Der jordanische König und die Unruhen im Mittleren Osten
Seit 1999 ist König Abdullah II. im Amman an der Macht. Jordanien ist auf Frieden angewiesen. Das Land ist arm und lebt in gefährlicher Nachbarschaft. In seinem Buch zieht der König eine Bilanz seiner Innen- und Außenpolitik.
Es ist nicht leicht, Monarch im haschemitischen Königreich Jordanien zu sein. Die Unruhen der letzten Monate quer durch den Mittleren Osten haben das Land bisher zwar nicht grundlegend erschüttert, stellen aber alle politischen Gleichungen in Frage. Das Buch des jungen Königs Abdullah II., Sohn des charismatischen Hussein, seit 1999 an der Macht in Amman, ist eine kundige, auf Objektivität bedachte und zugleich tief besorgte Zwischenbilanz der Innen- und Aussenpolitik. Sie lässt schon die Vorbeben erkennen, die heute die Region erschüttern und nichts mehr so lassen, wie es war – auch nicht Jordanien, wo zwei Drittel der Bevölkerung Palästinenser sind mit ungewissen Treueschwüren und ein Drittel Beduinen, auf die sich der Monarch verlassen kann. Anders als in den ölreichen Ländern fehlen die Mittel, Loyalität zu kaufen. Alles ist in Bewegung, nicht nur die arabischen Machtverhältnisse, sondern auch das Verhältnis der Araber zu Israel, ob zum guten oder zum Bösen, das ist noch lange nicht ausgemacht:
"Wenn ich nach vorn blicke, dann fürchte ich, dass zwischen Israel und seinen Nachbarn, ausgelöst durch einen bislang noch unbekannten Brandherd, ein neuer Krieg ausbrechen und auf schreckliche Weise eskalieren könnte."
Jordanien ist auf nichts so sehr angewiesen wie auf Frieden, das Land ist arm, Felsen und Sand, und lebt in gefährlicher Nachbarschaft: Im Norden das unruhige Syrien, im Osten Irak, im Süden Saudi-Arabien – und wie freundlich die Israelis sind, das entscheidet sich von Fall zu Fall. Das Land hat sehr wenig Wasser, weder Öl noch Erdgas, und die neuerdings entdeckten Uranvorkommen brauchen viel Zeit, bis sie der Energiebilanz aufhelfen. Was bleibt, ist aufgeklärte Entwicklungspolitik, die auf Leistung setzt, auf Technik und Öffnung nach Westen, auf die Welthandelsorganisation, auf amerikanische Hilfe und EU-Hilfe, auf Modernisierung der Institutionen und Korruptionsbekämpfung. Wie der sagenhafte Harun al Raschid verkleidet sich der junge Monarch gelegentlich und macht unangemeldete Besuche, um zu erfahren, was im Lande vor sich geht. In England und den USA ausgebildeter Militär, sieht er es als Teil seiner Aufgabe, das Volk vor der Nachlässigkeit seiner Regierung zu schützen. So ist sein Buch beides, ein kompetenter und engagierter Blick von Innen auf ein arabisches Entwicklungsland und eine besorgte Analyse dessen, was einmal Friedensprozess hieß und heute weder Frieden noch Prozeß verheisst. Der Großteil des Buches ist diesem Problem gewidmet, und der König sagt ohne Umschweife, dass er, wenn nicht eine Wende eintritt, die Extremisten als Gewinner sieht:
"Wir lassen zu, dass sie die Debatte beherrschen. Allzu oft finden die Stimmen gemäßigter Araber inmitten derer, die am lautesten schreien, kein Gehör."
Abdullah merkt man noch immer die Enttäuschung an, dass die arabische Friedensinitiative von 2002, mit der 57 Staaten dem Staat Israel Frieden für Land boten, keine Erwiderung fand. Er hatte versucht, durch Reisediplomatie mit den USA den Prozess wieder zu beleben, eine neue Straßenkarte für den Frieden zu entwerfen und sogar die Saudi-Herrscher für eine Friedensinitiative zu gewinnen, was ihm auch gelang. Die Sorge der konservativen Araber richtete sich damals und bis heute vor allem auf den Iran. Aber der Irak-Krieg, vor dem Abdullah das Weiße Haus wieder und wieder gewarnt hatte, war George W. Bush wichtiger:
"Mir blieb nur der Balanceakt, mich gegen den Krieg auszusprechen und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass unser Land nicht in ihn hineingezogen wurde."
Seitdem aber war das amerikanische moralische Kapital unter den Arabern weitgehend aufgezehrt, und die israelische Politik verlor Mut und Voraussicht für die Zweistaatenlösung. Abdullah von Jordanien hält sie bis heute für die einzig tragfähige Chance des Friedens. Er berichtet, was er bei seinem ersten Treffen mit Obama im Weißen Haus dem Präsidenten gesagt hatte über den Nahen Osten und das, was bevorstand:
"Netanjahu wird mit vier Themen kommen: Iran, Iran, Iran und der Mangel an einem Verhandlungspartner auf der Seite der Palästinenser."
Abdullah kehrte die Beweislast um:
"Genau genommen haben die Palästinenser seit Scharons Wahl im Jahr 2001 keinen israelischen Friedenspartner mehr… Ich erinnerte den Präsidenten an meine Erfahrungen mit Netanjahu und bat ihn eindringlich, sich nicht auf Versprechen des israelischen Premiers zu verlassen. Netanjahu habe schon öfter sein Wort gebrochen. Darauf meinte der Präsident, er werde energisch an einer Zwei-Staaten-Lösung arbeiten."
Das ist der gegenwärtige Stand der kleinen Schachpartie Israel/Palästina innerhalb der großen Schachpartie um die Zukunft des Mittleren Ostens. Dass der "arabische Frühling", der von Tunesien bis Bahrain die arabische Staatenwelt erschüttert, Frieden bringen werde, erfordert einen starken Akt des Glaubens. Man würde gern das Nachwort lesen, das der junge König heute schreiben müsste.
"Wenn ich nach vorn blicke, dann fürchte ich, dass zwischen Israel und seinen Nachbarn, ausgelöst durch einen bislang noch unbekannten Brandherd, ein neuer Krieg ausbrechen und auf schreckliche Weise eskalieren könnte."
Jordanien ist auf nichts so sehr angewiesen wie auf Frieden, das Land ist arm, Felsen und Sand, und lebt in gefährlicher Nachbarschaft: Im Norden das unruhige Syrien, im Osten Irak, im Süden Saudi-Arabien – und wie freundlich die Israelis sind, das entscheidet sich von Fall zu Fall. Das Land hat sehr wenig Wasser, weder Öl noch Erdgas, und die neuerdings entdeckten Uranvorkommen brauchen viel Zeit, bis sie der Energiebilanz aufhelfen. Was bleibt, ist aufgeklärte Entwicklungspolitik, die auf Leistung setzt, auf Technik und Öffnung nach Westen, auf die Welthandelsorganisation, auf amerikanische Hilfe und EU-Hilfe, auf Modernisierung der Institutionen und Korruptionsbekämpfung. Wie der sagenhafte Harun al Raschid verkleidet sich der junge Monarch gelegentlich und macht unangemeldete Besuche, um zu erfahren, was im Lande vor sich geht. In England und den USA ausgebildeter Militär, sieht er es als Teil seiner Aufgabe, das Volk vor der Nachlässigkeit seiner Regierung zu schützen. So ist sein Buch beides, ein kompetenter und engagierter Blick von Innen auf ein arabisches Entwicklungsland und eine besorgte Analyse dessen, was einmal Friedensprozess hieß und heute weder Frieden noch Prozeß verheisst. Der Großteil des Buches ist diesem Problem gewidmet, und der König sagt ohne Umschweife, dass er, wenn nicht eine Wende eintritt, die Extremisten als Gewinner sieht:
"Wir lassen zu, dass sie die Debatte beherrschen. Allzu oft finden die Stimmen gemäßigter Araber inmitten derer, die am lautesten schreien, kein Gehör."
Abdullah merkt man noch immer die Enttäuschung an, dass die arabische Friedensinitiative von 2002, mit der 57 Staaten dem Staat Israel Frieden für Land boten, keine Erwiderung fand. Er hatte versucht, durch Reisediplomatie mit den USA den Prozess wieder zu beleben, eine neue Straßenkarte für den Frieden zu entwerfen und sogar die Saudi-Herrscher für eine Friedensinitiative zu gewinnen, was ihm auch gelang. Die Sorge der konservativen Araber richtete sich damals und bis heute vor allem auf den Iran. Aber der Irak-Krieg, vor dem Abdullah das Weiße Haus wieder und wieder gewarnt hatte, war George W. Bush wichtiger:
"Mir blieb nur der Balanceakt, mich gegen den Krieg auszusprechen und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass unser Land nicht in ihn hineingezogen wurde."
Seitdem aber war das amerikanische moralische Kapital unter den Arabern weitgehend aufgezehrt, und die israelische Politik verlor Mut und Voraussicht für die Zweistaatenlösung. Abdullah von Jordanien hält sie bis heute für die einzig tragfähige Chance des Friedens. Er berichtet, was er bei seinem ersten Treffen mit Obama im Weißen Haus dem Präsidenten gesagt hatte über den Nahen Osten und das, was bevorstand:
"Netanjahu wird mit vier Themen kommen: Iran, Iran, Iran und der Mangel an einem Verhandlungspartner auf der Seite der Palästinenser."
Abdullah kehrte die Beweislast um:
"Genau genommen haben die Palästinenser seit Scharons Wahl im Jahr 2001 keinen israelischen Friedenspartner mehr… Ich erinnerte den Präsidenten an meine Erfahrungen mit Netanjahu und bat ihn eindringlich, sich nicht auf Versprechen des israelischen Premiers zu verlassen. Netanjahu habe schon öfter sein Wort gebrochen. Darauf meinte der Präsident, er werde energisch an einer Zwei-Staaten-Lösung arbeiten."
Das ist der gegenwärtige Stand der kleinen Schachpartie Israel/Palästina innerhalb der großen Schachpartie um die Zukunft des Mittleren Ostens. Dass der "arabische Frühling", der von Tunesien bis Bahrain die arabische Staatenwelt erschüttert, Frieden bringen werde, erfordert einen starken Akt des Glaubens. Man würde gern das Nachwort lesen, das der junge König heute schreiben müsste.