Der Kollektivgeist im Gruppenporträt
Müssen Banker nun die Ärmel hochkrempeln? Zumindest in der Deutschen Bank und ihrer Guggenheim-Dependance ist es soweit: Denn dort lässt der polnische Künstler Pawel Althamer eine Fabrik einbauen - und testet in Berlins Mitte die Grenzen des Kunstbetriebs aus.
Über dem Eingang des Berliner Guggenheim-Museums leuchtet ein grünes Schild: "Almech" steht in weißen Lettern darauf - der Name der gleichnamigen Plastikfabrik von Pawel Althamers Vater nahe Warschau. Der Firmenname ist eine Kombination aus Althamer und mechanisch. Betritt man den Kunstraum, steht man sogleich mitten im Produktionsbetrieb: In einem Glasverschlag mit Werkbank gießen Mitarbeiter Gesichtsabdrücke von Bankangestellten, auf Regalen liegen Totenmasken, als wären sie im Sonderangebot. Hinten in der weißen Halle rattert eine Maschine, und mitten im Ausstellungsraum trifft man auf eine große Schar unfertiger Skulpturen: Weiße Stahlskelette, menschengroß und auf Rollen, tummeln sich da in Posen, als wären sie eben erst eingetroffen und erstarrt. Ihre Gerippe sind mit weißen Plastikbandagen umwickelt, manche haben Köpfe, manche nur Stahlringe - als warteten sie noch auf ihr krönendes Haupt. Ein skurriles Bild.
Pawel Althamer kehrt gerne die Prinzipien um, so auch hier: Das Guggenheim holt er nach Polen in die Werkstatt und produziert dort die Skulpturen vor, dann bringt er sie in den Berliner Kunstraum - zur weiteren Verarbeitung. Denn Köpfe und Gesichter bekommen sie erst hier, ganz nach antikem Vorbild.
"Es ist eine römische Tradition, unfertige Skulpturen serienmäßig zu produzieren, sogar eine griechische: Die Köpfe der Kunden wurden dann auf die klassisch gestalteten Körper gesetzt. Damals wurden die Skulpturen aber nur für Reiche gemacht. Heute hingegen wollen wir wirklich Jeden einladen! Gestern haben wir mit Freunden beschlossen, in die Stadt zu gehen und Leute einzuladen, die sonst keine Guggenheim-Besucher sind und an keinen Kunstwelt-Aktivitäten teilnehmen würden. Mein Traum ist, dass sie kommen."
Jeder Besucher kann sich also eine eigene Maske fertigen lassen. Althamer möchte die Menschen durch diesen Prozess mit sich selbst konfrontieren. Die Maske nimmt man nicht mit nach Hause, sondern sie kommt auf eine der unfertigen Skulpturen, wird also Teil der Ausstellung und somit öffentlich. Der Künstler nutzt auch hier eine uralte Tradition: die der Totenmaske - allerdings an Lebenden. Ein makabrer Bubenstreich?
"Früher wurde die Maske gemacht, als es schon zu spät war. Was wir anbieten, ist, sich unter diese Maske für eine halbe Stunde zu begeben und diese Zeit mit sich selbst zu verbringen. Denn wir sprechen hier über physische Kommunikation. Skulptur und Kunstaktivität sind die fantastischsten Beispiele, eine spirituelle Erfahrung auszudrücken, diesen verborgenen Teil unserer Wirklichkeit zu materialisieren, zu berühren, die Erfahrung mitzuteilen."
Nonverbale Kommunikation und Spiritualität sind Kernelemente in der Arbeit Pawel Althamers. Der 44-jährige polnische Künstler hat Selbstversuche mit Hypnose und Drogen unternommen und in seinen Videoarbeiten und Performances verarbeitet. Seelenverwandt fühlt er sich mit den Schamanen, ähnlich wie Joseph Beuys. Sie verkörpern für ihn die Kraftzentren des sozialen Lebens.
"Ich denke, der Schamane war immer eine sehr soziale Person. Seit ich dessen Magie für mich entdeckt habe, ist sie meine Leidenschaft. Denn auch meine Erfahrung bezog sich immer auf die anderen - wie kommuniziert man mit ihnen, und was passiert mit mir dabei. Ich will zu der ursprünglichen schamanistischen Tradition zurückkommen: Hilfe zu leisten, zu kooperieren!"
In seiner Warschauer Nachbarschaft, einer Plattenbausiedlung, ist Pawel Althamer der Local Hero. Erfolgreich bezieht er die Hausbewohner in seine Projekte im öffentlichen Raum mit ein. Partizipation ist Teil seiner Kunstproduktion.
Studiert hat Althamer eigentlich Bildhauerei, aber es geht ihm um die große, die gemeinschaftliche Aufgabe - sie ist sein Lebensprogramm. Seit 25 Jahren entwickelt er im Familienkontext viele seiner Kunstprojekte in der väterlichen Plastikfabrik. Früher stellte man dort Flaschen her, bis die Geschäfte einbrachen. Heute produziert ihre Maschine im Deutschen Guggenheim das weiße Plastik für die Kunst. Für Althamer scheint sich auch der Faktor Arbeit mit dem Faktor Kapital der Deutschen Bank kreativ zu verbinden.
"Es sieht komplizierter aus, als es ist. Es ist wie wenn ich Geld investiere, um neue Spiele zu schaffen, neue Orte und Aktivitäten für Menschen, die in der Regel nicht eingeladen werden, sondern ausgeschlossen sind. Oder Ungebildete. Also zu investieren in: 'Kunsterziehung'. Aber nicht im Sinne von: Kunstgeschichte studieren, sondern die Werkzeuge der Kunst zu studieren, um erfolgreich zu kommunizieren."
Pawel Althamer lädt also jeden, der weder eine Kunsthalle noch die Deutsche Bank betreten würde, dazu ein, im Kollektivgeist eines großen sozialen Gruppenporträts aufzugehen. Ein Selbstversuch, auf den man sich unbedingt einlassen sollte.
Pawel Althamer kehrt gerne die Prinzipien um, so auch hier: Das Guggenheim holt er nach Polen in die Werkstatt und produziert dort die Skulpturen vor, dann bringt er sie in den Berliner Kunstraum - zur weiteren Verarbeitung. Denn Köpfe und Gesichter bekommen sie erst hier, ganz nach antikem Vorbild.
"Es ist eine römische Tradition, unfertige Skulpturen serienmäßig zu produzieren, sogar eine griechische: Die Köpfe der Kunden wurden dann auf die klassisch gestalteten Körper gesetzt. Damals wurden die Skulpturen aber nur für Reiche gemacht. Heute hingegen wollen wir wirklich Jeden einladen! Gestern haben wir mit Freunden beschlossen, in die Stadt zu gehen und Leute einzuladen, die sonst keine Guggenheim-Besucher sind und an keinen Kunstwelt-Aktivitäten teilnehmen würden. Mein Traum ist, dass sie kommen."
Jeder Besucher kann sich also eine eigene Maske fertigen lassen. Althamer möchte die Menschen durch diesen Prozess mit sich selbst konfrontieren. Die Maske nimmt man nicht mit nach Hause, sondern sie kommt auf eine der unfertigen Skulpturen, wird also Teil der Ausstellung und somit öffentlich. Der Künstler nutzt auch hier eine uralte Tradition: die der Totenmaske - allerdings an Lebenden. Ein makabrer Bubenstreich?
"Früher wurde die Maske gemacht, als es schon zu spät war. Was wir anbieten, ist, sich unter diese Maske für eine halbe Stunde zu begeben und diese Zeit mit sich selbst zu verbringen. Denn wir sprechen hier über physische Kommunikation. Skulptur und Kunstaktivität sind die fantastischsten Beispiele, eine spirituelle Erfahrung auszudrücken, diesen verborgenen Teil unserer Wirklichkeit zu materialisieren, zu berühren, die Erfahrung mitzuteilen."
Nonverbale Kommunikation und Spiritualität sind Kernelemente in der Arbeit Pawel Althamers. Der 44-jährige polnische Künstler hat Selbstversuche mit Hypnose und Drogen unternommen und in seinen Videoarbeiten und Performances verarbeitet. Seelenverwandt fühlt er sich mit den Schamanen, ähnlich wie Joseph Beuys. Sie verkörpern für ihn die Kraftzentren des sozialen Lebens.
"Ich denke, der Schamane war immer eine sehr soziale Person. Seit ich dessen Magie für mich entdeckt habe, ist sie meine Leidenschaft. Denn auch meine Erfahrung bezog sich immer auf die anderen - wie kommuniziert man mit ihnen, und was passiert mit mir dabei. Ich will zu der ursprünglichen schamanistischen Tradition zurückkommen: Hilfe zu leisten, zu kooperieren!"
In seiner Warschauer Nachbarschaft, einer Plattenbausiedlung, ist Pawel Althamer der Local Hero. Erfolgreich bezieht er die Hausbewohner in seine Projekte im öffentlichen Raum mit ein. Partizipation ist Teil seiner Kunstproduktion.
Studiert hat Althamer eigentlich Bildhauerei, aber es geht ihm um die große, die gemeinschaftliche Aufgabe - sie ist sein Lebensprogramm. Seit 25 Jahren entwickelt er im Familienkontext viele seiner Kunstprojekte in der väterlichen Plastikfabrik. Früher stellte man dort Flaschen her, bis die Geschäfte einbrachen. Heute produziert ihre Maschine im Deutschen Guggenheim das weiße Plastik für die Kunst. Für Althamer scheint sich auch der Faktor Arbeit mit dem Faktor Kapital der Deutschen Bank kreativ zu verbinden.
"Es sieht komplizierter aus, als es ist. Es ist wie wenn ich Geld investiere, um neue Spiele zu schaffen, neue Orte und Aktivitäten für Menschen, die in der Regel nicht eingeladen werden, sondern ausgeschlossen sind. Oder Ungebildete. Also zu investieren in: 'Kunsterziehung'. Aber nicht im Sinne von: Kunstgeschichte studieren, sondern die Werkzeuge der Kunst zu studieren, um erfolgreich zu kommunizieren."
Pawel Althamer lädt also jeden, der weder eine Kunsthalle noch die Deutsche Bank betreten würde, dazu ein, im Kollektivgeist eines großen sozialen Gruppenporträts aufzugehen. Ein Selbstversuch, auf den man sich unbedingt einlassen sollte.