Der König des multikulturellen Kitschs

Von Daniela Mayer |
Seit einem Besuch in der DDR 1983 ist Lukas Plum dem billigen Kitsch verfallen. Seitdem importiert er bunte und außergewöhnliche Alltagsgegenstände aus aller Welt. Sein Versandhandel, der Ok-Versand, ist zur ersten Adresse von Stars, Requisiteuren und Fans der Trashkultur avanciert.
Es kruschelt, klappert, klimpert und kracht. So klingt Einkaufen in der Kölner Filiale des O.k.-Versands. Kleinteiliger, in Körben aufgetürmter Krimskrams zieht Hände magisch zum Wühlen in Blech und Plastik an.

Es riecht nach Gummi und parfürmierten Kerzen. Und von den Regalen schreien die Farben. Das schrille Pink mexikanischer Schneebesen, das wässrige Blau südkoreanischer Badewannen-Saugnapf-Hasen, und das frische Grün chinesischer Gieskannenkatzen. Ein Paradies voll Kitsch und Ramsch oder präziser gesagt voll:

"außergewöhnlicher Alltagsgegenstände".

So bezeichnet Lukas Plum sein Sammelsurium. Er ist der Besitzer, Verkäufer, Importeur und damit Herr des prächtigen Plunders.

Ruhig und gelassen verwaltet der hagere 43-Jährige seine Schätze hinter einem Plastikvorhang aus afrikanischen Gefriergemüsepackungen –am Holztisch, asketisch in Jeans und T-Shirt mit zerzaustem, braunem Haar. Über 300 skurrile Objekte hat er allein in Köln um sich getürmt. Weitere Kuriositäten stehen in der Filiale in Berlin und füllen einen eigenen Katalog. Alle entsprechen seinem wichtigsten Kriterium:

"Dass es ein Gebrauchsartikel ist, also alles, was hierzulande gebräuchlich ist, aber einfach nicht der hiesigen Ästhetik entspricht."

Wie zum Beispiel die marokkanische Kuhhorngarderobe, die iranische Zahnpastaquetsche oder dieses Exemplar:

"Multilotto heißt das, das ist ein bisschen so was der frühe Gameboy der Sowjetzeit, erstaunlicherweise aber mit Disneymotiven."

So was kann den pragmatischen Geschäftsmann aus der Reserve locken. In einer extra eingerichteten Abteilung für russisches Spielzeug nutzt er seine knappe freie Zeit für ein Spielchen, setzt das Multilotto mit seinen schmalen Fingern in Bewegung.

"Man kann also hier den Stift betätigen und dann hab ich also zweimal Daisy und einmal Donald, das ist leider eine ziemliche Niete. Noch mal probieren, da! Dreimal Goofy! Nach dem fünften Versuch hab ich 55 Punkte."

Herzlichen Glückwunsch! Lukas Plum ist Ästhet auf seine Art, liebt, was schräg, bunt, billig und genial einfach ist.

"Wenn jemand eine Küchenreibe macht und dafür einfach ein Stück Blech nimmt, mit Hammer und Nagel 20 Löcher rein haut, damit man damit reiben kann, das ist einfach so unglaublich, weil’s einfach eine Idee ist von einer ganz anderen Welt."

Mit dieser Faszination fürs Andersartige hat auch alles angefangen.

"1982 in Dresden, dass da einfach nur Salz auf einer Salztüte steht und mit so einem schönen 50er Jahre Muster drauf, das war einfach so verschieden, das ich das äußert spannend fand."

So spannend, dass der damalige Kunststudent beschloss, sich nicht mehr der Architektur, sondern der Ostplaste zu widmen.

"Der erste Artikel, wo ich mir eigentlich völlig klar war, war ein Seifenhalter, der auf Saugnäpfen steht, so wie eine futuristische Antenne sieht der aus, da hab ich gleich drei-vierhundert Stück bestellt. Und siehe da, es kamen alle in weiß, d.h. ich hab fünf Jahre gebraucht, um die zu verkaufen, weil kein Mensch weiß wollte… Und so macht man seine ersten Erfahrungen."

Inzwischen ist Lukas Plum Profi, kauft Produkte aus Indien, Russland, China, Afrika und anderen entlegenen Winkeln der Welt – meistens per Internet, Post und E-Mail.

"Ich bin leider nicht der Reiseonkel geworden, der mit großen Tüten zurückkommt."

Sagt er ein wenig desillusioniert. Immer selbst zu reisen sei zu teuer, den Einkauf übernehmen Händler, Bekannte und Freunde vor Ort. Das heißt, wie Lukas Plum aus eigener Erfahrung weiß,

"Sich die Füße wund zu laufen, schlichtweg."

Angefangen beim Küchenwarenladen, bis zum Kiosk und Pfandleiher.

"Da kann ich guten Gewissens auch behaupten, dass es die nirgends in Westeuropa zu kaufen gibt."

Das ist für Lukas Plum entscheidend. Er sucht das Alltägliche am Rande der globalisierten Märkte.

"Die Sachen, die ich hier anbiete, sind zu 99 Prozent Sachen, die nicht für den Export gedacht waren. D.h. das sind Sachen, die die Leute für sich, vor Ort für den eigenen Markt herstellen und auch ihre eigenen Preise damit haben. Und insofern unterstützt man damit auch lokale Produktionen."

Wie zum Beispiel diese:

"Regenmäntel aus Bulgarien. Die konnte ich zeitweise nicht bekommen, weil der Mann, der die produziert hat, hat sich jetzt für den Bürgermeisterposten beworben. Ein halbes Jahr später hab ich sie wieder bekommen. Ich nehm an, er ist nicht Bürgermeister geworden."

Genau solche Geschichten geben den Produkten die Exotik und Authentizität, die der Massenkonsum gewöhnte Kunde offensichtlich so reizvoll findet.

Längst haben Lifestyle-Magazine, Filmrequisiteure und Promis den o.k.-Versand zum Kult stilisiert - weil alles so schön eigenwillig ästhetisch ist. Und genau das, findet Lukas Plum,

"unterscheidet einfach schönen Ramsch vom schlechten Ramsch."
Blick in die Berliner Filiale des Ok-Versands
Blick in die Berliner Filiale des Ok-Versands© Lukas Plum/Ok-Versand