Der Islamismus auf dem Weg in die EU
Die Türkei verhandelt mit der Europäischen Union über einen Beitritt. Doch die Aufnahme der Türkei ist höchst umstritten. Zu den Kritikern gehört auch Bassam Tibi. In seinem Buch "Mit dem Kopftuch nach Europa?" vertritt er die These, der Islamismus befindet sich in der Türkei auf dem Vormarsch.
Wieder einmal wird von den Schaltzentralen der Europäischen Union etwas beschlossen, etwas herbeigeführt, was die europäischen Völker nicht wollen. Die nach Scheinverhandlungen beschlossene Aufnahme der Türkei in die EU ist wieder so ein Fall.
Doch da ist jemand, der an der deutschen Selbsttäuschung und Lethargie besonders rüttelt. Es ist der "Damaszener Muslim" und Göttinger Politologe Bassam Tibi, bekannt genug, um ihn nicht extra vorstellen zu müssen. Er ist seit Jahren Kritiker der deutschen Saumseligkeit und Traumtänzerei angesichts islamischer Zuwanderung und deren betonter Nicht-Integration. Zum Unglück hat er auch noch das Wort "Leitkultur" erfunden, und damit unsere Geistesgrößen in eine Orientierungskrise gestürzt, deren Gezeter uns noch heute in den Knochen sitzt.
"Mit einem EU-Beitritt der Türkei wird Europa nicht mehr dasselbe zivilisatorische Gebilde bleiben. Diese Aussage beruht auf einer wertfreien Feststellung. Es ist ebenso wertfrei, die Beobachtung nicht zu verschweigen, dass nicht nur fremdenfeindliche Strömungen diese Ängste missbrauchen, sondern auch diejenigen Deutschen, die mit der Formel "Feindbild Islam" darauf kontern, um ihre Kritiker der "Fremdenfeindlichkeit" zu verdächtigen. "
Professor Bassam Tibi, auch an ausländischen Universitäten engagiert, vermehrt mit diesem Werk schon seine stattliche Anzahl von Publikationen zum Verhältnis von Orient und Okzident. Hier liegen ausführliche Studien zur Lage und Zukunft der Türkei vor, die sich die Europäer hinter die Ohren schreiben müssten, wollten sie sich wirklich aufs Engste mit ihr verbinden.
Die inhaltliche Dichte des Werkes entspricht in etwa den Thesen und Feststellungen Bassam Tibis. Einleitend geht der Autor mit dem schwächelnden und kränkelnden Selbstbewusstsein Europas ins Gericht, das in seiner Einwanderungspraxis die notwendigen Differenzen, die da schon hätten gemacht werden müssen, übersieht, und den gefährlichen Gruppierungen ahnungslos ein Feld überlässt.
"Ich erinnere an die Unterscheidung innerhalb des Islam als Religion (entweder orthodoxer schriftgläubiger oder Euro-Islam) sowie die Differenzierung zwischen Islamismus als Ideologie und Islam als Glaube... sie ist schicksalhaft für Europa. "
Die 15 Millionen Muslime in der EU sind schon ein Staat im Staate; mit den radikalen "Islamisten" – (nicht mit bloßem Islam zu verwechseln!) – könnte die Aufnahme der Türkei dieses Europa sprengen; es sei denn, es werden gewisse Voraussetzungen auf Seiten der Türkei erfüllt, die weit über das hinausgehen, was in Beitrittsverhandlungen normal zur Debatte steht.
Es ist also zu unterscheiden zwischen dem Islam und dem so genannten politischen Islam oder dem Islamismus als Heilsideologie. Für ihn ist offenbar eine Zeit angebrochen, auf die man nicht früh genug aufmerksam machen kann:
"Durch islamische Zuwanderung und die Entsendung von Imamen ... in den Westen wird die islamistische Heilsideologie nach Europa exportiert. Deswegen steht der politische Islam im Mittelpunkt dieses Buches, weil es sich weit mehr als nur um eine Religion oder einen "Konservativismus" handelt. Die Weltanschauung des politischen Islam predigt ein "Ideal" einer islamischen Ordnung als heile Welt und beansprucht dafür universelle Geltung, also auch eine Pax Islamica für den Westen. "
Sein Symbol ist das Kopftuch der Frauen als Gebot der staatsfeindlichen Rechtslehre der Schari’a, welche die Tötung Ungläubiger und Abtrünniger, die Kampfeslehre und Kampfesbereitschaft des Djihadismus einschließt, von der friedlichen Tarnung des Vorgangs, der Hidjra, ganz abgesehen.
Bassam Tibi befasst sich in den Folgekapiteln mit der Identitätsgeschichte der Türkei: ihrer Zerrissenheit zwischen der unvollendeten Hinterlassenschaft des großen Kemal Atatürk, dem "Kemalismus", und dem empor sprießenden Islamismus - und die Befürchtung, dass der Islamismus auch den vom Westen geschwächten Kemalismus verschlingen könnte: "Anatolien siegt über Istanbul" malt er als Menetekel an die Wand:
"Wäre die Türkei auf der Basis eines europäisierten Islam wirklich europäisch geworden, würde ich mit ganzem Herzen dafür eintreten, dass dieses islamische Land als Vollmitglied in die EU aufgenommen wird ... Unter einer AKP-Herrschaft erfüllt die Türkei die Bedingung der Europäisierung als zentralem Kriterium für die Aufnahme in die EU nicht. "
Die Zeichen für einen siegreichen Islamismus in der Türkei stehen günstig. Mit beklemmender Deutlichkeit schildert Bassam Tibi die schrittweise Entsäkularisierung der Türkei, das langsame Versinken des Kemal-Atatürk’schen Erbes, bei gleichzeitiger Tarnung dieses Vorgangs vor den Europäern. Die ökonomisch eng gefassten Kopenhagener Kriterien, die den Beitrittsverhandlungen mit der Türkei zugrunde liegen, verdecken obendrein die tiefer liegenden kulturellen Probleme. Selbst die Reden um eine "Brückenfunktion" der Türkei vom modernen Europa zu einem sich modernisierenden Morgenland sind einseitig. Der umgekehrte Weg ist nicht ausgeschlossen.
Mit einer islamisierten Türkei
"... kann Europa entweder Teil eines pantürkischen Groß-Turkestan oder Teil eines arabisch-islamistischen Maghreb werden. Nur eine laizistische, am aufgeklärten Islam (also nicht am AKP-Islam) orientierte Türkei darf in die EU aufgenommen werden und kann Europa vor dem Islamismus schützen."
Bassam Tibi kann aus seinen Entdeckungen also klare Forderungen ableiten, aber keinen Weg und keinen Zeitraum angeben, wie sich sein Vorschlag für eine säkulare Trendwende realisieren könnte. Er sieht klar die Halbinformiertheit und Unfähigkeit der Europäer, ein Verhängnis von Europa und der Welt abzuhalten; er plädiert zugleich für einen aufgeklärten, offenen "Euro-Islam", wie er ihn nennt, ohne Schleier, Schari’a und Djihad. Vielleicht müsste Bassam Tibi jetzt mehr Theologe als Politologe sein, um dies näher auszuführen. Er wird nicht umhinkommen, sein Credo zu erläutern und die Chance seiner Verwirklichung - in einer Sphäre wilder Gärung.
Bassam Tibi: Mit dem Kopftuch nach Europa?
Die Türkei auf dem Wege in die Europäische Union
Primus Verlag, Darmstadt 2005
Doch da ist jemand, der an der deutschen Selbsttäuschung und Lethargie besonders rüttelt. Es ist der "Damaszener Muslim" und Göttinger Politologe Bassam Tibi, bekannt genug, um ihn nicht extra vorstellen zu müssen. Er ist seit Jahren Kritiker der deutschen Saumseligkeit und Traumtänzerei angesichts islamischer Zuwanderung und deren betonter Nicht-Integration. Zum Unglück hat er auch noch das Wort "Leitkultur" erfunden, und damit unsere Geistesgrößen in eine Orientierungskrise gestürzt, deren Gezeter uns noch heute in den Knochen sitzt.
"Mit einem EU-Beitritt der Türkei wird Europa nicht mehr dasselbe zivilisatorische Gebilde bleiben. Diese Aussage beruht auf einer wertfreien Feststellung. Es ist ebenso wertfrei, die Beobachtung nicht zu verschweigen, dass nicht nur fremdenfeindliche Strömungen diese Ängste missbrauchen, sondern auch diejenigen Deutschen, die mit der Formel "Feindbild Islam" darauf kontern, um ihre Kritiker der "Fremdenfeindlichkeit" zu verdächtigen. "
Professor Bassam Tibi, auch an ausländischen Universitäten engagiert, vermehrt mit diesem Werk schon seine stattliche Anzahl von Publikationen zum Verhältnis von Orient und Okzident. Hier liegen ausführliche Studien zur Lage und Zukunft der Türkei vor, die sich die Europäer hinter die Ohren schreiben müssten, wollten sie sich wirklich aufs Engste mit ihr verbinden.
Die inhaltliche Dichte des Werkes entspricht in etwa den Thesen und Feststellungen Bassam Tibis. Einleitend geht der Autor mit dem schwächelnden und kränkelnden Selbstbewusstsein Europas ins Gericht, das in seiner Einwanderungspraxis die notwendigen Differenzen, die da schon hätten gemacht werden müssen, übersieht, und den gefährlichen Gruppierungen ahnungslos ein Feld überlässt.
"Ich erinnere an die Unterscheidung innerhalb des Islam als Religion (entweder orthodoxer schriftgläubiger oder Euro-Islam) sowie die Differenzierung zwischen Islamismus als Ideologie und Islam als Glaube... sie ist schicksalhaft für Europa. "
Die 15 Millionen Muslime in der EU sind schon ein Staat im Staate; mit den radikalen "Islamisten" – (nicht mit bloßem Islam zu verwechseln!) – könnte die Aufnahme der Türkei dieses Europa sprengen; es sei denn, es werden gewisse Voraussetzungen auf Seiten der Türkei erfüllt, die weit über das hinausgehen, was in Beitrittsverhandlungen normal zur Debatte steht.
Es ist also zu unterscheiden zwischen dem Islam und dem so genannten politischen Islam oder dem Islamismus als Heilsideologie. Für ihn ist offenbar eine Zeit angebrochen, auf die man nicht früh genug aufmerksam machen kann:
"Durch islamische Zuwanderung und die Entsendung von Imamen ... in den Westen wird die islamistische Heilsideologie nach Europa exportiert. Deswegen steht der politische Islam im Mittelpunkt dieses Buches, weil es sich weit mehr als nur um eine Religion oder einen "Konservativismus" handelt. Die Weltanschauung des politischen Islam predigt ein "Ideal" einer islamischen Ordnung als heile Welt und beansprucht dafür universelle Geltung, also auch eine Pax Islamica für den Westen. "
Sein Symbol ist das Kopftuch der Frauen als Gebot der staatsfeindlichen Rechtslehre der Schari’a, welche die Tötung Ungläubiger und Abtrünniger, die Kampfeslehre und Kampfesbereitschaft des Djihadismus einschließt, von der friedlichen Tarnung des Vorgangs, der Hidjra, ganz abgesehen.
Bassam Tibi befasst sich in den Folgekapiteln mit der Identitätsgeschichte der Türkei: ihrer Zerrissenheit zwischen der unvollendeten Hinterlassenschaft des großen Kemal Atatürk, dem "Kemalismus", und dem empor sprießenden Islamismus - und die Befürchtung, dass der Islamismus auch den vom Westen geschwächten Kemalismus verschlingen könnte: "Anatolien siegt über Istanbul" malt er als Menetekel an die Wand:
"Wäre die Türkei auf der Basis eines europäisierten Islam wirklich europäisch geworden, würde ich mit ganzem Herzen dafür eintreten, dass dieses islamische Land als Vollmitglied in die EU aufgenommen wird ... Unter einer AKP-Herrschaft erfüllt die Türkei die Bedingung der Europäisierung als zentralem Kriterium für die Aufnahme in die EU nicht. "
Die Zeichen für einen siegreichen Islamismus in der Türkei stehen günstig. Mit beklemmender Deutlichkeit schildert Bassam Tibi die schrittweise Entsäkularisierung der Türkei, das langsame Versinken des Kemal-Atatürk’schen Erbes, bei gleichzeitiger Tarnung dieses Vorgangs vor den Europäern. Die ökonomisch eng gefassten Kopenhagener Kriterien, die den Beitrittsverhandlungen mit der Türkei zugrunde liegen, verdecken obendrein die tiefer liegenden kulturellen Probleme. Selbst die Reden um eine "Brückenfunktion" der Türkei vom modernen Europa zu einem sich modernisierenden Morgenland sind einseitig. Der umgekehrte Weg ist nicht ausgeschlossen.
Mit einer islamisierten Türkei
"... kann Europa entweder Teil eines pantürkischen Groß-Turkestan oder Teil eines arabisch-islamistischen Maghreb werden. Nur eine laizistische, am aufgeklärten Islam (also nicht am AKP-Islam) orientierte Türkei darf in die EU aufgenommen werden und kann Europa vor dem Islamismus schützen."
Bassam Tibi kann aus seinen Entdeckungen also klare Forderungen ableiten, aber keinen Weg und keinen Zeitraum angeben, wie sich sein Vorschlag für eine säkulare Trendwende realisieren könnte. Er sieht klar die Halbinformiertheit und Unfähigkeit der Europäer, ein Verhängnis von Europa und der Welt abzuhalten; er plädiert zugleich für einen aufgeklärten, offenen "Euro-Islam", wie er ihn nennt, ohne Schleier, Schari’a und Djihad. Vielleicht müsste Bassam Tibi jetzt mehr Theologe als Politologe sein, um dies näher auszuführen. Er wird nicht umhinkommen, sein Credo zu erläutern und die Chance seiner Verwirklichung - in einer Sphäre wilder Gärung.
Bassam Tibi: Mit dem Kopftuch nach Europa?
Die Türkei auf dem Wege in die Europäische Union
Primus Verlag, Darmstadt 2005