Jakob Thomä: "Der Kill Score"

Tod durch Lebenswandel

05:51 Minuten
Das Buchcover zeigt die Illustration einer auf den Betrachter gerichteten Pistole auf orange-farbenem Grund
© Klett-Cotta

Jakob Thomä

Der Kill ScoreKlett-Cotta, Stuttgart 2022

304 Seiten

Von Johannes Kaiser |
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Wie viele Menschen sterben indirekt durch unser Konsumverhalten und unsere Wirtschaftsform? Dieser Frage geht der Nachhaltigkeitsforscher Jakob Thomä nach. Sein Fazit ist ernüchternd: Tausende! Aber schon kleinste Änderungen könnten viel bewirken.
Es ist ein ungewöhnlicher Ansatz, den der Autor hier bewusst gewählt hat, um uns wachzurütteln, denn die bisherigen Versuche, uns zum nachhaltigen Leben zu bewegen, seien nicht besonders erfolgreich gewesen. Das liege auch daran, so Thomä, dass wir die Zahlen, die uns vorgesetzt würden, kaum einordnen könnten.
So erfahren wir zwar, dass die CO₂-Konzentration in der Atmosphäre von 350 auf über 400 Kohlenstoffpartikel pro Million Teilchen gestiegen ist - eine Gefährdung des Klimas. Doch darunter können wir uns kaum etwas vorstellen. Todesfälle dagegen seien konkreter: Menschen sterben weltweit, weil wir so leben, wie wir leben.
Der Autor forscht seit über zehn Jahren zu Nachhaltigkeit. Er zeigt anhand konkreter Beispiele, wie viele Tote wir durch unseren Lebenswandel verursachen. Wir sind nicht nur Opfer, sondern auch Täter.

Auch eine Kriminalgeschichte

Fünf Tatorte nennt das Buch, und widmet jedem ein Kapitel: dem Klimawandel, den Abfallbergen, der Arbeitswelt, dem anonymen Konsum und den Kriegen und Konflikten. In jedem dieser Kapitel geht Thomä detailliert der Frage nach, wer und was für wie viele Tote verantwortlich ist.
Eine Spurensuche wie in einem Mordfall. Deshalb nennt er sein Buch auch eine Kriminalgeschichte.
Das liest sich leicht und ist gut verständlich formuliert. Thomä versteht es, abstrakte Zahlen in konkrete Beispiele zu übersetzen und erzählt dazu konkrete Geschichten. So beginnt das Kapitel "Klimawandel" mit dem Hitzetod eines Sechsjährigen in Tokio, einem von mindestens 135 000 Hitzetoten im vergangenen Sommer.

Der Tonfall ist bisweilen zu flapsig

Verantwortlich dafür sei unser verschwenderischer Lebensstil im Westen. Es ist ein indirektes Töten, das uns nicht bewusst ist und Thomä uns vor Augen hält.

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In jedem Kapitel rechnet er detailliert vor, wie viele Tote jeder dieser Bereiche verursacht. Bisweilen allerdings versinkt er in Zahlen und Statistiken. Da ist ihm schwer zu folgen. Auch seine bisweilen flapsigen Formulierungen wirken unangebracht.

Schuldig im Sinne der Anklage

Am Ende des Buches steht eine fiktive Gerichtsverhandlung mit Anklage und Verteidigung, und schließlich ein Urteil. Das differenziert durchaus zwischen Mord und Totschlag, zwischen persönlicher Schuld eines jeden und der gesamtgesellschaftlichen Schuld durch Politik und Wirtschaft.
Es läuft letztendlich darauf hinaus, dass wir unseren individuell anrechenbaren ‚Kill Score‘ durchaus durch verändertes Verhalten senken könnten. Selbst kleine Veränderungen, so Thomä, seien sinnvoll, wie zum Beispiel vom Auto auf das Fahrrad umzusteigen oder unser Geld nur in Fonds anzulegen, die wirklich nachhaltig und klimaneutral investieren, oder die richtige Partei zu wählen. Alles sei sinnvoll, was den ökologischen Fußabdruck und damit den Kill Score minimiere.
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