Wie gehen wir mit unserem Kulturgut um?
Sie nannten ihre Dorfkirche stolz "Immerather Dom". Allerdings steht das Gotteshaus in der Nähe von Garzweiler II und fällt nun dem Tagebau zum Opfer. Praktisch in letzter Minute hat die Kunsthistorikerin Annette Jansen-Winkeln die aufwendigen Glasfenster der Kirche gerettet.
Der Energieversorger RWE wird die St. Lambertus Kirche, bekannt als Immerather Dom, abreißen lassen. "Es ist ja recht dramatisch, dass nach dem Zweiten Weltkrieg so viele Beschädigungen an den Kirchen vorhanden waren und sehr viel in den Wiederaufbau gesteckt werden musste, und im Zuge des Wiederaufbaus hat sich natürlich die Gemeinde zusammengesetzt und überlegt: Wie möchten wir unsere Kirche gestalten?", sagt Annette Jansen-Winkeln.
In diesem Fall habe man sich für aufwendige Ornamentfenster entschieden. Die Kunsthistorikerin und ihr Ehemann haben mit der Forschungsstelle Glasmalerei eine Reihe der Glasfenster ausgebaut - auf eigene Kosten und unter erheblichem Zeitdruck. "Die Glasmalereien erzählen natürlich die Geschichte der Gemeinde", sagt die Kunsthistorikerin Annette Jansen-Winkeln.
Bistum Aachen hat die Kirche an RWE verkauft
Die aufwendigen Glasfenster seien nicht geschützt worden: "Das größte Problem war, dass das Bistum Aachen die Kirche – frei von Lasten – dann dem RWE verkauft hat mit den Fenstern, mit der Maßgabe, dass die so zu behandeln seien wie Wand", erklärt Jansen-Winkeln. Man habe sie einfach abreißen dürfen. Das sei ein "großer Fehler" des Bistums Aachen gewesen.
Einen Widerstand gegen den Abriss der Kirche selbst hat es schon seit Jahrzehnten gegeben. "Natürlich hat sich die Bevölkerung immer dagegen gewehrt, es gibt auch immer noch Menschen, die im Dorf aushalten und dort immer noch wohnen", sagt die Kunsthistorikerin.
Der "Immerather Dom" sei schon zu Beginn ein identitätsstiftendes Symbol gewesen. Als die Kirche gebaut wurde, habe es in dem Ort 1000 Einwohner gegeben, sagt Jansen-Winkeln. Diese hatten sich für den Bau der Kirche entschieden. "Dass eine so kleine Gemeinschaft so Großes hervorbringt – da muss ja auch viel Sozialkompetenz vorhanden sein."
Die Kunsthistorikerin hat gemeinsam mit ihrem Mann zumindest die Glasmalereien ausgebaut, um sie der Nachwelt zu erhalten. Von den insgesamt 42 Glasfenstern des Doms, die die Künstler Ernst Jansen-Winkeln in den 50ern und Anton Wolff in den späten 70ern verwirklicht haben, konnten 14 gerettet werden.
Dramatisch, wenn man das miterlebt
"Wenn man das vor Ort miterlebt, ist das natürlich besonders dramatisch, denn wir haben nicht mehr geschafft in der kurzen Zeit, die uns (…) zur Verfügung stand, alle Glasmalereien auszubauen", sagt Jansen-Winkeln. Auf der "Schau-Seite" seien vom RWE Fenster entfernt worden, auf der Rückseite würden diese bestehen bleiben. "Wenn der Bagger kommt, werden die dann mit weggebaggert – aber es sieht von vorne so aus als wenn sie alle gerettet worden wären."
Man müsse grundsätzlich überlegen, wie wir mit unserem Kulturgut umgehen wollten. "Mit Geld kann man vieles kaufen, aber unsere Geschichte, unsere Traditionen und unsere Kultur können wir nicht wiederbringen."