Der Kongress tanzt
"Theatre" bedeutet im Englischen nicht nur "Theater", sondern bezeichnet in der Militärsprache auch den Schauplatz von Kampfhandlungen. So betrachtet ist die internationale "Sicherheitskonferenz", die alljährlich im Münchner Hotel Bayerischer Hof stattfindet, eine Art Meta-Theater: werden dort doch unter anderem verschiedene Kriegs-Szenarien, die sich in so einem "theatre" abspielen könnten, vorab diskutiert und durchgespielt. Der Schweizer Theatermacher Stefan Kaegi vom Regiekollektiv Rimini Protokoll hat nun noch eins drauf gesetzt: Er macht die Münchner Sicherheitskonferenz mit ihren strategischen Planspielen ihrerseits zum Inhalt eines theatralen Gedankenspiels an den Münchner Kammerspielen.
Der Raum ist ganz Mimikry: die Innenwände des Theatersaals im Neuen Haus der Münchner Kammerspiele sind mit einer Fototapete verkleidet, die ihm die edle Anmutung des originalen Sicherheitskonferenz-Saals im Hotel Bayerischer Hof geben. Von der Decke hängt ein Lüster, darunter ein ovaler Konferenztisch. An ihm nehmen die Zuschauer Platz und – mitten unter ihnen – auch die Darsteller, wie üblich bei Rimini Protokoll sogenannten "Experten des Alltags". Also keine Amateurschauspieler, die in Rollen schlüpfen, sondern Theaterlaien, die kraft ihrer Biografie oder ihrer Expertise Aufschlussreiches zum Thema des Abends beizutragen haben. Dabei stehen sie als sie selbst auf der Bühne.
In Stefan Kaegis beeindruckender "Sicherheitskonferenz" sind das aber keine echten Konferenzteilnehmer. Nur ein Teil der Alltagsexperten hat oder hatte überhaupt etwas mit der tatsächliche Münchner Sicherheitskonferenz zu tun, Wolfgang Ohlert zum Beispiel, lange Jahre Protokollchef der Tagung, mittlerweile im Ruhestand. Die meisten Personen aber, die bei Kaegi auftreten, sind Menschen, die nicht Sicherheitspolitik machen, sondern deren Auswirkungen hautnah miterlebt haben: eine junge Frau etwa, die aus dem Bürgerkriegsland Somalia geflüchtet ist; oder ein Kameramann, der unter Lebensgefahr im Jugoslawienkrieg gedreht hat. Sie alle wenden sich entweder einzeln in Monologen ans komplette Publikum, oder sie erzählen gleichzeitig, während die Zuschauer Kopfhörer tragen und in Gruppen jeweils dem Vortrag nur eines dieser Alltagsexperten lauschen.
Geschickt benutzt Stefan Kaegie das Konzept der Sicherheitskonferenz, um es mit anderem Inhalt zu füllen. Die Stoßrichtung dabei ist klar: Sinn und Absicht dieser Veranstaltung, die in ihren Anfängen "Wehrkundetagung" hieß, werden hinterfragt. Wenn eine Dolmetscherin vom babylonischen Sprachgewirr und den sich daraus ergebenden Übersetzungsproblemen erzählt, weckt das ganz grundsätzliche Zweifel an den Möglichkeiten eines sinnvollen Austausches auf einer solchen Konferenz. Ohnehin scheint es weniger um Verständigung im Sinne von Friedenschaffung zu gehen, als um politische und ökonomische Interessen. Denn zu den Konferenzteilnehmern gehören auch Vertreter der Rüstungsindustrie. Einen von ihnen hat auch Stefan Kaegi für sein Stück interviewt. Der Befragte wollte anonym bleiben und nicht auf die Bühne, er wird dort von einem Schauspieler vertreten; ebenso wie eine Bundeswehrsanitäterin, die nicht mitmachen konnte, weil sie auf Einsatz in Afghanistan ist.
Man könnte das für einen Bruch im Konzept der "Experten des Alltags" halten, der den Abend schwächt. Doch das Gegenteil ist der Fall. Auch die vermeintlich 'echten' Menschen, die bei Rimini Protokoll auf der Bühne stehen, spielen ja eine Rolle, eine Version ihrer selbst. Das nun Schauspieler neben ihnen stehen, die andere Menschen vertreten, schärft beim Zuschauer das Bewusstsein für diesen Vorgang.
"Sicherheitskonferenz" ist, wie alle Abende von Rimini Protokoll, stark inszeniert. Die Alltagsexperten erzählen nicht nur, Kaegie lässt sie zwischendurch zu Walzertakten im Kreis tanzen (der Kongress tanzt!), oder die Reise nach Jerusalem spielen. Solche spielerischen Momente schaffen die nötige ironische Distanz zu den Erzählungen aus der Realität und betonen, dass diese Erzählungen immer nur die subjektive Sicht eines Einzelnen auf die Wirklichkeit wiedergeben. Im Falle von Stefan Kaegis "Sicherheitskonferenz" ergänzen sich diese Sichtweisen, relativieren sich aber auch. Das Ergebnis ist ein multiperspektivischer Blick auf die Welt, der dieser in ihrer Komplexität mehr als angemessen scheint, dabei hoch spannend und vor allem nie: besserwisserisch belehrend.
In Stefan Kaegis beeindruckender "Sicherheitskonferenz" sind das aber keine echten Konferenzteilnehmer. Nur ein Teil der Alltagsexperten hat oder hatte überhaupt etwas mit der tatsächliche Münchner Sicherheitskonferenz zu tun, Wolfgang Ohlert zum Beispiel, lange Jahre Protokollchef der Tagung, mittlerweile im Ruhestand. Die meisten Personen aber, die bei Kaegi auftreten, sind Menschen, die nicht Sicherheitspolitik machen, sondern deren Auswirkungen hautnah miterlebt haben: eine junge Frau etwa, die aus dem Bürgerkriegsland Somalia geflüchtet ist; oder ein Kameramann, der unter Lebensgefahr im Jugoslawienkrieg gedreht hat. Sie alle wenden sich entweder einzeln in Monologen ans komplette Publikum, oder sie erzählen gleichzeitig, während die Zuschauer Kopfhörer tragen und in Gruppen jeweils dem Vortrag nur eines dieser Alltagsexperten lauschen.
Geschickt benutzt Stefan Kaegie das Konzept der Sicherheitskonferenz, um es mit anderem Inhalt zu füllen. Die Stoßrichtung dabei ist klar: Sinn und Absicht dieser Veranstaltung, die in ihren Anfängen "Wehrkundetagung" hieß, werden hinterfragt. Wenn eine Dolmetscherin vom babylonischen Sprachgewirr und den sich daraus ergebenden Übersetzungsproblemen erzählt, weckt das ganz grundsätzliche Zweifel an den Möglichkeiten eines sinnvollen Austausches auf einer solchen Konferenz. Ohnehin scheint es weniger um Verständigung im Sinne von Friedenschaffung zu gehen, als um politische und ökonomische Interessen. Denn zu den Konferenzteilnehmern gehören auch Vertreter der Rüstungsindustrie. Einen von ihnen hat auch Stefan Kaegi für sein Stück interviewt. Der Befragte wollte anonym bleiben und nicht auf die Bühne, er wird dort von einem Schauspieler vertreten; ebenso wie eine Bundeswehrsanitäterin, die nicht mitmachen konnte, weil sie auf Einsatz in Afghanistan ist.
Man könnte das für einen Bruch im Konzept der "Experten des Alltags" halten, der den Abend schwächt. Doch das Gegenteil ist der Fall. Auch die vermeintlich 'echten' Menschen, die bei Rimini Protokoll auf der Bühne stehen, spielen ja eine Rolle, eine Version ihrer selbst. Das nun Schauspieler neben ihnen stehen, die andere Menschen vertreten, schärft beim Zuschauer das Bewusstsein für diesen Vorgang.
"Sicherheitskonferenz" ist, wie alle Abende von Rimini Protokoll, stark inszeniert. Die Alltagsexperten erzählen nicht nur, Kaegie lässt sie zwischendurch zu Walzertakten im Kreis tanzen (der Kongress tanzt!), oder die Reise nach Jerusalem spielen. Solche spielerischen Momente schaffen die nötige ironische Distanz zu den Erzählungen aus der Realität und betonen, dass diese Erzählungen immer nur die subjektive Sicht eines Einzelnen auf die Wirklichkeit wiedergeben. Im Falle von Stefan Kaegis "Sicherheitskonferenz" ergänzen sich diese Sichtweisen, relativieren sich aber auch. Das Ergebnis ist ein multiperspektivischer Blick auf die Welt, der dieser in ihrer Komplexität mehr als angemessen scheint, dabei hoch spannend und vor allem nie: besserwisserisch belehrend.