Der künstliche Kamerad

Von Jan Rähm |
Sie sind pflegeleicht, verspielt und niedlich anzuschauen. Intelligente Roboter, sogenannte künstliche Kameraden schicken sich an, echte Haustiere zu ersetzen. Die jüngste Entwicklung stellt der Dinosaurier-Roboter Pleo dar, der auch bei der Therapie von an Demenz erkrankten Menschen eingesetzt werden könnte.
Ein wenig überrascht sind sie schon, die Bewohner der Seniorenresidenz am Märchenbrunnen in Berlin. Eigentlich haben Sie den Labrador "Hetty" erwartet. Der kommt sonst wöchentlich zur Therapiesitzung. Heute jedoch grüßt ein ganz anderer Besucher mit charmantem Augenaufschlag. Von Kopf bis zur fröhlich wackelnden Schwanzspitze misst er gut 50 Zentimeter. Schüchtern tappst er auf seinen vier kurzen, dicken Beinchen vorwärts.

Es ist Pleo, ein kleiner grüner Dinosaurier-Roboter. Er ist einem zwei Wochen alten Camarasaurus nachempfunden, einem langhalsigen Pflanzenfresser, der vor rund 200 Millionen Jahren im Zeitalter Jura gelebt hat.
Die Senioren freuen sich sehr über den ungewöhnlichen Gast. Bewohner Heinrich Schmidt ist ganz entzückt:

"Na Emil, einen Schwanzmotor haste drinne und einen Kopfmotor, Halsmotor, die Beine - Menschenskind, was da alles für Motorik drin ist."

Emil alias Pleo besteht aus etwa 2000 Einzelteilen. Über eine Kamera, mehrere Infrarotsensoren, zwei Mikrofone und 38 Sensoren, die auf Berührung reagieren, kommuniziert Pleo mit seiner Umwelt. Sechs Prozessoren verarbeiten alle Einflüsse. 14 Motoren ermöglichen dem kleinen Sauropoden erstaunlich natürliche und flüssige Bewegungen.

Pleo ist nicht der erste seiner Art. Schon Elektronikhersteller Sony hat sich an einem künstlichen Haustier versucht: Am Computer-Hund Aibo. Er hat als Fußballstar im Wettbewerb Robocup den Höhepunkt seiner Karriere erreicht.

In der klinischen Betreuung erprobt wird derzeit Paro, ein interaktiver Roboter aus Japan, der einer kleinen Robbe nachempfunden wurde. Paro reagiert wie Pleo auf Streicheln, Licht und Stimmen.

Doch Pleo reagiert nicht nur. Er erkundet zum Beispiel selbständig seine Umgebung und "merkt" sich, wo es nicht weitergeht. Am Hindernis sucht der Dinosaurier von ganz allein nach einem alternativen Weg. Außerdem lässt sich Pleo programmieren. Die Entwickler haben den kleinen Roboter sowohl mit einer Software- als auch zweier Hardwareschnittstellen ausgestattet. Darüber können das Verhalten des Urzeittiers und die Formen seiner Interaktion individuell angepasst werden. Wie das in Pflege und Therapie aussehen könnte, versucht sich Manuela Jansen vorzustellen. Die Beschäftigungstherapeutin der Seniorenresidenz will den Roboter allerdings nur in ausgewählten Fällen einsetzen.

"Ich glaube dass der Einsatz mit dem Roboter vielleicht nur bei bestimmten Krankheitsbildern generell zum Einsatz kommen darf oder kommen kann. Und da würde ich eher dahin tendieren, wo Leute im Prinzip demenziell erkrankt sind, wo man ne ganz andere Basis findet, und wenn sie da was einprogrammieren würden, dann sind das so Sachen wie im Prinzip Sinne anregen wie zum Beispiel 'Guten Tag' oder 'Ach ist das schön' wenn man ihn berührt."

Sprechen? Pleo macht zwar Geräusche, die sind der Therapeutin aber nicht realistisch genug.

"Das waren so Töne, die einem irgendwie nicht bekannt waren. Also so ein Katzenmiauen kennt ja jeder Mensch und so ein Hundebellen kennt auch jeder Mensch und so ein Knurren oder so kennt auch jeder. Aber diese Geräusche waren ja eher künstlich. Also die wirkten ja nicht wirklich echt. Ist mein Eindruck, ja."

Wenn Pleos Töne nicht echt wirken, hätten da die Entwickler nicht besser einen Hund oder eine Katze als Vorbild für den Roboter genommen? Nein, sagt der kalifornische Hersteller Ugobe. Chef-Entwickler John Sogoba:

"Wir sind noch nicht soweit. Wir können noch nicht mit einem real existierenden Tier mithalten. Deshalb ist der Dinosaurier so interessant für uns. Dinosaurier existieren nicht mehr, und anders als in Filmen wie Jurassic Park gibt es niemanden, der sie wieder auferstehen lassen könnte. Und das war die Idee hinter Pleo: Da es niemanden gibt, der direkte Erfahrungen mit Dinosauriern hat, kann niemand sie mit dem Original vergleichen. Deshalb eignen sie sich prima als erste künstliche Lebensform."

Aibo, Paro und Pleo – sie sind künstliche Lebensformen und versuchen die Herzen der Menschen zu erobern. Damit sie das auch wirklich schaffen, müssen die Entwickler genau wissen, wie es um die Beziehung zwischen Menschen und interaktiven Robotern bestellt ist. Daran ist auch die Wissenschaft interessiert.

Das europäische Forschungsprojekt LIREC hat sich dem angenommen. LIREC steht für "Living with Robots and Interactive Companions". Deutscher Partner ist die Universität Bamberg. Die Psychologen, Ingenieure und Informatiker wollen nicht nur wissen, wie eine soziale Beziehung zwischen den künstlichen Kameraden und dem Menschen entsteht, sondern auch wie sie über längere Zeit aufrecht erhalten werden kann, so dass Pleo nicht wie ein langweiliges Spielzeug in der Ecke landet. Erste Ergebnisse werden frühestens in einem Jahr erwartet.
Erste Beziehungsprobleme sieht Therapeutin Manuela Jansen aufkeimen:

"Ich könnte mir vorstellen, dass die Leute, die wirklich mal echte Tiere hatten, dass die das vielleicht nicht so annehmen. Ich weiß es nicht. Das müsste man einfach mal ausprobieren."

Pleo im Altenheim? Heimleiterin Dr. Renate Woick kann sich das gut vorstellen.

"Für Beschäftigung, für Reize die die Bewohner noch mal bekommen und so was und für die Erinnerung an frühere eigene Haustiere halt ich es für eine gute Sache."

Doch eines ist sicher: Egal ob Pleo irgendwann einmal seinen Platz in Pflege und Betreuung bekommt. Im Internet ist Pleo bereits ein kleiner Star geworden.