Trumps deutsche Vorfahren
Der Großvater des designierten US-Präsidenten Donald Trump stammt aus dem pfälzischen Kallstadt. Die AfD ist begeistert, spricht vom "Kallstadt-Impuls", der touristisch genutzt werden müsse. Dabei war Trumps Opa ein illegaler Auswanderer. Und Pfälzer galten in den USA als eher "integrationsunwillig".
Kallstadt an der Weinstraße. Bislang hauptsächlich bekannt als Durchfahrtsort auf dem Weg zum "Dürkheimer Wurstmarkt", dem größten Weinfest der Welt. Doch seit sich herumgesprochen hat, dass die Vorfahren des neuen US-Präsidenten von hier stammen, interessiert sich zumindest die Presse sporadisch für das 1200-Einwohner-Dorf. Wenn Donald Trump ins Amt eingeführt wird, fährt der ein oder andere Ü-Wagen vor, das gilt als sicher.
Medienrummel auch im Kallstadter Saumagen-Paradies
Reporter belagern dann gern das Saumagen-Paradies – so heißt die Kallstadter Metzgerei mit überregionalem Ruf. "Ist eine schöne Abwechslung. Man sieht andere Leute als die Kundschaft, die man sowieso jeden Tag sieht", sagt Verkäuferin Edelgard Kellermann. "Und dann muss man auch die verstaubten Englisch-Kenntnisse wieder hervorkramen – eine Herausforderung." Sie quittiert mit Gelassenheit, dass sie immer wieder zum Opfer des medialen Trump-Hypes wird.
Die energische Fleischerei-Fachverkäuferin lässt sich nicht lange um ihre Meinung zum neuen US-Präsidenten bitten.
Eine Fleischereifachverkäuferin macht Trump "Komplimente"
Der Herr Trump sei nicht dumm, auch wenn er so rüber komme, meint sie. "Der hätte nicht dieses Immobilienvermögen und eine Steuererklärung mit null Einkommensteuer, wenn er doof wäre. Und auf der anderen Seite kann er – sage ich jetzt mal - das durchschnittliche Volk mitreißen, wie der in den 40er-Jahren mit dem kleinen Schnäuzer."
So drastisch würden es die meisten Kallstadter wohl nicht formulieren, schon gar nicht der äußerst diplomatische Bürgermeister. Thomas Jaworek windet sich ein wenig angesichts der ständig gestellten Frage, ob Kallstadt stolz darauf sei, dass der Nachfahre eines Auswanderers mächtigster Mann der USA wird.
Mit Stolz auf Trump tut sich Kallstadt schwer
Theoretisch könne man sich freuen, meint der CDU-Politiker, doch die verächtlichen Wahlkampf-Pöbeleien Trumps gegen Frauen, Einwanderer und Minderheiten seien ja nicht vergessen und trübten das Glück: "Jetzt hat er es geschafft, er ist einer der mächtigsten Männer weltweit. Und ja, wenn seine Familie aus diesem Ort stammt, kann man eigentlich stolz darauf sein, und hat trotzdem den Wahlkampf noch im Kopf", sagt Jaworek. Deswegen sei es im Moment noch "ein Spagat, wo sich der ein oder andere Bürger sicher auch noch schwertut zu sagen, wir sind stolz drauf, dass ein Nachfahre aus unserem Ort US-Präsident geworden ist".
In der Vitrine vorm Weingut Heinz kündet eine Flasche Ketchup neben dem einheimischen Riesling davon, dass die Kallstadter Trauben-Anbauer große Stücke auf die verwandten Tomaten-Verwerter in Pittsburgh halten. Keine Hinweis-Tafel erinnert dagegen an die Vorfahren Trumps. Nach Ansicht der AfD im Mainzer Landtag muss sich das ändern.
Rheinland-Pfalz solle Konzepte für eine Themenroute "Deutsche Auswanderer" quer durchs Land erarbeiten. Anstatt auf Karl Marx, Trier und chinesische Touristen zu setzen, lieber Trump und Kallstadt promoten, damit Amerikaner anlocken. Der "Kallstadt-Effekt" der US-Präsidentschaft – absehbar, meint die AfD.
Wallfahrtsort für Trump-Anhänger will der Winzerort nicht werden
Bislang aber: kein Konzept, kein Opa-Trump-Denkmal und auch noch keine Pilgerströme. Kallstadts Bürgermeister Jaworek nimmt sich neben seinem Job bei der BASF Ludwigshafen gelegentlich Zeit, orientierungslose Journalisten zu den Stätten der "donaldinischen" Vorfahren zu führen. Obwohl er gemeinsam mit der SPD-Beigeordneten für Tourismus strikt dagegen ist, aus Kallstadt einen Wallfahrtsort für Rechtspopulisten zu machen.
Von der Deutschen Weinstraße biegt Jaworek in ein Gässchen ab, den Stichelpfad. Wo die Gasse in eine Nebenstraße mündet, wird es interessant für alle, die nach dem Kallstadt-Gen forschen, der Keimzelle für Unternehmergeist und politischen Erfolg.
"Wir stehen hier im Prinzip vor diesem Haus, das ist das Trump-Anwesen, aus dem die Familie Trump dann nach USA gegangen ist", sagt Jaworek. "Also kein riesiges Gebäude, sondern wie hier im Umfeld das eher kleine Gebäude sind." Ein früheres Weingut, schlicht weiß getüncht mit hellblauem Tor. Klingeln? Besser nicht. Die Bewohner sind nämlich schwer genervt vom Trump-Medien-Rummel und hatten rund um die US-Wahl ein Schild rausgehängt, das sie ihr Haus wegen des Belagerungszustands verkaufen wollen.
Mit "Donald", wie die meisten hier den umstrittenen republikanischen Präsidenten nennen, haben die Bewohner nichts zu tun. Nur zufällig leben sie im Haus von dessen Großvater Friedrich Trump.
"Also, der Friedrich Trump hat nach dem Besuch der Volksschule in Kallstadt eine Baderlehre gemacht, also den Friseurberuf gelernt, und hat damals nicht gleich eine Anstellung gefunden, so schreibt er selbst, und hat sich entschlossen, nach Amerika auszuwandern", weiß Roland Paul, Auswanderungs-Experte vom Pfälzischen Institut für Geschichte in Kaiserslautern. "Er war einfach auf der Suche nach besseren wirtschaftlichen Möglichkeiten".
Donalds Opa Friedrich – ein illegaler Auswanderer
Friedrich, später Frederick, war dann mal weg. Über Nacht. Mit 16. Als UMF, unbegleiteter minderjähriger Flüchtling. Ohne genehmigten Auswanderungsantrag, wie es in der zu Bayern gehörigen Pfalz vorgeschrieben war, konstatiert der Historiker Roland Paul.
Er habe das Land im Grunde illegal verlassen: "Er hätte möglicherweise auch gar keine Auswanderungsgenehmigung vom bayrischen Staat bekommen, weil er hier noch seine Militärdienstausbildung hätte ableisten müssen. Da hätte er noch zwei Jahre warten müssen, dann wäre der Militärdienst angestanden, und erst danach hätte er auswandern können."
Frederick scherte sich aber nicht um die Vorschriften, er fing in New York als Friseur an. Helmut Schmahl forscht am Institut für Geschichtliche Landeskunde der Uni Mainz zur Auswanderung.
Ankunft in "Little Germany" in New York
Der Historiker weiß, dass es in Manhattan damals noch das Quartier Little Germany gab. Dort habe es schon ein Netzwerk gegeben, von Menschen, die man kannte, aus der gleichen Heimatregion. "Man hat alles in deutscher Sprache bekommen können, Zeitungen. Man konnte beim deutschen Metzger einkaufen, sich beim deutschen Barber rasieren lassen", erläutert Schmahl. "Man hat zugleich das Leben in Amerika allmählich kennengelernt und ist dann nach einigen Jahren oder Jahrzehnten weiter gezogen ins Landesinnere."
Auch Frederick Trump zog weiter in den Wilden Westen und verdiente an den Goldgräbern die ersten Nuggets, mit denen seine Dynastie in der Folge das New Yorker Immobilienvermögen aufbaute.
Trumps Großvater verdiente auch als Bordell-Betreiber
Als Wirt, Hotelier und - Bordellbetreiber - Frederick war flexibel im Service, das entnimmt Roland Paul den historischen Quellen, allerdings: "Wo er jetzt das meiste Geld gemacht hat, ob mit dem Bordell oder dem Restaurant oder dem Hotel, dass lässt sich sicher heute nicht mehr genau ermitteln."
Ein illegaler Auswanderer, der in der neuen puritanisch geprägten Heimat die Prostitution anheizt – das dürfte keine Geschichte nach dem Geschmack der AfD sein, die den "Kallstadt-Impuls" für den rheinland-pfälzischen Tourismus ausschlachten will.
Frederick Trump kehrte übrigens noch ein paarmal besuchsweise nach Kallstadt zurück. Und heiratete dort 1902 ein Nachbarmädchen aus dem Dorf, Elisabeth Christ. "Ihr musste er versprechen, dass er mit ihr wieder zurückkommt, falls es ihr in Amerika nicht gefällt, und es hat ihr nicht gefallen", erzählt Schmahl. "Und deshalb ist die Familie – in der Zwischenzeit hatten die eine kleine Tochter - wieder zurückgekommen 1905, und dann stellte er den Antrag, wieder bayrischer Staatsbürger zu werden, und das ist ihm nicht gewährt worden. Der bayrische Staat habe Nein gesagt, erzählt Schmahl: "Du bis damals ohne behördliche Genehmigung ausgewandert und hast mittlerweile die amerikanische Staatsbürgerschaft. Geh wieder dorthin, wo du hergekommen bist mit deiner Familie."
Friedrich Trump habe mehrere Versuche unternommen, mehrere Schreiben an die bayrische Regierung geschickt. "Sogar an den Prinzregenten Luitpold geschrieben, aber es hat alles nichts genutzt, man hat ihn regelrecht ausgewiesen."
Opa Trump als Abschiebe-Opfer
Frederick, Abschiebe-Opfer der bayrischen Obrigkeit, mehrte in Übersee noch 13 Jahre lang sein Vermögen, bevor er 1918 starb, keine 50 Jahre alt. Seine Witwe Elisabeth Trump, geborene Christ, gründete ein Immobilienunternehmen. "Mithilfe ihrer Söhne, und der eine Sohn, der Vater von Donald Trump, hat das dann zur Blüte gebracht." Natürlich habe der auch Unterstützungsgelder verwenden können. "Zum Beispiel in den 30er-Jahren, im Zuge des New Deal. Und so hat die Familie eben ein Millionenvermögen aufgebaut."
In das Donald dann hineingeboren wurde. Er hat seiner geschäftstüchtigen deutschen Großmutter also einiges zu verdanken.
Die Oma war Immigrantin, der Enkel wettert gegen Einwanderer
Dass ihr Enkel mit dem Geld der Familie eine millionenschwere einwandererfeindliche Wahlkampagne finanzierte – vielleicht wäre es der US-Immigrantin gar nicht recht. Doch das ist reine Spekulation. Fest steht: Je heftiger Trump den Polit-Rowdy gab, desto mehr rückte der Heimat-Ort von ihm ab. Die Inthronisierung des verlorenen Enkels als US-Präsident - kein Grund für Kallstadter anzustoßen. Trump ist ja erklärter Abstinenzler und könnte das Schwelgen in mineralischen Geschmacksnoten ohnehin kaum verstehen.
Kein Glückwunsch-Riesling aus der Ahnen-Heimat
In der rustikalen Probierstube des Weinguts Christ testen Kunden die hauseigenen Kreationen und erinnern daran, dass Kallstadt 1953 Krönungswein nach Großbritannien ausführte. Jungwinzerin Dominique Christ hatte eigentlich eine Vision: Kallstadt sollte edle Tropfen zur Amtseinführung des US-Präsidenten liefern.
Doch nach der Trump-Kür hat die Jung-Winzerin den Plan ad acta gelegt, will dazu auch nichts mehr sagen. Was der Rechtsaußen-Republikaner für Kallstadt noch bringt – zu ungewiss, wehrt sie am Telefon ab. Fazit: Kallstadt zieht nicht mit beim Vorschlag der rheinland-pfälzischen AfD, die Spurensuche nach Vorfahren Trumps touristisch zu vermarkten.
"Nicht jede Publicity ist gute Publicity", heißt es im örtlichen Fremdenverkehrsbüro. Ohnehin hat Kallstadt außer den schmucklosen Häuschen der Trump-Vorfahren nichts zu bieten, was sich als Wallfahrtsort für die Anbeter der Sturmfrisur eignen würde.
Außerdem, so weiß der Historiker Helmut Schmahl, interessieren sich die meisten Amerikaner zwar brennend für Ahnenforschung, allerdings nur innerhalb der eigenen Dynastie. "Und von daher habe ich schon sehr oft bewegende Momente mitbekommen, wenn ein Amerikaner die Kirche besucht, in der schon sein Urgroßvater getauft wurde, oder wenn er beim Pfarrer die Stelle im Kirchenbuch sieht, wo der Name seines Urgroßvaters steht. Wenn man mal das Haus besucht, vielleicht zum Kaffeetrinken eingeladen wird, wo die Vorfahren herstammen." Aber es gehe um die eigene Familie, um die eigene Identität, nicht um die Verehrung von Promis, stellt Schmahl klar.
Insofern ist bizarrerweise für den Auswanderungs-Tourismus nur ein wissenschaftliches Institut relevant, und zwar das Institut für Pfälzische Geschichte in Kaiserslautern. Seit knapp 40 Jahren erforscht Roland Paul dort Auswanderer-Historie.
"Jeder Pälzer hat än Unkel in Amerika", sagt der Volksmund
Als Direktor ging er soeben in den Ruhestand, nicht aber als Forscher, die Materie ist weiterhin ergiebig, denn – wie der Volksmund sagt: "Jeder Pälzer hat än Unkel in Amerika."
Und viele dieser "Unkel" und Tanten kommen einmal im Leben nach Kaiserslautern, um mehr über ihre Ahnen zu erfahren. Die verließen die von Kriegen, Hungersnöten, Missernten und politischen Umwälzungen besonders geschüttelte Pfalz großenteils in wirtschaftlicher Not. Nur in Ausnahmefällen wurden sie politisch verfolgt, wie im Umfeld des Hambacher Fests von 1832 oder der 48er-Revolution.
In Kaiserslautern können US-Familienforscher eine Kartei mit Namen von pfälzischen Auswanderern durchforsten. Roland Paul fand das Verzeichnis schon vor, als er Ende der 70er-Jahre hier anfing. Die Kartei sei im Ausland, zumindest unter Leuten, die sich mit Familiengeschichte und Auswanderungsgeschichte beschäftigen, relativ bekannt, sagt er. "Es kommen manchmal im Sommer täglich Besucher oder Besuchergruppen zu uns, die Daten suchen in unserer Auswandererkartei, die beispielsweise nur den Namen ihrer Vorfahren wissen, aber nicht wissen, wo sie hergekommen sind. Und viele von diesen Besuchern werden dann in unserer Auswandererkartei fündig und sind dann ganz happy, das wir ihnen weiterhelfen konnten."
Elvis Presley glaubte sein Leben lang, er habe schottisch-irische Wurzeln. Gern hätte der King of Rock'n'Roll Genaueres über seine europäischen Ahnen gewusst. Seinen Militärdienst bei der US-Army leistete der 23-jährige GI in Mittelhessen ab, zwei Jahre lang wohnte er in Bad Nauheim - nur 160 Kilometer nördlich von Hochstadt, der wahren südpfälzischen Heimat seiner Vorfahren. Doch dass Presley die anglisierte Form des deutschen Familiennamens Pressler ist, das wusste der Ausnahme-Musiker damals nicht.
"Der Ur…-Oba vom Elvis kummt aus Houschd"
In Zusammenarbeit mit zwei US-Ahnenforschern fand der Heimatkundler Gerd Pressler aus Hochstadt, alias Houschd, die Verbindung zwischen seiner und Elvis' Familiengeschichte erst vor 20 Jahren heraus: "Der Presslers Gerd, der wäß genau/ un' sacht, wenn äner frocht/ Der Ur-ur-ur-ur-ur-Oba vom Elvis – kummt aus Houschd!"
Donald Presley, Elvis-Cousin sechsten Grades, war gemeinsam mit dem Historiker Edward Dunn darauf gestoßen, dass sich der Name Pressler in Hochstadt häuft. Konnte es sein, dass Johann Valentin Pressler, Elvis-Ahne in zehnter Generation, im Jahr 1709 von hier über London in die Neue Welt aufgebrochen war? Brieflich fragten die beiden US-Amerikaner den Regionalforscher und mutmaßlichen Elvis-Verwandten, ob sie vor Ort ihre Forschungen weiterführen könnten, ob Gerd Pressler ihnen helfen könnte. "Und das habe ich dann getan, denn es war nicht allzu schwer, den Valentin Pressler auf Hochstadt zu lokalisieren."
Jedenfalls, wenn man im Entziffern historischer Kirchenbücher so sattelfest ist wie der pensionierte Schulleiter Pressler. "Der Elvis aus der Palz - na ja gut, än richtigen Pfälzer wundert das nicht, wir haben so viel berühmte Leute in Amerika."
Außer Trump und Heinz auch eine fiktive Figur: der Romanheld Lederstrumpf geht auf einen Emigranten aus Edenkoben zurück.
Santa Claus – ein Pfälzer "Pelzenickel"
Und der gemütliche Santa Claus ist in Wahrheit ein pfälzischer "Pelzenickel" – eine Figur aus der Feder des Auswanderers Thomas Nast. Der Begründer der amerikanischen Karikatur – hierzulande bislang so gut wie unbekannt, sogar an seinem Geburtsort Landau. Den verließ Thomas Nast als Sechsjähriger Mitte des 19. Jahrhunderts, zunächst nur mit seiner Mutter.
"Nast ist ein typischer Wirtschaftsflüchtling gewesen, denn die Umstände unter denen die Familie lebte, waren alles andere als verträglich und auskömmlich", sagt Hubert Lehmann, Vorsitzender des Landauer Thomas Nast-Vereins. "Das war Not."
Weil er so jung in New York ankam, integrierte sich Nast schnell. Er lernte schlecht und zeichnete hervorragend. Mit Anfang 20 stellte ihn das renommierte New Yorker Wochenblatt "Harpers Weekly" ein.
Fortan kämpfte er mit spitzer Feder für eine freie und gleiche Einwanderungsgesellschaft - wie in "Uncle Sam's Thanksgiving Dinner". In dieser Zeichnung verkörpert Uncle Sam Amerika in der allegorischen Figur des freundlichen Gastgebers. Der schneidet einen Truthahn an. "Und an einem großen, großen, langen Tisch sind alle Nationen versammelt, alles, was da eingewandert ist, Franzosen, Chinesen, Indianer, Schwarze. Alles sitzt da einträchtig beisammen, mit fröhlichen Gesichtern, und sie kommunizieren miteinander. Man sieht, die Menschen reden miteinander", erläutert Hubert Lehmann.
Motto der Zeichnung "Come one, come all – free an equal". Willkommenskultur à la Nast. Der Nast-Verein braucht keine Auswandereroute, um den US-weit geachteten Karikaturisten auch in Deutschland bekannt zu machen. Sondern vor allem mehr Sponsoren, so Edelgard Schneider-Jahn vom Vereinsvorstand: "Wir könnten ja so eine kleine europäische Dependance machen, in Landau."
Dazu aber wäre mehr nötig als eine Gedenktafel an der historischen Landauer Kaserne, in der die Familie wohnte, heute Thomas-Nast-Platz mit kleinem Denkmal immerhin. Aber Ausstellungsflächen, klimatisierte Räume - alles derzeit nicht in Sicht, deshalb bleiben die Karikaturen in den Archiven von Landau und Speyer geparkt.
Unerwartete Hilfe gab es soeben aus dem benachbarten Elsass. Das Tomi-Ungerer-Museum in Straßburg organisierte 2016 die Gemeinschaftsausstellung "Uncle Sam, Thomas Nast und Tomi Ungerer. Eine politische und soziale Satire Amerikas". Die Schau mobilisierte mehr als Zehntausend Besucher.
Die beiden Landauer Vereins-Vorstände sind nach Straßburg gereist, um die Nast-Leihgaben wieder abzuholen. Gelegenheit, gemeinsam mit der Museumschefin im Erfolg zu schwelgen. Thérèse Willer ist glücklich, mit der Doppelausstellung deutsches Publikum ins Ungerer-Museum gelockt zu haben.
Der Urvater des US-Cartoons
Die beiden vom Nast-Verein freuen sich, dass der Urvater des US-Cartoons gebührend gewürdigt wurde. Der auch als Kinderbuch-Illustrator populäre Ungerer war selbst Mitte der 1950er-Jahre für anderthalb Jahrzehnte in die USA emigriert, rund hundert Jahre nach Nast. Der Elsässer Satiriker versteht sich als Nasts politisch-künstlerischer Nachfahre - mit ähnlichen Botschaften, die Thérèse Willer so umreißt: "Tomi Ungerer engagiert sich immer noch für die Verteidigung von Minderheiten, für Gerechtigkeit, Gleichheit, Toleranz und gegen Rassismus." Da sei er Nast nahe.
Trump ist Immobilien-Tycoon, Nast karikierte reiche Spekulanten
Der Satiriker forderte in seinen Karikaturen, die Sklaverei zu beenden und Schwarzen gleiche Rechte zu geben. Ein wenig wirkt der Landauer Emigrant Nast wie das historische Gegenprogramm zum Auswanderer-Enkel Trump. Jedenfalls zückte der Begründer der US-Politsatire seine Feder gern gegen Spekulanten, die riesige Vermögen anhäuften.
Von der spitzen Feder noch einmal zurück zum samtenen Bariton. Dass Elvis Presleys Urahn aus Hochstadt, alias "Houschd" stammt, war vor 20 Jahren "breaking News" in der Südpfalz, erinnert sich der Landauer Musiker Michael Bernzott: "Anfangs Skepsis und Zweifel: 'ach jo, was babbeln die do, des gibt’s doch gar net'." – Das war seine Reaktion. "Aber, haben wir gesagt, 'ja gut, jetzt wissen wir, warum hier alles abgeht', oder umgekehrt, warum Elvis so war'. War 'n Pälzer!"
Bernzott, damals Chef der Band "Van de Palz", griff zur Feder und komponierte "Rock 'n' Roll from the Palatinate".
"Palatines" sprechen Dialekt, statt Englisch
"Im 18. Jahrhundert war tatsächlich die Zahl der Pfälzer, der Menschen, die aus der Kurpfalz oder aus dem Herzogtum Pfalz-Zweibrücken oder anderen Territorien im Gebiet der heutigen Pfalz nach England, nach Irland, nach Amerika ausgewandert sind, so groß, dass man alle Deutschen, die dann dort gelandet sind, als 'Palatines' als Pfälzer bezeichnet hat", erzählt Roland Paul. Die Vereinfachung spiegelte auch wieder, dass sich die Pfälzer in der neuen Heimat dialektmäßig durchsetzten. "Wenn man heute nach Pennsylvania kommt, kann man sich in unserem pfälzischen Dialekt ganz gut mit den Pennsylvanien-Deutschen, ich denke jetzt vor allem auch an die Amish People, unterhalten, das habe ich selbst auch schon oft getan und bin immer wieder erstaunt, wie unser Pfälzisch dann doch gut verstanden wird."
"Überfremdet" von Pfälzer Bauernlümmeln
Die englischsprachigen Kolonisatoren, die zuerst die Indianer vertrieben und das Land besiedelt hatten, schauten mit Sorge auf das, was Rechtspopulisten heute "Umvolkung" nennen.
"Zum Beispiel hat Benjamin Franklin, einer der führenden Intellektuellen Nordamerikas, 1751 angesichts der 'Überfremdung' durch deutsche Einwanderer mal gesagt, dass man es nicht erlauben sollte, dass die Pfälzer Bauernlümmel, 'palatine boors', nach Pennsylvania eindringen, und die Kolonie germanisieren, anstatt dass sie anglisiert werden", konkretisiert der Migrationsforscher Helmut Schmahl.
Der Elvis-Vorfahr – ein mutmaßlicher Integrationsverweigerer
"Integrationsverweigerer" würde man die Pfälzer Flegel heute nennen. Elvis-Vorfahr Valentin Pressler – wohl einer von ihnen. Nach einem New Yorker Intermezzo kam er 1749 nach Philadelphia. Der Landauer Mundart-Bandchef Bernzott hat Valentin ein paar Verse in den Mund gelegt:
"I come from Houschd, and my name is Pressler/ my hobby is to sing/ and I'm a vine dresser." - Als "Vine dresser", also Winzer, hatte Elvis' Uropa in zehnter Generation in der Pfalz geschuftet.
In einer besonders harten Zeit, weiß der Historiker Helmut Schmahl: "1708 gibt es hier in Europa den kältesten Winter seit Menschengedenken, sodass es zu einer Hungersnot kommt." In dieser Zeit habe die Regierung der Kolonie New York Werbung um Ansiedler geworben. "Und es wird genau in dieser Region geworben – in der Pfalz, von der man wusste, dass sie vom Krieg besonders betroffen ist und von der Hungersnot. 1708/1709 markiert also die erste deutsche Gruppenauswanderung, die immerhin 13.000 Menschen umfasste." Zwar sei nur ungefähr die Hälfte von ihnen in Amerika angekommen. "Aber das war so die erste Basis von Auswanderern, die später viele andere nachgeholt haben."
Die Promi-Vorfahren: alles andere als Muster-Immigranten
Was sich also lernen lässt auf einer auswanderungstouristischen Exkursion durch Rheinland-Pfalz: Deutsche Vorfahren von US-Promis machten ihren Herkunfts- und Aufnahmegesellschaften durchaus zu schaffen - als Integrationsverweigerer, verarmte Wirtschafts- und Wehrdienstflüchtlinge.
Anlass, die Promi-Ahnen volkstümelnd zu glorifizieren, gibt es nicht, anders als die AfD das vielleicht gern hätte. Migration ist einfach ein Normalfall in der Geschichte, hält der Auswanderungsforscher Helmut Schmahl fest. "Menschen, die auswandern, nehmen so viel von der neuen Heimat an wie nötig. Und behalten so viel von ihren alten Bräuchen bei wie möglich", sagt er. "Man ist schon bemüht, sein kulturelles Gepäck, zumindest in der ersten Generation, zu bewahren."
Dumm, nicht demokratisch – deutsche Problem-Immigranten
Benjamin Franklin hielt die deutschen Auswanderer für die Dümmsten und Unwissendsten ihrer Nation, er warf ihnen vor, mit der freiheitlich-demokratischen Leitkultur ihrer neuen Heimat nicht klar zu kommen und sich in Parallelgesellschaften zurückzuziehen. Auch das eine Konstante der Migration: Oft wird erst Generationen später klar - die Neuen, ein Gewinn. Auswanderer-Enkel Trump kann das beweisen – oder widerlegen. Hans-Joachim Bender, verwandt mit Trump, fürchtet jedenfalls: "Wenn der Beck' schießt, simmir draa" - Wenn Trump Böcke schießt, sind die Kallstadter dran, meint der Mittsiebziger.
Ketchup-Heinz sponsert Orgel-Renovierung
Sollte Donald in Kallstadt seine Familiengeschichte erkunden wollen, sei er aber willkommen, sagt Edelgard Kellermann hinterm Tresen vom "Saumagen-Paradies". Hans-Joachim Bender ist da anderer Ansicht: "Also, den Trump, den brauchen wir nit." Kallstadt komme auch weiterhin wunderbar ohne den neuen US-Präsidenten aus. Mit einer kleinen Einschränkung allerdings: Ein Finanzier für die Sanierung des Kirchturms wäre durchaus willkommen. Heinz hat schon was für die Orgel spendiert. - "Ja, ja, der Ketchup – der hat Geld für die Orgel-Renovierung gegeben." Auf Trumps Zuschuss wartet Kallstadt noch.