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"…ins Land der Utopie…"
200 Jahre lang verstaubten die Partituren des böhmischen Barockmeisters Jan Dismas Zelenka in Archiven. Ihre Wiederentdeckung, vor allem die der Triosonaten, zeigte: Diese Musik ist alles, nur nicht verstaubt.
Kaum jemand denkt beim Wort "barock" noch an dessen Herkunft aus dem portugiesischen "barocco" für "merkwürdig, bizarr", auch "schief, unregelmäßig". Durchgesetzt hat sich eher eine im 19. Jahrhundert vorgenommene Bedeutungsverschiebung, die letztlich dazu führte, dass "Barock" vor allem mit Prachtentfaltung und Feierlichkeit assoziiert wird.
Die Musik von Jan Dismas Zelenka (1679-1745) fällt eher unter die ursprüngliche Bedeutung – wie ungewöhnlich seine Musik oft gebaut ist, wie einfallsreich er komponierte, das wurde lange Zeit kaum wahrgenommen. Dabei können viele seiner Werke neben denen eines Johann Sebastian Bach bestehen, der ihn übrigens außerordentlich schätzte.
Musik als Privateigentum
Sein Brötchengeber, König August III. von Sachsen, schätzte seinen böhmischen Hauskomponisten leider weniger und wurde damit zum Teil des Problems, dass Zelenkas Musik über 200 Jahre so gut wie vergessen war – am Dresdner Hof betrachtete man seine Werke als Privateigentum und ließ nicht zu, dass sie gedruckt wurden. So lag Zelenkas Musik fast komplett bis Mitte des 20. Jahrhunderts im tiefen Archivschlaf.
Heinz Holliger, Komponist, Oboensolist und Dirigent, begründete nachdrücklich den späten Ruhm von Zelenkas Triosonaten – er nahm sie gleich zweimal auf, 1972 und 1998. Insbesondere für Bläser ist Zelenkas Kammermusik bis heute ein Fest, sie sind bis an die Grenzen gefordert – und manchmal auch darüber hinaus. Neuere Aufnahmen mit alten Instrumenten bauen auf Holligers Pioniergeist auf und entwickeln die Zelenka-Interpretation weiter.
Nicht länger unerhört
Triosonaten sind im 18. Jahrhundert eine Art "Komponisten-Diplom". Wer einen Band Triosonaten vorlegen kann, beweist, dass er die Technik des Tonsatzes beherrscht. Zelenka, ein echter Spätzünder, ging noch mit fast 40 Jahren zu Studienzwecken nach Wien, um seine Tonsatzkenntnisse zu vervollkommnen. Dann wollte er auch zeigen, was er konnte: Viele seiner Trios sind eigentlich Quartette, weil er noch eine dritte konzertierende Stimme einwebt, und seine langen virtuosen Passagen appellieren durchaus an den Sportsgeist der Musiker. Vor allem aber begeistert seine Musik durch Klangsinnlichkeit und lebendige Beweglichkeit.
Die Sendung möchte in die Kammermusik eines nicht mehr Un-Erhörten, aber doch zu wenig gehörten Komponisten einführen, zugleich unternimmt sie Ausflüge in den Bereich der Orchester- und Kirchenmusik und stellt Bezüge zwischen diesen Welten her. Die ausgewählten Aufnahmen öffnen ein weites Klangspektrum, sie repräsentieren die Diskographie über einen Zeitraum von 70 Jahren.