Der Körper in der Kunst

Von Susanne Nessler · 08.09.2005
Drei Künstler, die den menschlichen Körper zum Ausstellungsobjekt machen, stehen im Mittelpunkt dieses Buches. Es sind der Anatom und Plastinator Gunther von Hagens, der Fotograf Michael Brendel und der britische Installationskünstler Damien Hirst. Der Inhalt richtet sich eher an Kunstexperten, die wissenschaftliche Abhandlungen schätzen.
Hühnerknochen auf dem Buchdeckel und Schweinehälften zwischen den Seiten. Ein Buch über Fleisch in der Kunst, das auf den ersten Blick an eine Abhandlung über Schlachtabfälle erinnert. Doch es geht um drei große Künstler, die den Körper zum Ausstellungsobjekt machen und zwar nicht durch Bemalung oder Tatoos.

Es geht um den Fotografen Michael Brendel aus der Ex-DDR, den britischen Installationskünstler Damien Hirst und den Heidelberger Anatom und Plastinator Gunther von Hagens.

Brendel fotografiert Blutlachen und Gewebeteile, Hirst stellt echte Schweine- oder Kuhhälften aus und von Hagens ist mit seiner Ausstellung Körperwelten bekannt geworden.
Die Autorin Käthe Wenzel, unterzieht die Werke einer genauen Analyse, mit dem Ziel: die Stellen zu finden, an der Kunst und Medizin sich treffen:

" Was für mich interessant war, als ich das Buch geschrieben habe, war die Auseinandersetzung mit dem Aspekt der Authentizität. Es ist ja so, dass die Künstler, die im 20. Jahrhundert den richtigen Körper benutzen in ihren Arbeiten - also wenn Jenny Holzer Druck macht mit echtem Blut oder wenn Michael Brendel Tierorgane einlegt oder wenn Damian Hirst den Tigerhai konserviert ausstellt - dann geht es immer darum, das durch diese Echtheit, der Zwischenraum zwischen dem Betrachter und dem Kunstwerk überbrückt werden soll. "

Die angestrebte Authentizität wird allerdings meist nicht erreicht, schreibt die Autorin. Denn Fleisch und Körperfragmente, naturgetreu nachgebildet oder konserviert, üben auf den Betrachter eine sehr zwiespältige Faszination aus. Was für die Künstler so wie zum Beispiel für einen Arzt Alltag ist, provoziert den Betrachter. Die Folge ist eine enorme Distanz zwischen Kunstwerk und Betrachter. Genau das wollen die Künstler aber gar nicht.
Dieser Standpunkt wirkt zunächst einleuchtend, da die Argumentation der Autorin in sich stimmig ist. Insgesamt reduziert sich dadurch aber das Thema Körper in der Kunst auf eine sehr enge Sichtweise.

Zur Begründung dieser These, erhält der Leser zunächst einen kurzen historischen Überblick über medizinische Schauobjekte, die seit dem 16. Jahrhundert auf Jahrmärkten ausgestellt wurden. Besonders beliebt waren ausgestopfte Raubtiere und fehl gebildete Föten in Gläsern, die mit Alkohol konserviert wurden.

Ein spannendes Kapitel, das über die Ursprünge und Hintergründe medizinischer Ausstellungen berichtet. Damals stand ganz bewusst nicht die Kunst, sondern die Aufklärung der Bevölkerung und besonders das Gruseln vor den Objekten im Vordergrund.

Bei den Arbeiten des Heidelberger Plastinator Gunther von Hagens ist das heute nichts anders, schreibt Käthel Wenzel:

" Von Hagens Plastinate bieten die Möglichkeit, einen stubenreinen Tod in Augenschein zu nehmen. Schreck und Wunder befinden sich mit der vermittelnden wissenschaftlichen Information in einem prekären Gleichgewicht. Diese Mischung erinnert in ihrem Bemühen um eine frappierende Inszenierung und ihrer ausdrücklichen Betonung des Schauwertes an die Tradition des Panoptikum und der Schaubude im Mittelalter. "

Für die Autorin gibt es hier überhaupt keine Schnittstelle zwischen Kunst und Medizin :

" Wenn man etwas ganz hyperrealistisch macht, ganz ganz genau nachgebildet, dann macht natürlich auch die Bedeutung relativ zu. Dann ist ja relativ klar, was es ist. "

Anders ist dies bei dem Fotografen Michael Brendel. Obwohl - oder gerade weil in der DDR die offizielle Fotografie als Mittel der Dokumentation galt, wurde in der Kunst nach einer anderen Bildsprache gesucht, so die Autorin. Die sehr abstrakte Darstellung von Körperfragmenten ist ein großer Schwerpunkt Brendels, dem das Buch fast ein Drittel seiner Seiten widmet. Ausführlich werden zum Beispiel die Techniken beschrieben, die der Künstler verwendet. Langzeitbelichtungen, Unschärfen, extremen Blickwinkeln und so weiter.
Für ausgemachte Liebhaber dieser Kunstrichtung sind das spannende und interessante Information, für alle anderen Leser wird es hier zu speziell.

Zahlreiche Fotografien und Abbildungen im Anhang geben einen guten Überblick über die verschiedenen Arbeitsstile der Künstler. So kann sich der Leser selber ein Bild über die Wirkung dieser Kunstrichtung bilden. Schade ist allerdings, dass die Bilder nicht direkt neben den Erklärungen stehen. Das würde die Lektüre erheblich erleichtern, weil man sich das ewige hin- und herblättern sparen könnte.

Insgesamt richtet sich das Buch eher an Kunstexperten, die wissenschaftliche Abhandlungen schätzen. Ursprünglich als Dissertation geschrieben, sind viele Formulierungen auch ein wenig umständlich. Die einführenden Kapitel zu den verschiedenen Künstlern und die Seiten über die historischen Hintergründe eignen sich aber für jeden, den das Thema "Fleisch als Werkstoff" interessiert. So dass die Lektüre für Kunstfreunde wie auch für Medizinern zu empfehlen ist, die sich ein Bild über die Welten zwischen Wissenschaft und Ästhetik verschaffen wollen.