Der Krieger Caesar
Warum nutzte Julius Caesar nicht seine unumschränkte Macht, um nach dem Bürgerkrieg einen neuen römischen Staat aufzubauen? Werner Dahlheim gibt in seinem Buch "Julius Caesar - Die Ehre des Kriegers und die Not des Staates" eine einfache Erklärung: Caesar war Krieger und kein Politiker wie sein Nachfolger Augustus.
Das erste, das dem Leser dieses Buches auffällt, ist die Form. Über Caesar kann man nicht schreiben wie über Adenauer, aber auch nicht mehr mit dem Pathos des 19. Jahrhunderts. Der Berliner Althistoriker Werner Dahlheim hat einen hohen Ton gefunden, der sich mit der kühlen Sachlichkeit unserer Zeit verträgt. Über die Folgen des Sullanischen Bürgerkriegs schreibt er zum Beispiel:
"Gegen die moralische Verwüstung gab es für die schuldige und korrumpierte Generation kein Mittel. Sie lag in den kommenden Jahrzehnten als finsterer Schatten über den mühsamen Versuchen, die Welt wieder ins Lot zu bringen, und sie blieb, solange Gewalt und Blutvergießen für einen Mann das wichtigste Mittel waren, um sich selbst und aller Welt zu beweisen, was er konnte und was er sein wollte."
Alle historische Erkenntnis taugt nichts, wenn sie nicht eine Form findet, die sie auch dem Laien verständlich macht. Dahlheim ist das gelungen, allein deshalb wäre seine Caesar-Biografie zu empfehlen, auch wenn sie nichts Neues und Eigenes enthielte. Doch das tut sie.
Da erscheint zunächst bemerkenswert: Dies ist ein politisches Buch, gedacht und verfasst von einem politischen Kopf, das ist unter Historikern nicht die Regel. Dahlheim zeichnet Caesar weder als Halbgott noch als Scheusal, sein Caesar ist ein ganz ungewöhnlich und vielseitig befähigter Mann und ungewöhnlich ehrgeizig dazu - aber unterworfen den Gesetzen der Politik. So heißt es nach seinem vorletzten Sieg im Bürgerkrieg:
"Der siegreiche Caesar hielt alle Möglichkeiten in den Händen, nur die eine nicht: sich der gewonnenen Macht wieder zu entledigen. Denn sie war das einzige Mittel, seine Soldaten und seine Anhänger zu belohnen und vor ihnen sein Gesicht als Feldherr und Patron zu wahren."
Natürlich war das nicht der einzige Grund, die Herrschaft zu halten, aber als Zwang zur Herrschaft wird er selten oder nie genannt. Strenger Wirklichkeitssinn bestimmt auch das Urteil über die handelnden Personen, allen voran über Caesar. Als ihn der Senatsadel vor die Wahl stellte, entweder Aufrührer oder Rentner zu werden, wurde er Aufrührer, seine persönliche Ehre ging ihm über das Wohl des Staates. Und später ging ihm nichts über seinen Anspruch, unumschränkt über Rom zu herrschen.
Caesars Anhänger waren fast sämtlich von persönlichen Hoffnungen getrieben, die nach Siegen zu Forderungen wurden. Die Soldaten wollten Beute und im Alter ein Stück Land, die Offiziere und anderen Gefolgsleute wollten reich werden und Karriere machen. Ähnlich die Charakterisierung der Caesar-Mörder: Gekränkter Ehrgeiz, enttäuschte Erwartungen und nur bei manchen die Sorge um den Staat und die Freiheit, als deren selbstlose Verteidiger sie über 2000 Jahre in die Geschichte eingingen. Was sie libertas, Freiheit, nannten, war "ein rein aristokratisches Gut" geworden, schreibt Dahlheim, ein Gut, das den "Lebensinhalt der römischen Elite" bildete.
"Da war zunächst ihr ungebrochener Wille zur Macht, die mit niemandem geteilt werden sollte. Da waren weiter die Ämter, Provinzen und Kriege, die Reichtum, Ansehen und Ruhm verschafften. Und da war schließlich das Bewusstsein von der Würde und Ehre eines Standes, der in drei Jahrhunderten eine Stadt in Mittelitalien zur Herrin der Welt gemacht hatte. Dessen Häupter wollten nicht Diener werden, sondern Herren bleiben."
"Was aber ging das die kleinen Leute auf den Straßen Roms an?" fragt Dahlheim und antwortet: "Nichts!" Der historische Konflikt zwischen Republik und Monarchie reduziert sich darauf, wer alles die Macht hat, ein Herrscher oder ein herrschender Stand.
Bemerkenswert ist, dass der politisch denkende Autor nie in Politologie abgleitet. Er sagt oder lässt ahnen, dass es jenseits aller Politik die Geschichte gibt, Cicero hat das in den Satz gefasst:
"Wir sind von Caesar abhängig und Caesar von den Verhältnissen."
Was Caesar wurde, hat er zunächst nicht gewollt, aber mit jedem großen Schritt, den er tat, kam er weiter, als er gewollt hatte - und konnte nicht mehr zurück. Als er Gallien erobert hatte, erstrebte er ein zweites Konsulat; als es ihm verweigert wurde, zog er mit seinem Heer nach Rom, um die Anerkennung seiner Taten zu erzwingen. Doch damit geriet er in einen Bürgerkrieg, der ihn nötigte, fünf Jahre lang Provinz nach Provinz für sich zu gewinnen. Als er endlich alle Gegner niedergeworfen hatte, war er Herr über alle und alles geworden, und davon konnte und wollte er nicht mehr zurück.
Hier beginnt das Problem Dahlheims wie aller Caesar-Biografen: Caesar hatte den Staat zerstört, er hatte unbeschränkte Macht, weshalb nutzte er sie nicht, um einen neuen Staat aufzubauen? Weshalb verwandte er seine letzten Kräfte auf einen gigantischen Feldzug gegen die Parther fern im Iran? Sie bedrohten die Provinz Syrien und verdienten Rache, weil sie vor zehn Jahren ein römisches Heer vernichtet hatten. Aber war das Grund genug, den Staat dahinsiechen zu lassen?
Eine gängige Antwort lautet: Caesar floh aus der unentwirrbaren Innenpolitik in die Außenpolitik. Dahlheims Antwort ist: Caesar war im Kern seines Wesens nicht Politiker, sondern Krieger. Das schließt eine beachtliche politische Karriere nicht aus, Winston Churchill gibt ein modernes Beispiel für den Aufstieg zu höchsten Ämtern und einer historischen Leistung, die nicht ein Politiker, sondern ein Krieger vollbrachte. Sebastian Haffner hat das seinerzeit klargemacht, Dahlheim zeigt es bei Caesar.
Er erinnert an den Traum, dem manche Römer folgten und eben auch Caesar: der Traum, wie einst Alexander den Osten erobern und zum Herrn der Welt werden. Caesar dachte in anderen Dimensionen als die Republikaner am Tiber, er war Rom entwachsen - nicht zuletzt sicherlich durch seine Verbindung mit Kleopatra. Als makedonische Königin Ägyptens war sie eine Erbin Alexanders.
Dahlheim schließt sein Buch über Caesar mit dessen Nachfolger Augustus. Der Vergleich beider Männer zeigt den Krieger Caesar und den Politiker Augustus, der tat, was Caesar nicht tat und seiner Natur nach wohl nicht tun konnte. Augustus versöhnte die römische Tradition mit der Notwendigkeit der Gegenwart, er begründete die Monarchie im Gewande der Republik. Seine Schöpfung, das Impeerium Romanum der Kaiser, bestand ein halbes Jahrtausend. Es war wohl die größte staatsmännische Leistung der römischen Geschichte. Caesar hinterließ seinen Namen, aber kein politisches Erbe, verdienstvolle Verfügungen blieben Einzelheiten. Aber bei Caesar blieben der Ruhm des Helden, der Glanz der Persönlichkeit und die Tragik des Endes. Zu Caesar, nicht zu Augustus, wandten sich die Dichter und auch die große Mehrzahl der Historiker - sogar bis heute, wie dieses schöne Buch beweist.
Werner Dahlheim: Julius Caesar - Die Ehre des Kriegers und die Not des Staates
Ferdinand Schöningh Verlag, Paderborn, 2005
"Gegen die moralische Verwüstung gab es für die schuldige und korrumpierte Generation kein Mittel. Sie lag in den kommenden Jahrzehnten als finsterer Schatten über den mühsamen Versuchen, die Welt wieder ins Lot zu bringen, und sie blieb, solange Gewalt und Blutvergießen für einen Mann das wichtigste Mittel waren, um sich selbst und aller Welt zu beweisen, was er konnte und was er sein wollte."
Alle historische Erkenntnis taugt nichts, wenn sie nicht eine Form findet, die sie auch dem Laien verständlich macht. Dahlheim ist das gelungen, allein deshalb wäre seine Caesar-Biografie zu empfehlen, auch wenn sie nichts Neues und Eigenes enthielte. Doch das tut sie.
Da erscheint zunächst bemerkenswert: Dies ist ein politisches Buch, gedacht und verfasst von einem politischen Kopf, das ist unter Historikern nicht die Regel. Dahlheim zeichnet Caesar weder als Halbgott noch als Scheusal, sein Caesar ist ein ganz ungewöhnlich und vielseitig befähigter Mann und ungewöhnlich ehrgeizig dazu - aber unterworfen den Gesetzen der Politik. So heißt es nach seinem vorletzten Sieg im Bürgerkrieg:
"Der siegreiche Caesar hielt alle Möglichkeiten in den Händen, nur die eine nicht: sich der gewonnenen Macht wieder zu entledigen. Denn sie war das einzige Mittel, seine Soldaten und seine Anhänger zu belohnen und vor ihnen sein Gesicht als Feldherr und Patron zu wahren."
Natürlich war das nicht der einzige Grund, die Herrschaft zu halten, aber als Zwang zur Herrschaft wird er selten oder nie genannt. Strenger Wirklichkeitssinn bestimmt auch das Urteil über die handelnden Personen, allen voran über Caesar. Als ihn der Senatsadel vor die Wahl stellte, entweder Aufrührer oder Rentner zu werden, wurde er Aufrührer, seine persönliche Ehre ging ihm über das Wohl des Staates. Und später ging ihm nichts über seinen Anspruch, unumschränkt über Rom zu herrschen.
Caesars Anhänger waren fast sämtlich von persönlichen Hoffnungen getrieben, die nach Siegen zu Forderungen wurden. Die Soldaten wollten Beute und im Alter ein Stück Land, die Offiziere und anderen Gefolgsleute wollten reich werden und Karriere machen. Ähnlich die Charakterisierung der Caesar-Mörder: Gekränkter Ehrgeiz, enttäuschte Erwartungen und nur bei manchen die Sorge um den Staat und die Freiheit, als deren selbstlose Verteidiger sie über 2000 Jahre in die Geschichte eingingen. Was sie libertas, Freiheit, nannten, war "ein rein aristokratisches Gut" geworden, schreibt Dahlheim, ein Gut, das den "Lebensinhalt der römischen Elite" bildete.
"Da war zunächst ihr ungebrochener Wille zur Macht, die mit niemandem geteilt werden sollte. Da waren weiter die Ämter, Provinzen und Kriege, die Reichtum, Ansehen und Ruhm verschafften. Und da war schließlich das Bewusstsein von der Würde und Ehre eines Standes, der in drei Jahrhunderten eine Stadt in Mittelitalien zur Herrin der Welt gemacht hatte. Dessen Häupter wollten nicht Diener werden, sondern Herren bleiben."
"Was aber ging das die kleinen Leute auf den Straßen Roms an?" fragt Dahlheim und antwortet: "Nichts!" Der historische Konflikt zwischen Republik und Monarchie reduziert sich darauf, wer alles die Macht hat, ein Herrscher oder ein herrschender Stand.
Bemerkenswert ist, dass der politisch denkende Autor nie in Politologie abgleitet. Er sagt oder lässt ahnen, dass es jenseits aller Politik die Geschichte gibt, Cicero hat das in den Satz gefasst:
"Wir sind von Caesar abhängig und Caesar von den Verhältnissen."
Was Caesar wurde, hat er zunächst nicht gewollt, aber mit jedem großen Schritt, den er tat, kam er weiter, als er gewollt hatte - und konnte nicht mehr zurück. Als er Gallien erobert hatte, erstrebte er ein zweites Konsulat; als es ihm verweigert wurde, zog er mit seinem Heer nach Rom, um die Anerkennung seiner Taten zu erzwingen. Doch damit geriet er in einen Bürgerkrieg, der ihn nötigte, fünf Jahre lang Provinz nach Provinz für sich zu gewinnen. Als er endlich alle Gegner niedergeworfen hatte, war er Herr über alle und alles geworden, und davon konnte und wollte er nicht mehr zurück.
Hier beginnt das Problem Dahlheims wie aller Caesar-Biografen: Caesar hatte den Staat zerstört, er hatte unbeschränkte Macht, weshalb nutzte er sie nicht, um einen neuen Staat aufzubauen? Weshalb verwandte er seine letzten Kräfte auf einen gigantischen Feldzug gegen die Parther fern im Iran? Sie bedrohten die Provinz Syrien und verdienten Rache, weil sie vor zehn Jahren ein römisches Heer vernichtet hatten. Aber war das Grund genug, den Staat dahinsiechen zu lassen?
Eine gängige Antwort lautet: Caesar floh aus der unentwirrbaren Innenpolitik in die Außenpolitik. Dahlheims Antwort ist: Caesar war im Kern seines Wesens nicht Politiker, sondern Krieger. Das schließt eine beachtliche politische Karriere nicht aus, Winston Churchill gibt ein modernes Beispiel für den Aufstieg zu höchsten Ämtern und einer historischen Leistung, die nicht ein Politiker, sondern ein Krieger vollbrachte. Sebastian Haffner hat das seinerzeit klargemacht, Dahlheim zeigt es bei Caesar.
Er erinnert an den Traum, dem manche Römer folgten und eben auch Caesar: der Traum, wie einst Alexander den Osten erobern und zum Herrn der Welt werden. Caesar dachte in anderen Dimensionen als die Republikaner am Tiber, er war Rom entwachsen - nicht zuletzt sicherlich durch seine Verbindung mit Kleopatra. Als makedonische Königin Ägyptens war sie eine Erbin Alexanders.
Dahlheim schließt sein Buch über Caesar mit dessen Nachfolger Augustus. Der Vergleich beider Männer zeigt den Krieger Caesar und den Politiker Augustus, der tat, was Caesar nicht tat und seiner Natur nach wohl nicht tun konnte. Augustus versöhnte die römische Tradition mit der Notwendigkeit der Gegenwart, er begründete die Monarchie im Gewande der Republik. Seine Schöpfung, das Impeerium Romanum der Kaiser, bestand ein halbes Jahrtausend. Es war wohl die größte staatsmännische Leistung der römischen Geschichte. Caesar hinterließ seinen Namen, aber kein politisches Erbe, verdienstvolle Verfügungen blieben Einzelheiten. Aber bei Caesar blieben der Ruhm des Helden, der Glanz der Persönlichkeit und die Tragik des Endes. Zu Caesar, nicht zu Augustus, wandten sich die Dichter und auch die große Mehrzahl der Historiker - sogar bis heute, wie dieses schöne Buch beweist.
Werner Dahlheim: Julius Caesar - Die Ehre des Kriegers und die Not des Staates
Ferdinand Schöningh Verlag, Paderborn, 2005