Der jüdische Film – eine Rarität?

Von Ayala Goldmann |
Am Sonntag beginnt das 16. Jewish Film Festival Berlin. 23 Filme aus Israel, Amerika und Europa sind dann zwei Wochen lang in Berlin und im Filmmuseum Potsdam zu sehen. Mehrere Filme mit sogenannter jüdischer Thematik laufen in jedem Jahr auch auf der Berlinale. Doch welche Chance haben Nicht-Berliner, Filme aus Israel zu sehen?
Es ist unwahrscheinlich, dass "Romeo und Juliet in Yiddish" jemals in deutschen Kinos zu sehen sein wird. Zu schräg, zu speziell ist der Films von Eve Annenberg, einer Regisseurin aus den USA, der beim Jewish Film Festival Berlin in der kommenden Woche seine Weltpremiere erlebt. Mithilfe von drei jungen Juden, die aus der Ultra-Orthodoxie ausgebrochen sind, lässt die Regisseurin Shakespeares "Romeo und Julia" vor der Kamera neu ins Jiddische übersetzen und nachspielen.

Die drei obdachlosen Chassidim, die ihr Leben durch Diebstähle und Drogengeschäfte finanzieren, haben ihre eigene Shakespeare-Interpretation: Sie sehen in den verfeindeten Familien von Romeo und Julia Anhänger von Satmer und Chabad Lubawitsch, zwei konkurrierenden ultra-orthodoxen Sekten. Mit viel Witz und Situationskomik zeigt "Romeo und Juliet in Yiddish" die Herausforderungen, mit denen manche Aussteiger aus der Ultra-Orthodoxie konfrontiert sind. Zum Beispiel, Englisch zu lernen oder einen Schulabschluss nachzuholen. Nicola Galliner, Leiterin des Jewish Film Festivals:

"Die sind aufwachsen mit Jiddisch als Muttersprache, weil sie in einer ganz, ganz, extrem frommen Umgebung aufwachsen, wo nur Jiddisch gesprochen wird. Die Landessprache, obwohl sie mitten in New York leben, die Landeskultur wird sozusagen ausgeschaltet, und dann wächst man auf und kennt nur die Sprache der eigenen Umgebung und sonst eigentlich gar nichts."

23 Filme aus Israel, den USA und Europa werden in den kommenden beiden Wochen in Berlin und Potsdam gezeigt. Noch vor zwei Monaten war unklar, ob das Jewish Film Festival überhaupt stattfindet, denn die Finanzierung war nicht gesichert. Im letzten Moment sprang die Berliner Senatskanzlei ein und gewährte den nötigen Zuschuss. Nicola Galliner möchte eine Auswahl der Filme nach dem Ende des Festivals auch bundesweit zeigen. Momentan sieht es so aus, als ob die Finanzierung dafür steht:

"Wir waren letztes Jahr in Hamburg, in Nürnberg, in Köln, wir waren sogar zu allererst in der Schweiz, in Bern, es war in Freiburg, Saarbrücken, Leipzig, und wir hoffen, dass wir das dieses Jahr wiederholen können. Mein Interesse sind die Universitätsstädte, wo man junge Leute bekommt, wo man vielleicht nicht überverwöhnt ist mit einem Kulturangebot."

Sieben der 23 Filme beim Jewish Film Festival kommen in diesem Jahr aus Israel. Seit diesem Jahr kooperiert Nicola Galliner eng mit dem Haifa International Film Festival. "Five Hours from Paris", der Debütfilm des russisch-israelischen Regisseurs Leon Prudovsky und Gewinner des Spielfilmpreises in Haifa 2009, erzählt eine Liebesgeschichte zwischen einem israelischen Taxifahrer, und einer Musiklehrerin aus Russland, die nach Israel eingewandert ist. Tuvia Ben Chorin, Rabbiner der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, ist Filmpate des Jewish Filmfestivals. Über den israelischen Film sagt er:

"Die Assoziation ist immer: Judentum, Synagoge, lange Bärte, Käppchen. Punkt. Leiden, Israel, Konflikte, Terroristen, Palästinenser. Und hier haben wir mal ein normales Leben. Das ist für mich Judentum. Zum Beispiel in dem Film, den wir jetzt gesehen haben. Wenn man etwas spezifisch Jüdisches sucht, kann man es finden, aber es wird einem nicht krass dargestellt, sondern erstmal das Universelle, Menschliche."

Doch so schön die Liebesgeschichte auch erzählt wird: Spektakulär ist dieser Film nicht. Das Jewish Film hat hier ein Problem: Die wirklich guten israelischen Filme kommen inzwischen direkt in deutsche Kinos. Wie etwa der Oscarnominierte Spielfim "Ajami" über einen arabischen Problemkiez in Tel Aviv- Jaffo, der auf dem Jewish Film Festival, aber seit Mitte März auch im Kino zu sehen ist. Im Juni kommt der beim Filmfestival Venedig ausgezeichnete israelische Antikriegsfilm Libanon in die kommerziellen Filmhäuser. Und mit "A Serious Man" haben die Cohen-Brothers auch die bitterböse Satire über Juden mainstreamfähig gemacht. Dvora Ben-David, Gesandte für Kultur der israelischen Botschaft in Berlin, sieht den israelischen Film in Deutschland im Aufwind:

"Es ist viel mehr geworden, natürlich. Mehrere Filmverleihe kaufen die Filme und die zeigen es in Kinohäusern. Deswegen sehen mehr Deutsche israelische Filme. Die Filme waren schon vor 20 Jahren ganz gut, und sie haben mehrere Preise gekriegt, in internationalen Filmfestivals. Aber die Leute haben die Filme nicht gekannt, weil sie wurden einfach nicht gezeigt in kommerziellen Kinohäusern."

Das begann sich ab 1988 zu ändern, sagt Dvora Ben David – dem Jahr, als der Film "Avihas Sommer" den Silbernen Bären der Berlinale gewann. Doch was die Situation wirklich änderte, glaubt die israelische Kulturgesandte, ist die gestiegene Zahl von Koproduktionen, wie zum Beispiel bei den Filmen Ajami, Waltz with Bashir, Lemon Tree und Liebesleben, die alle ins deutsche Kino kamen.

"Das hat sich sehr entwickelt, weil, da gibt es jetzt Kooperationsproduktionen zwischen Deutschland und Israel, zwischen Europa und Israel, die Europäer und die Deutschen investieren in israelische Kinos und vice versa, das hat gemacht einen großen Unterschied."

Allerdings bedauert Dvora Ben-David, dass die wirtschaftliche Situation es für die israelische Botschaft schwerer gemacht hat, weniger bekannte israelische Filme in Deutschland zu verbreiten.

"Wir hatten seit mehreren Jahren Filmpakete jedes Jahr, und wir konnten machen in 40, 50 unterschiedlichen Städten israelische Filmfestivals. Wegen der Lage hier und Konjunktur in Israel kann ich diese Filmkopien nicht kaufen und nicht verbreiten in Deutschland, und das ist schade."

Dafür sind israelische Filme aber zum Beispiel beim Filmfestival Hamburg regelmäßig zu sehen. Und auch das Jewish Film Festival tut das Seine, um auch dieses Jahr wieder in verschiedenen Uni-Städten präsent zu sein.

"Das ist, denke ich, auch der Sinn eines solchen Festivals. Wir arbeiten nicht das ganze Jahr für eine Vorführung in Berlin. Das ist absolut absurd. Der Sinn eines solchen Festivals ist, dass es reist. In England bereist das jüdische Filmfestival 25 Städte, und das ist der Sinn eines solchen Festivals, das man es in einen so weiten Kreis wie möglich bringt."

Und dann kommen auch Zuschauer auf den Geschmack, die nicht nur die oskarnominierten Filme oder die großen Koproduktionen sehen wollen – sondern die sich auch für leise Töne und bisher noch unbekannte Kinoautoren des israelischen und sogenannten jüdischen Films interessieren.

Das detaillierte Programm unter: www.jffb.de