"Vom Schicksal diktiert"
29:14 Minuten
Humor und Tragik prägen das Schaffen Mieczysław Weinbergs, dessen Spannweite vom Requiem bis zur Zirkusmusik reicht.
Mieczyslaw Weinberg wurde am 8. Dezember 1919 in Warschau geboren, wo sein Vater Komponist und Musiker an einem jüdischen Theater war. Im Alter von nur zehn Jahren debütierte er selbst als Pianist und Dirigent am Theater, und als Zwölfjähriger begann er ein äußerst erfolgreiches Klavierstudium bei Jozef Turczynski am Konservatorium. Obwohl sein Vater durch die Schließung des Theaters arbeitslos wurde und Weinberg durch Nebenverdienste die Familie mehr oder weniger ernähren musste, schien ihm allmählich eine Zukunft als Klaviervirtuose sicher. Direkt nach seiner Abschlussprüfung 1939 brach jedoch der Krieg aus, und er musste vor den Deutschen aus Warschau fliehen. Seine jüdische Familie blieb zurück und wurde von den Nationalsozialisten ermordet.
Immer wieder auf der Flucht
Er kam in die weißrussische Hauptstadt Minsk, wo er bei Wassilij Solotarjow, einem Schüler Balakirews und Rimskij-Korsakows, Komposition studierte. Am Tage nach seiner Abschlussprüfung im Juni 1941 griff die Wehrmacht die Sowjetunion an, und Weinberg musste abermals fliehen. Diesmal setzte er sich nach Usbekistan ab, einer der sowjetischen Teilrepubliken.
Freund Schostakowitschs
In der usbekischen Hauptstadt Taschkent arbeitete er als Korrepetitor an der Oper. Zusammen mit usbekischen Kollegen komponierte er auch Bühnenwerke. Auf Umwegen hatte Dmitrij Schostakowitsch von Weinbergs großer Begabung gehört, und als ihm die Partitur von der ersten Sinfonie gebracht wurde, beeindruckte sie ihn so sehr, dass er Weinberg persönlich eine Aufenthaltsgenehmigung für Moskau besorgte. Weinberg übersiedelte 1943 in die sowjetische Hauptstadt, wo er bis zu seinem Lebensende wohnen sollte, und es begann zugleich eine enge Freundschaft der beiden Komponisten.
Verboten in Moskau
Nach der Übersiedlung nach Moskau arbeitete Weinberg als freischaffender Komponist. Bekanntlich setzte die politische Führung der UdSSR im Jahre 1948 die Komponisten unter Druck – wie es im gleichen Zeitraum auch mit anderen schaffenden Künstlern geschah. Weinberg gehörte zwar nicht zu jenen, die am schärfsten kritisiert wurden, aber einige seiner Werke wurden auf die Verbotsliste gesetzt, zusammen mit Musik von Schostakowitsch, Prokofjew und anderen. So musste er sich zeitweise durch Film- und Theatermusik ernähren.
Mieczyslaw Weinberg war ein äußerst produktiver Komponist. Sein Werkverzeichnis umfasst mehr als 150 Werke; dazu kommen unzählige Kompositionen ohne Opuszahl, zum Großteil für Kino, Theater und Hörspiele. Die Zahl seiner Sinfonien beträgt 26, er schrieb mehr als ein Dutzend Bühnenwerke, es liegen 17 Streichquartette und 28 Sonaten für verschiedene Instrumente vor sowie Musik für Soloinstrumente und Gesang, letztere zu Texten namhafter internationaler Dichter.
Mieczyslaw Weinbergs Schaffen ist in Europa noch nicht sehr bekannt. Warum? Auf der Suche nach Antworten traf Julia Smilga in Moskau Weinbergs Witwe Olga Rachalskaja und seine Biografin Ekaterina Lobankova.
Im Anschluss: Haino Rindler im Gespräch mit dem Geiger Linus Roth über die Wiederentdeckung Weinbergs