"Der kommt aus dem Land der Weinköniginnen"
Frauen seien kein Freiwild, sagt die "Focus"-Redakteurin Ulrike Demmer. Eine gewisse Sensibilisierung der Männer sei daher nötig und es sei richtig, dass die "Stern"-Kollegin die Geschichte mit Rainer Brüderle veröffentlicht habe. Nur Art und Weise seien nicht ganz geschickt gewählt.
Stephan Karkowsky: Im Rampenlicht sieht man plötzlich jeden Fussel. Peer Steinbrück hat das erlebt, kaum war er Kanzlerkandidat der SPD, flogen ihm seine Vortragshonorare um die Ohren. Jetzt erlebt es Rainer Brüderle, gerade erst erkoren zum obersten Wahlkämpfer der FDP, schon wird mit Schlamm geworfen. Brüderle soll sich vor einem Jahr einer "Stern"-Reporterin gegenüber anzüglich verhalten haben. Die Motive für den Zeitpunkt der Veröffentlichung mögen durchschaubar sein, der Schritt selbst aber ist durchaus mutig. Denn ihrem Verhältnis zur FDP dürfte die junge Hauptstadtkorrespondentin des "Stern" mit dieser Enthüllung nachhaltig geschadet haben. Wir wollen deshalb über die delikate Balance sprechen im Verhältnis von Journalisten und Politikern, und zwar mit Ulrike Demmer. Nach sechs Jahren beim "Spiegel" wechselte sie Anfang des Jahres in das Hauptstadtbüro des Magazins "Focus". Frau Demmer, guten Tag!
Ulrike Demmer: Hallo, Herr Karkowsky!
Karkowsky: Sie kennen den Bericht der "Stern"-Kollegin, es geschah nach dem Dreikönigstreffen der FDP, sie kam dort an der Hotelbar mit Rainer Brüderle ins Gespräch, sie stellte journalistische Fragen, aber Brüderle wollte offenbar flirten, er machte Bemerkungen über ihre Oberweite und küsste ihre Hand. Ist so was nach Ihrer Erfahrung die Ausnahme oder gang und gäbe?
Demmer: Nein, das gehört schon zum Alltag. Jetzt, finde ich, muss man vielleicht doch dem Hörer noch mal beschreiben, was ... Bei so einem Dreikönigstreffen ist die Situation natürlich schon noch mal eine andere, das ist eben ... So ein Abend, das ist ein Ballabend, da tragen auch alle festliche Abendkleidung und da ist jetzt der Dialog an der Bar generell nicht so wahnsinnig von Inhalten getragen, sondern sicher dient der auch eher dem Smalltalk, dem Sich-Kennenlernen. Insofern ist jetzt da ein sachliches Gespräch zu führen nicht der journalistische Alltag. Was aber der journalistische Alltag ist, wo Sie ja drauf anspielen, ob Frauen permanent solchen anzüglichen Bemerkungen ausgesetzt sind, das gehört schon zum Alltag, das ist schon ein Thema, würde ich sagen, weil Frauen auch einfach immer noch in der Minderheit sind in Berlin, in der Hauptstadt.
Karkowsky: Ist das denn, was die "Stern"-Kollegin da beschreibt, für Sie schon eine Grenzüberschreitung gewesen?
Demmer: Ich glaube, da muss man sehen, wie Brüderle ja in dem Moment, also in dem Gespräch mit der Kollegin auch sagte, wir sind alle Menschen. Ich glaube, das ist einfach sehr individuell unterschiedlich, was für die eine Kollegin schon zu viel ist, eine Grenzüberschreitung ist, über das kann die andere noch mit Humor lachen. Ich finde, es kommt auf die Situation an, es kommt darauf an, wer da mit wem redet, und man darf natürlich auch nicht vergessen, dass aus vielen dieser Gespräche tatsächlich auch Partnerschaften entstanden sind. Herr Lindner ist mit einer Journalistin verheiratet, Karl Lauterbach ist mit einer Journalistin zusammen, und wir kennen alle die Liaison von Gerhard Schröder und Doris Schröder-Köpf
Karkowsky: Ja, die sich auch beim "Focus" kennengelernt haben beziehungsweise auf einer Ölplattform. Nun sind ja auch Journalisten keine Engel, wir müssen uns da ja an die eigene Nase fassen. Geht denn nach Ihrer Erfahrung der sexistische Ton der Politiker über das übliche Geflirte in den Medienhäusern hinaus?
Demmer: Na ja, warum sagen Sie Medienhäuser? Also, oder warum meinen Sie, Geflirte ist ... Also, per se flirten ist ja jetzt nicht schlimm. Also, ich weiß nicht, worauf Sie hinaus wollen?
Karkowsky: Na ja, also, der Tonfall. Sie sagen ja, der Tonfall macht die Musik, also Anzüglichkeiten, wie sie halt die "Stern"-Kollegin erlebt hat, erlebt man so was nur mit Politikern oder auch mit Kollegen?
Demmer: Nein, das ist natürlich auch mit Kollegen am Mittagstisch, gibt es immer mal ... Also, ich meine, immer dann, wenn Sie als Frau unter lauter Männern sind, wird der Ton eben derber. Und da kann die eine Frau mit umgehen, die andere weniger. Wir können an dieser Stelle gerne für die Quote werben, das sagen die Männer selbst. Also, ich habe jetzt wirklich ja jahrelang als eine von wenigen Frauen unter vielen Männern gearbeitet: Je größer der Prozentsatz der Frauen wird, desto stärker ändern sich die Gespräche. Und da gibt es Sprüche, bei denen muss man schlucken, und da gibt es Sprüche, über die kann man auch lachen.
Karkowsky: Wie bewerten Sie denn nun den Schritt der "Stern"-Kollegin, ihre Erlebnisse zu veröffentlichen? Der "Stern" selbst spricht da von Tabubruch.
Demmer: Klar, das ist ein Tabubruch. Also, da hat man ja nun heute auch schon diverse Politiker in Interviews gehört, die darüber schimpfen, das sei gegen die Regeln. Ich glaube, dass es grundsätzlich eine gute Idee ist, das mal zu thematisieren, weil das die Frauen, die da wirklich drunter leiden, aus so einer ... aus dieser Hilflosigkeit rausholen würde. Ich glaube, dass der Punkt, also der Anlass und die Art und Weise nicht so richtig ideal sind. Also, das ... Dieses Gespräch an der Bar ist eben schon ein Jahr her, und dass man das nun genau - das haben Sie ja auch in Ihrer Anmoderation schon gesagt - zu einem Zeitpunkt macht, wo der Brüderle zum Spitzenmann der FDP avanciert, das riecht halt so ein bisschen nach politischer Stimmungsmache, da gerät eben das Thema auch sofort wieder in den Hintergrund. Also, die Autorin macht sich damit halt sehr angreifbar. Dass man aber grundsätzlich mal sagt, das ist so und da müsse sich doch mal was dran ändern und das ist nicht angenehm, finde ich gut, ist aber auch, passiert jetzt ja immer öfter. Die Kollegin Ursula Kosser hat da, glaube ich, gerade, vor ein paar Monaten ein Buch dazu veröffentlicht, "Hammelsprünge. Sex und Macht in der Politik", dann hat ja auch die Kollegin Meiritz von Spiegel Online das kürzlich thematisiert, wie sie irgendwie von den Piraten ... ja ... diskreditiert ...
Karkowsky: Angegraben wurde, ja.
Demmer: Ja, so richtig diskreditiert wurde.
Karkowsky: Das war ja quasi eine Art Rufmord, da fiel auf Twitter sogar das Wort Prostituierte. Was passiert denn eigentlich, wenn nun eine Journalistin das öffentlich macht, wie halt die Kollegin vom "Stern"? Muss sie dann als Hauptstadtkorrespondentin Ihrer Erfahrung nach Nachteile befürchten, wenn sie derart Intimes über Politiker preisgibt? Wird ihr vielleicht sogar der Umgang mit der FDP künftig schwer gemacht werden?
Demmer: Na ja, in dem konkreten Fall glaube ich schon, dass das schwierig werden wird. Ich glaube aber nicht, dass das grundsätzlich ein Problem ist, das zu thematisieren. Also, das ist eben ein schmaler Grat. Aber die Kollegin Meiritz hat große Unterstützung im Internet dazu erfahren. Jetzt also, dass ... die Kollegin Himmelreich wird natürlich bei der FDP jetzt einen schweren Stand haben.
Karkowsky: Sie hören Ulrike Demmer, sie ist die Vizechefin im Hauptstadtbüro des "Focus". Frau Demmer, vielleicht ist es ja auch gerade das, was Politiker so in Sicherheit wiegt, dass sie sich dieses Abhängigkeitsverhältnisses bewusst sind und davon ausgehen, da wird schon keine petzen, weil sie sonst ganz schnell abgeschnitten wird von wichtigen Informationen. Könnte das sein?
Demmer: Ach, ich finde, da zeichnen Sie jetzt ein zu fieses Männerbild. Also, ich glaube, dass den meisten das gar nicht bewusst ist. Also, wenn man sich jetzt jemanden wie den Brüderle anguckt, der ... der kommt noch aus einer anderen Zeit, einer anderen Welt, der kommt aus dem Land der Weinköniginnen. Der ... Also, ich ... Also, bösen Willen unterstelle ich jetzt den wenigsten, ehrlich gesagt.
Karkowsky: Ist es denn überhaupt schlimm, was da passiert ist?
Demmer: Wie gesagt, das, finde ich, ist ganz individuell unterschiedlich zu bewerten. Also, wenn ... Es gibt bestimmt Frauen, für die ist das zu viel. Also, und das möchte ich denen auch nicht absprechen, dass denen das zu viel ist. Ich finde halt, dann müsste man das irgendwie direkt signalisieren.
Karkowsky: Nun schreibt "Stern" heute, zur vollen Wahrheit würde auch gehören, dass manche Redaktionen junge, attraktive Frauen strategisch einsetzen würden. Können Sie das bestätigen? Offenes Dekolleté gegen offene Worte von Politikern, die sonst vielleicht die Zunge nicht so locker hätten?
Demmer: Das habe ich noch nicht erlebt. Zumal eben ... Das, finde ich, ist ja der Hauptnachteil, den Frauen eben haben: Also, die Männer kriegen ja, bekommen ja viel leichter Zugänge als Frauen, weil es eben leichter ist, von Mann zu Mann Vertrauen aufzubauen, weil es nie diese Zwischentöne gibt. Da können Sie ganz schnell zum Kumpel werden und mal abends an der Bar sitzen und irgendwie bis eins einen Rotwein trinken und dann ist auch der Politiker sehr viel leichter und eher geneigt, sich ... also, da Informationen weiterzugeben, weil er die Frau ja gar nicht so richtig einschätzen kann. Das ist ja das größte Hindernis in diesem Dialog zwischen Politiker und Journalistin.
Karkowsky: Also, ich habe jetzt bei Ihnen verstanden, es ist höchstwahrscheinlich, dass nicht alle Frauen gleichermaßen das als belastend empfinden, wenn Männer ab und zu mal flirten, in diesem Fall also Politiker gegenüber Journalistinnen, und diejenigen, die es stört, die könnten es öffentlich machen, es ist öffentlich gemacht worden, und Sie sagen, es ist auch eine gute Sache. Warum eigentlich, warum müssen wir jetzt darüber reden?
Demmer: Na ja, weil es eben die Arbeit der Frauen schon erschwert. Es macht es anstrengender und es ist eben manchmal auch unangenehm. Ich finde nur, man muss das irgendwie in einem guten Ton vortragen und irgendwie als ... als große Reportage anlegen und als große Recherche, wie eben guter Journalismus funktioniert, mit mehr Beispielen und ... Da muss man jetzt nicht eine einzelne Person diskreditieren.
Karkowsky: Haben Sie denn den Eindruck, so ein Alphatier wie Rainer Brüderle, von dem Sie sagen, er gehört einer anderen Generation an, der meint das vielleicht gar nicht so böse, halten Sie das für möglich, dass er durch eine solche Geschichte noch geändert werden kann, dass also sein Ton gegenüber Journalistinnen jetzt ein anderer wird?
Demmer: Also, ich meine, der wird sich jetzt wahrscheinlich schon eher mal überlegen, was er sagt. Ich meine, das ist natürlich jetzt überhaupt das Problem, es ist ja jetzt ganz frisch, die Frage ist jetzt, wie gehen jetzt die Politiker mit uns Journalistinnen um! Ob die jetzt alles auf die Goldwaage legen werden, wird sich zeigen! Aber alles, wofür ich werben würde, ist eine gewisse Sensibilisierung dafür, dass eben ... also, dass Frauen ja kein Freiwild sind, sondern tatsächlich auch einfach nur ihre Arbeit machen wollen. Und das Problem bleibt eben, dass natürlich, wir handeln hier nicht mit Tomaten, sondern mit Informationen, es braucht Vertrauensverhältnisse, und man muss eben, auch als Frau muss es möglich sein, abends an der Hotelbar einen Wein mit jemandem zu trinken, ohne dass der Frau dann direkt unterstellt wird, dass sie auch noch ganz andere Interessen verfolgt. Dem Mann aber natürlich auch!
Karkowsky: Nicht ganz unanzüglich hat Stern Online seine Überschrift über dieses Thema "Der spitze Kandidat" genannt. So heißt der Bericht über Rainer Brüderles Anzüglichkeiten einer Kollegin gegenüber. Und Sie hörten dazu die stellvertretende Leiterin des "Focus"-Hauptstadtbüros Ulrike Demmer. Frau Demmer, besten Dank!
Demmer: Keine Ursache!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Ulrike Demmer: Hallo, Herr Karkowsky!
Karkowsky: Sie kennen den Bericht der "Stern"-Kollegin, es geschah nach dem Dreikönigstreffen der FDP, sie kam dort an der Hotelbar mit Rainer Brüderle ins Gespräch, sie stellte journalistische Fragen, aber Brüderle wollte offenbar flirten, er machte Bemerkungen über ihre Oberweite und küsste ihre Hand. Ist so was nach Ihrer Erfahrung die Ausnahme oder gang und gäbe?
Demmer: Nein, das gehört schon zum Alltag. Jetzt, finde ich, muss man vielleicht doch dem Hörer noch mal beschreiben, was ... Bei so einem Dreikönigstreffen ist die Situation natürlich schon noch mal eine andere, das ist eben ... So ein Abend, das ist ein Ballabend, da tragen auch alle festliche Abendkleidung und da ist jetzt der Dialog an der Bar generell nicht so wahnsinnig von Inhalten getragen, sondern sicher dient der auch eher dem Smalltalk, dem Sich-Kennenlernen. Insofern ist jetzt da ein sachliches Gespräch zu führen nicht der journalistische Alltag. Was aber der journalistische Alltag ist, wo Sie ja drauf anspielen, ob Frauen permanent solchen anzüglichen Bemerkungen ausgesetzt sind, das gehört schon zum Alltag, das ist schon ein Thema, würde ich sagen, weil Frauen auch einfach immer noch in der Minderheit sind in Berlin, in der Hauptstadt.
Karkowsky: Ist das denn, was die "Stern"-Kollegin da beschreibt, für Sie schon eine Grenzüberschreitung gewesen?
Demmer: Ich glaube, da muss man sehen, wie Brüderle ja in dem Moment, also in dem Gespräch mit der Kollegin auch sagte, wir sind alle Menschen. Ich glaube, das ist einfach sehr individuell unterschiedlich, was für die eine Kollegin schon zu viel ist, eine Grenzüberschreitung ist, über das kann die andere noch mit Humor lachen. Ich finde, es kommt auf die Situation an, es kommt darauf an, wer da mit wem redet, und man darf natürlich auch nicht vergessen, dass aus vielen dieser Gespräche tatsächlich auch Partnerschaften entstanden sind. Herr Lindner ist mit einer Journalistin verheiratet, Karl Lauterbach ist mit einer Journalistin zusammen, und wir kennen alle die Liaison von Gerhard Schröder und Doris Schröder-Köpf
Karkowsky: Ja, die sich auch beim "Focus" kennengelernt haben beziehungsweise auf einer Ölplattform. Nun sind ja auch Journalisten keine Engel, wir müssen uns da ja an die eigene Nase fassen. Geht denn nach Ihrer Erfahrung der sexistische Ton der Politiker über das übliche Geflirte in den Medienhäusern hinaus?
Demmer: Na ja, warum sagen Sie Medienhäuser? Also, oder warum meinen Sie, Geflirte ist ... Also, per se flirten ist ja jetzt nicht schlimm. Also, ich weiß nicht, worauf Sie hinaus wollen?
Karkowsky: Na ja, also, der Tonfall. Sie sagen ja, der Tonfall macht die Musik, also Anzüglichkeiten, wie sie halt die "Stern"-Kollegin erlebt hat, erlebt man so was nur mit Politikern oder auch mit Kollegen?
Demmer: Nein, das ist natürlich auch mit Kollegen am Mittagstisch, gibt es immer mal ... Also, ich meine, immer dann, wenn Sie als Frau unter lauter Männern sind, wird der Ton eben derber. Und da kann die eine Frau mit umgehen, die andere weniger. Wir können an dieser Stelle gerne für die Quote werben, das sagen die Männer selbst. Also, ich habe jetzt wirklich ja jahrelang als eine von wenigen Frauen unter vielen Männern gearbeitet: Je größer der Prozentsatz der Frauen wird, desto stärker ändern sich die Gespräche. Und da gibt es Sprüche, bei denen muss man schlucken, und da gibt es Sprüche, über die kann man auch lachen.
Karkowsky: Wie bewerten Sie denn nun den Schritt der "Stern"-Kollegin, ihre Erlebnisse zu veröffentlichen? Der "Stern" selbst spricht da von Tabubruch.
Demmer: Klar, das ist ein Tabubruch. Also, da hat man ja nun heute auch schon diverse Politiker in Interviews gehört, die darüber schimpfen, das sei gegen die Regeln. Ich glaube, dass es grundsätzlich eine gute Idee ist, das mal zu thematisieren, weil das die Frauen, die da wirklich drunter leiden, aus so einer ... aus dieser Hilflosigkeit rausholen würde. Ich glaube, dass der Punkt, also der Anlass und die Art und Weise nicht so richtig ideal sind. Also, das ... Dieses Gespräch an der Bar ist eben schon ein Jahr her, und dass man das nun genau - das haben Sie ja auch in Ihrer Anmoderation schon gesagt - zu einem Zeitpunkt macht, wo der Brüderle zum Spitzenmann der FDP avanciert, das riecht halt so ein bisschen nach politischer Stimmungsmache, da gerät eben das Thema auch sofort wieder in den Hintergrund. Also, die Autorin macht sich damit halt sehr angreifbar. Dass man aber grundsätzlich mal sagt, das ist so und da müsse sich doch mal was dran ändern und das ist nicht angenehm, finde ich gut, ist aber auch, passiert jetzt ja immer öfter. Die Kollegin Ursula Kosser hat da, glaube ich, gerade, vor ein paar Monaten ein Buch dazu veröffentlicht, "Hammelsprünge. Sex und Macht in der Politik", dann hat ja auch die Kollegin Meiritz von Spiegel Online das kürzlich thematisiert, wie sie irgendwie von den Piraten ... ja ... diskreditiert ...
Karkowsky: Angegraben wurde, ja.
Demmer: Ja, so richtig diskreditiert wurde.
Karkowsky: Das war ja quasi eine Art Rufmord, da fiel auf Twitter sogar das Wort Prostituierte. Was passiert denn eigentlich, wenn nun eine Journalistin das öffentlich macht, wie halt die Kollegin vom "Stern"? Muss sie dann als Hauptstadtkorrespondentin Ihrer Erfahrung nach Nachteile befürchten, wenn sie derart Intimes über Politiker preisgibt? Wird ihr vielleicht sogar der Umgang mit der FDP künftig schwer gemacht werden?
Demmer: Na ja, in dem konkreten Fall glaube ich schon, dass das schwierig werden wird. Ich glaube aber nicht, dass das grundsätzlich ein Problem ist, das zu thematisieren. Also, das ist eben ein schmaler Grat. Aber die Kollegin Meiritz hat große Unterstützung im Internet dazu erfahren. Jetzt also, dass ... die Kollegin Himmelreich wird natürlich bei der FDP jetzt einen schweren Stand haben.
Karkowsky: Sie hören Ulrike Demmer, sie ist die Vizechefin im Hauptstadtbüro des "Focus". Frau Demmer, vielleicht ist es ja auch gerade das, was Politiker so in Sicherheit wiegt, dass sie sich dieses Abhängigkeitsverhältnisses bewusst sind und davon ausgehen, da wird schon keine petzen, weil sie sonst ganz schnell abgeschnitten wird von wichtigen Informationen. Könnte das sein?
Demmer: Ach, ich finde, da zeichnen Sie jetzt ein zu fieses Männerbild. Also, ich glaube, dass den meisten das gar nicht bewusst ist. Also, wenn man sich jetzt jemanden wie den Brüderle anguckt, der ... der kommt noch aus einer anderen Zeit, einer anderen Welt, der kommt aus dem Land der Weinköniginnen. Der ... Also, ich ... Also, bösen Willen unterstelle ich jetzt den wenigsten, ehrlich gesagt.
Karkowsky: Ist es denn überhaupt schlimm, was da passiert ist?
Demmer: Wie gesagt, das, finde ich, ist ganz individuell unterschiedlich zu bewerten. Also, wenn ... Es gibt bestimmt Frauen, für die ist das zu viel. Also, und das möchte ich denen auch nicht absprechen, dass denen das zu viel ist. Ich finde halt, dann müsste man das irgendwie direkt signalisieren.
Karkowsky: Nun schreibt "Stern" heute, zur vollen Wahrheit würde auch gehören, dass manche Redaktionen junge, attraktive Frauen strategisch einsetzen würden. Können Sie das bestätigen? Offenes Dekolleté gegen offene Worte von Politikern, die sonst vielleicht die Zunge nicht so locker hätten?
Demmer: Das habe ich noch nicht erlebt. Zumal eben ... Das, finde ich, ist ja der Hauptnachteil, den Frauen eben haben: Also, die Männer kriegen ja, bekommen ja viel leichter Zugänge als Frauen, weil es eben leichter ist, von Mann zu Mann Vertrauen aufzubauen, weil es nie diese Zwischentöne gibt. Da können Sie ganz schnell zum Kumpel werden und mal abends an der Bar sitzen und irgendwie bis eins einen Rotwein trinken und dann ist auch der Politiker sehr viel leichter und eher geneigt, sich ... also, da Informationen weiterzugeben, weil er die Frau ja gar nicht so richtig einschätzen kann. Das ist ja das größte Hindernis in diesem Dialog zwischen Politiker und Journalistin.
Karkowsky: Also, ich habe jetzt bei Ihnen verstanden, es ist höchstwahrscheinlich, dass nicht alle Frauen gleichermaßen das als belastend empfinden, wenn Männer ab und zu mal flirten, in diesem Fall also Politiker gegenüber Journalistinnen, und diejenigen, die es stört, die könnten es öffentlich machen, es ist öffentlich gemacht worden, und Sie sagen, es ist auch eine gute Sache. Warum eigentlich, warum müssen wir jetzt darüber reden?
Demmer: Na ja, weil es eben die Arbeit der Frauen schon erschwert. Es macht es anstrengender und es ist eben manchmal auch unangenehm. Ich finde nur, man muss das irgendwie in einem guten Ton vortragen und irgendwie als ... als große Reportage anlegen und als große Recherche, wie eben guter Journalismus funktioniert, mit mehr Beispielen und ... Da muss man jetzt nicht eine einzelne Person diskreditieren.
Karkowsky: Haben Sie denn den Eindruck, so ein Alphatier wie Rainer Brüderle, von dem Sie sagen, er gehört einer anderen Generation an, der meint das vielleicht gar nicht so böse, halten Sie das für möglich, dass er durch eine solche Geschichte noch geändert werden kann, dass also sein Ton gegenüber Journalistinnen jetzt ein anderer wird?
Demmer: Also, ich meine, der wird sich jetzt wahrscheinlich schon eher mal überlegen, was er sagt. Ich meine, das ist natürlich jetzt überhaupt das Problem, es ist ja jetzt ganz frisch, die Frage ist jetzt, wie gehen jetzt die Politiker mit uns Journalistinnen um! Ob die jetzt alles auf die Goldwaage legen werden, wird sich zeigen! Aber alles, wofür ich werben würde, ist eine gewisse Sensibilisierung dafür, dass eben ... also, dass Frauen ja kein Freiwild sind, sondern tatsächlich auch einfach nur ihre Arbeit machen wollen. Und das Problem bleibt eben, dass natürlich, wir handeln hier nicht mit Tomaten, sondern mit Informationen, es braucht Vertrauensverhältnisse, und man muss eben, auch als Frau muss es möglich sein, abends an der Hotelbar einen Wein mit jemandem zu trinken, ohne dass der Frau dann direkt unterstellt wird, dass sie auch noch ganz andere Interessen verfolgt. Dem Mann aber natürlich auch!
Karkowsky: Nicht ganz unanzüglich hat Stern Online seine Überschrift über dieses Thema "Der spitze Kandidat" genannt. So heißt der Bericht über Rainer Brüderles Anzüglichkeiten einer Kollegin gegenüber. Und Sie hörten dazu die stellvertretende Leiterin des "Focus"-Hauptstadtbüros Ulrike Demmer. Frau Demmer, besten Dank!
Demmer: Keine Ursache!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.