Der Kriegsfotograf

Von Vanja Budde |
Als den "Mutigsten unter den Schüchternen" wurde der Kriegsfotograf Thomas Grabka einmal bezeichnet. Er ist kein Abenteurer, der von Konflikt zu Konflikt reist und sich erst im Kugelhagel lebendig fühlt. Thomas Grabka ist ein stiller, nüchterner Beobachter, der sich als Journalist sieht, mit der Aufgabe, Menschen in Krisensituationen ein Gesicht zu geben und politische Prozesse zu dokumentieren.
"Ich weiß, dass immer Geschichten in meinem Kopf übrig bleiben. Und es sind gar nicht die, die auf den ersten Blick so brutal daher kommen."

Da war diese Frau in Bagdad, damals 2003, beim Einmarsch der Amerikaner in die irakische Hauptstadt. Die Großfamilie hatte versucht, in drei Autos zu flüchten. Alle Männer wurden von US-Soldaten erschossen. Ein Missverständnis an einer Straßensperre.

"Deren Blick kann ich nicht vergessen. Ich habe selten einen Menschen erlebt, der so einen leeren Blick hatte, so gar nichts mehr vom Leben erwartete. Für die Frau war das Leben vorbei."

Thomas Grabka erzählt diese Geschichte nur zögernd, er spricht nicht gern über seine Gefühle. Lieber weicht der heute 50-Jährige in Anekdoten aus über seine Jahre als Fotograf in Krisengebieten, immer auf der Hut vor Landminen, Entführern und verirrten Kugeln. Der Fotograf vergleicht seine Arbeit mit der eines Chirurgen: Die Kamera als Schutzschild zwischen ihm und dem Leid der Menschen.

"Sicherlich gibt es immer noch Situationen, in denen man betroffen ist, aber das hat etwas mit Professionalität zu tun. nicht emotional auf etwas zu reagieren. Dann kann ich so einen Beruf nicht machen. Es gibt Menschen, die können das und andere Menschen können das nicht. Und das muss man für sich selber raus finden."

Seit 20 Jahren ist Thomas Grabka nun als Fotograf unterwegs. Geht dahin, wo Schreckliches geschieht. Afghanistan und Irak, Tschad, Sudan und Pakistan. Die Tasche im Berliner Atelier liegt immer bereit. In nur einer Stunde ist er unterwegs zum Flughafen, wenn es sein muss. Der 50-Jährige ist schmal und drahtig. Kurzes graues Haar, gepflegter Backenbart. Schreibende Kollegen schätzen ihn als erfahrenen Begleiter, der keine unwägbaren Risiken eingeht für ein sensationelles Bild, der Menschen nicht bedrängt und keine Burka-Frau malerisch vor eine Ruine dirigiert, sondern warten kann, bis sich ein gutes Bild von selbst ergibt. Geduldig sei er schon immer gewesen, sagt der in Cottbus geborene Sohn eines Juristen.

"Ich bin schon jemand, der immer auch gerne geguckt hat. Ich will jetzt nicht sagen was Voyeuristisches, aber doch irgendwie das Zuschauen. Ich kann mich erinnern, das ich als Kind immer schon gerne mir Sachen angeguckt habe und hab dann mit 12, 13 so ne kleine Kamera mal gehabt, bisschen rum experimentiert, mit 18 dann angefangen, mir eine eigene Dunkelkammer aufzubauen."

Die "Honorarordnung für Amateurkunstschaffende" der DDR erlaubte ihm, seine Bilder für zehn, fünfzehn Ostmark zu verkaufen. Thomas Grabka fotografierte für freie Theatergruppen und entwickelte nachts in seiner Küche die Abzüge, tagsüber studierte er Kunst- und Kulturwissenschaften. Dann fiel die Mauer. Der damals 30-Jährige konnte endlich die Enge der DDR hinter sich lassen; ging auf Reisen, nicht nach Südfrankreich oder Mallorca, sondern in die Osttürkei und in den Nordirak, in den Gazastreifen und nach Libyen.

"Für mich sind es die interessanteren Geschichten. Wenn dann dort etwas eskaliert, sich zuspitzt, ist es als Fotograf interessant, dort hin zu fahren und zu versuchen, Fotos zu machen, die das vielleicht auf den Punkt bringen oder die es erzählen: mit Bildern erzählen, was dort passiert."

Ohne Auftrag war der Fotograf wochenlang auf eigene Faust unterwegs, bis die ersten Anfragen von Magazinen kamen. Passiert ist ihm nie etwas. Nur einmal, als im Irak in seiner unmittelbarer Nähe Bomben explodiert waren, da hatte er auch nach der Rückkehr noch Angst vor lauten Knallgeräuschen.

"Und wenn das nicht weg gegangen wäre – es ist aber so nach drei, vier Wochen weg gegangen – dann hätte ich auch mal einen Psychologen gefragt, da gibt’s verschiedene Übungen, wie man das dann wieder weg kriegt. Wenn das ne posttraumatische Störung geworden wäre, dann hätte ich da natürlich sofort was gegen gemacht, weil das ist ja nicht so schön."

Als Thomas Grabka 2005 zum ersten Mal Vater wurde, da haben ihn Eltern und Freunde gebeten, künftig zu Hause zu bleiben und Harmloseres zu fotografieren als Krieg und Tod. Er fuhr denn auch einige Zeit "nur" in den Kongo, nach Burkina Faso oder in den Senegal. Später dann aber auch wieder nach Afghanistan. Sein jüngstes Kind ist elf Monate alt. Halten kann ihn auch das nicht. Seine Frau will keine Einzelheiten wissen. Sie verdrängt die Gefahr. Schließlich wusste die Wissenschaftlerin aus Kirgistan von Anfang an, worauf sie sich einlässt: auf den Kriegsfotographen Thomas Grabka.

"Ich hab zwei Töchter und denke manchmal darüber nach, ob man die nicht stärker abhärten muss. Ich mache nämlich genau das Gegenteil, ich versuche, alles Schlimme von denen fern zu halten. Und ich bin mir gar nicht so sicher, ob das gut ist. Weil ich weiß, dass die Welt eigentlich viel furchtbarer ist. Und ich hoffe, dass die mal einen Beruf ergreifen, der ganz nett ist und dass sie nicht auf die Idee kommen, mir nachzueifern. Aber ich selber kann mir für mich nichts anderes vorstellen."

Homepage: Thomas Grabka