Das hat mich im Herzen berührt und dann blieb ich da und so ging es los. ... Das war der spirituelle Kontakt und der Einstieg für mich, ja zu sagen, dass es etwas Höheres gibt. So war mein Verständnis damals: Es muss doch etwas Höheres geben."
"Der Islam ist für mich allumfassend gewesen. Er beeinflusst mich durch die Heiligen die einen getroffen haben. Die haben die Kraft, einen im Herzen zu inspirieren. Sie können mein Herz korrigieren und ausrichten. Da der Prophet Mohamed ... als letzter geschickt worden ist, Segen sei immer auf ihm, war es für mich wichtig, weil aus der Erfahrung, dass Jesus Christus, Friede sei mit ihm auch, ja gesagt hat: Und folgt dem letzten der Propheten der nach mir kommt. Der wird Mohamed heißen. Diese Tatsache hat mich beflügelt, einfach ja zu sagen."
Bernd-Dieter Wolff alias Ibrahim ist Sufi – Anhänger einer mystischen Glaubensrichtung im Islam. Und er ist Imam – Vorsteher der kleinen Sufigemeinde in Lüneburg.
Wolff: "Sufi – das ist die innere geistige Arbeit, die sich in Wolle kleidet, in der Einfachheit lebt. Der Welt sich entsagen, alles abgeben und innerlich kriegen, d.h. auf der innerlichen Reise sein, der Alchemie, des Austausches: das Weltliche zum Geistigen machen. Das ist die Erkenntnis, Gott näher zu kommen. Das ist der geistige Weg des Sufi."
Als Imam gehört es zu seinen Pflichten, mit seiner Gemeinde das wichtigste Gebet der Woche zu verrichten – das Freitagsgebet. Es findet jede Woche zwischen 13.00 und 15.00 Uhr bei ihm zuhause statt. Dann bleibt der Schusterladen über Mittag eine halbe Stunde länger geschlossen und sein kleines Haus wird zur Moschee.
Das Wohnzimmer ist mit kleinen Gebetsteppichen ausgelegt. Nach und nach treffen die Gläubigen ein. Es sind fast ausschließlich deutsche Muslime. Am Ende sitzen etwa 30 Leute auf dem Boden. Die Hälfte von ihnen sind Frauen. Sie sitzen im hinteren Teil des Raumes.
Wolff: "Gebet: Alles predigt schnell, jetzt sofort. Und das Unglück ist gleich mitgebucht. In der Ungeduld, in der Jagd nach den weltlichen Dingen, die zu erledigen sind, ist der Misserfolg gleich mitgebucht."
Ibrahim hat nie eine Koranschule besucht, sondern wurde von dem geistlichen Oberhaupt seines Ordens, Shaikh Nasim, der auf Zypern lebt, zum Vorbeter bestimmt.
Wollf: "Man will schnell die Dinge erledigen, man will schnell zu seiner Anerkennung kommen, zu seinem Wohlstand, seinem Reichtum. Die Geduldigen fragen danach, was sie tun können, um sich zu läutern. Allah der Mächtige gewährt ihnen als Grundstein Sabbah, die Geduld. Koran Karim."
Ibrahim improvisiert seine Predigten. Das jeweilige Thema ist das, was ihn gerade bewegt. Der Gottesdienst dauert etwa eineinhalb Stunden. Im Mittelpunkt steht das gemeinsame Gebet.
Nach dem Freitagsgebet essen die Gläubigen zusammen. Auf einer Decke auf dem Boden stehen eine Schüssel Reis, gekochte Linsen, knusprige Hähnchenschenkel und ein köstlicher Salat. Ibrahims Frau, Sarah, hat, wie meist, gekocht. Sie ist vor etwa 30 Jahren zum Islam konvertiert.
Sarah: "Die Religion selber ist durch das erste Kind zurückgekommen, durch den Michael. Der hatte so ein ganz bestimmtes Wesen, so eine Art zu sein und durch diesen Blick, wenn er so nach den Fragen des Lebens fragt, kann man nicht sagen: nein, das gibt es nicht. Sondern das hat ganz viel zurück gebracht."
Ibrahim und seine Frau waren die ersten Sufis in Lüneburg. Heute zählen etwa 40 Frauen und Männer zu Ibrahims Gemeinde. Sie kommen aus ganz verschiedenen gesellschaftlichen Schichten. Sie kennen zwar die islamische Gemeinde in Lüneburg, in die türkische Moschee gehen sie jedoch selten.
Frau: "Ich bin zur Ramadanzeit in die türkische Moschee gegangen. ... Das ist auf Türkisch, da versteht man ja kein Wort. Bei ihm versteht man alles. Dass ist der große Unterschied und der entscheidende Unterschied. Darum kommen wir auch gerne her. Und in deutscher Sprache, das hat dann eine andere Qualität auch."
Wida ist in Afghanistan geboren. Seit ihrem fünften Lebensjahr lebt sie in Deutschland. Ihr deutscher Mann ist vor neun Jahren zum Islam konvertiert. Erst seit dem sie mit ihm verheiratet ist, geht sie regelmäßig zu Imam Ibrahim.
Frau: "Ich habe mich gleich sehr wohl gefühlt hier. Ich bin jetzt fast vier Jahre hier und sehr glücklich. Ich habe auch vorher über dem Stadtschuster, wo er seine Werkstatt hat, gewohnt mit meinem Mann. Wir mussten aber leider - wegen Mängel in der Wohnung, sind wir dann ausgezogen."
Zurück in seiner kleinen Werkstatt im Zentrum von Lüneburg macht sich Bernd-Dieter Wolff gleich wieder an die Arbeit.
Wolff: "Das ist aus Cordovan-Leder, Pferdeleder, amerikanisch. Das trägt sich besonders gut. Passt sich an wie ein Handschuh. Klar, ist kein Massenprodukt. Das Produkt ist absolute Spitzenklasse. ... So was bauen wir auch. Und noch eins drauf, weil wir es nicht industriell machen, sondern von Hand. Nehmen von Hand Maß, so wie früher."
Freitagnachmittag kommen viele Kunden, um ihre Schuhe vor dem Wochenende abzuholen. Manche Schuhreparaturen sind besonders kompliziert und halten den Stadtschuster unnötig auf.
Wolff: "Die Rahmennaht, die wird dann aufgenäht und die darf auch nicht zerstört werden. Die ist die Seele vons Ganze. Wenn jemand nicht weiß, was er in der Hand hält und geht an die Schleifmaschine, um zu besohlen, dann schleift er und schleift und schleift unter Umständen die Rahmennaht kaputt. Das war’s dann. ... Ein Schuhmacher, der was von seinem Fach versteht, was es nur noch selten gibt, der schleift ja nicht den Rahmen kaputt, der weiß, was er in der Hand hält. Aber Unwissende, die machen das. Es kommt ja ständig vor, dass er zerstört ist. Dann kommen sie an, dann muss man den Rahmen ausbessern, Flickwerk beginnen, weil der Kunde den Schuh gerettet haben möchte. Friemelarbeit, damit es nachher wieder genauso aussieht."
Bernd-Dieter Wolffs ältester Sohn, Michael, ist, wie sein Vater, Schuhmacher geworden. Er fertigt Maßschuhe an. Sein Geschäft liegt direkt neben der Werkstatt seines Vaters. Die Atmosphäre ist gediegen, in den Regalen stehen hauptsächlich feine Herrenhalbschuhe in gedeckten Farben.
Michael: "Das sind die Ambiorix aus Belgien. Das ist Maßkonfektion. Das ist so gedacht, dass der Kunde hier reinschlüpfen kann, es gibt verschiedene Größen und Weiten, man kann links und rechts verschieden bestellen, sich das Leder selber aussuchen, die Sohle mit bestimmen. Man kann auch auf Einlagen Rücksicht nehmen. Das ist eine schöne Alternative zu einem richtigen Maßschuh."
Auch preislich. Kostet ein Maßschuhpaar ab 1200 Euro aufwärts, ist man mit einem paar Schuhe aus der Maßkonfektion schon ab 360 Euro dabei. Allerdings steckt in Maßschuhen auch sehr viel mehr Arbeit. Zwischen 40 und 45 Stunden arbeitet Michael Wolff im Durchschnitt daran. Dementsprechend sei der Tragekomfort schwärmt der junge Schuhmacher. Die Investition lohne sich also.
Michael: "Man kann seine persönliche Linie unterstreichen. Man kann auf vieles Rücksicht nehmen auch vom Anatomischen her gesehen. In Punkto Qualität natürlich auch. Wir kaufen sehr hochwertige Leder ein, was in der Industrie meist nicht so ist. Es sind verschiedene Punkte die bei einem Maßschuh zum Tragen kommen – allein, dass sich der Handwerker mit diesen zwei Füßen für einen langen Zeitraum beschäftigt und etwas Schönes kreieren kann, womit der Kunde am Ende zufrieden sein kann.
Man steht schon anders in einem richtigen Maßschuh als in herkömmlichen Schuhen."
Michael Wolff ist 32, verheiratet, hat drei Kinder und spielt Schlagzeug in einer Band. Wie sein Vater, ist auch er Moslem. So wurde er erzogen. Nach einer Phase jugendlicher Rebellion, hat er sich wieder seinem Glauben zugewandt.
Michael: "Überall hat das Spirituelle auch seinen Platz. Während der Arbeit kann man eine Meditation machen mit dem sog. Bismiliah-ir-Rahman-ir-Rahim, im Namen Gottes. Jeden Handschlag kann man damit ja machen. Das ist ein alltägliches Gebet, was man dauernd machen kann."
Wolff: "Was machen wir jetzt hiermit?"
Kundin: "Ich weiß nicht. Ich will das wieder zu haben. Da dringt Feuchtigkeit ein. Ich fürchte, kleben reicht nicht. ... Ich fürchte, die Naht ist auf."
Wolff: "Nee. ..."
Nebenan in der Werkstatt von Bernd-Dieter Wolff läuft das Geschäft weiter.
Kundin: "Neulich haste was gesagt von Sohle abtrennen."
Wolff: "Das müsste man dann. Hier sieht es kriminell aus."
Kundin: "Wenn du dichter ran gehst, dann wird mir der Schuh zu eng. Das darfst du auch nicht machen. ... Ich meine, das sind handgearbeitete gute Schuhe. Du kannst nichts sagen."
Wolff: "Nein, ich sag nichts. Wir müssen den Boden doppeln, das müssen wir also nähen."
Bernd-Dieter Wolff repariert alles, was man ihm bringt – vorausgesetzt es ist möglich - auch die ältesten, abgelatschten Schuhe.
Wolff: "Es gibt Sachen, wo es sehr aussichtslos ist, eine vernünftige, ehrliche Reparatur, die man als solche bezeichnen kann (zu machen). Man kann nicht irgendwas machen, nur dass man ein bisschen Geld in die Kasse kriegt. Das ist nicht mein Stil. Das geht nicht. ... Aber wenn die Oma kommt mit ihrem schmalen Geldbeutel, und hat total abgewrackte Schuhe, wo man normalerweise sagt, das ist aber Reif für die Tonne, weil nichts mehr da ist. Wo nix ist kann man ja nichts reparieren... dann stelle ich das zur Debatte – zumindest zur Überlegung und sage, dass es keine wirkliche Reparatur ist, sondern Improvisieren. Solange es hält, hält's. Und mache darauf aufmerksam, dass es nicht die Reparatur ist, die ich mir vorstelle. ... Das muss man schon machen, wegen der Ehrlichkeit."
So denkt und so verhält sich der Stadtschuster von Lüneburg. Denn eines ist ihm besonders wichtig.
Wolff: "Wenn ich in so einem Ort lebe ... wenn ich denjenigen auf der Straße treffe, dem kann ich gerade in die Augen gucken. Auch der Oma, die ich darauf hingewiesen habe, dass die Reparatur nicht optimal ist. ... Ich habe keine Lust, mir schlechte Energien einzufangen, nur wegen ein bisschen Geld in der Kasse. ... Brauche ich auch gar nicht. Ich kriege genug Arbeit. Das ist mein Weg ... weil Allah, Gott, versorgt uns. Deshalb habe ich gar keinen Grund nachzuhelfen. Ich kriege sowieso nur dass, was ich brauche."