Der Lauf der Verzweifelten

25.11.2008
"Trans Amerika" heißt der 5062 Kilometer lange Lauf quer durch die Vereinigten Staaten, und diesen schildert der schottische Journalist und Leichtathlet Tom McNab in seinem gleichnamigen Roman. Wir schreiben das Jahr 1931, die große Depression beutelt die Welt, und der Trans-Amerika-Lauf versammelt die Verzweifelten.
Diese Geschichte leuchtet so sehr ein, dass man sich fast schon wundert, wenn man erfährt, dass sie ähnlich tatsächlich passiert ist. Wir schreiben das Jahr 1931, die große Depression beutelt die Vereinigten Staaten und den Rest der Welt, als ein windiger Geschäftsmann eine Einladung an die Langstreckenläufer der Welt ausspricht: Kommt nach Kalifornien und nehmt am Trans-Amerika-Lauf teil!

Wer die 5062 Kilometer als Erster zurückgelegt hat, gewinnt 150.000 Dollar! Woraufhin sich einige tausend Läufer auf den Weg machen. Ein Mexikaner, der sein Dorf durch eine Hungersnot bringen will, ein schottischer Kohlekumpel, der schon zu Hause für Geld gelaufen ist, ein englischer Lord, der vor den Zwängen seiner Schicht davonläuft, ein Gewerkschafter, der vor dem FBI flieht, ein alter Mann, der sein letztes Rennen laufen möchte. Verzweifelte Zeiten bringen Leute zu verzweifelten Leistungen, und nirgends lernt man so viel über seine Mitmenschen wie in Extremsituationen.

Tom McNabs Roman "Trans Amerika" orientiert sich an einem Rennen, das 1931 tatsächlich Läufer von Los Angeles nach New York führte. Dabei hielten allerdings nicht einige hundert durch, wie im Roman, sondern nur einige dutzend. Aber die schier unglaubliche Strecke durch Nevada, Utah, Colorado, Kansas, Missouri, Illinois, Indiana, Ohio und Pennsylvania bis nach New York ist absolvierbar. Jeden Tag ein Stück.

91 Tage lang dauert das im Buch, rund 520 Stunden reine Laufzeit wird der Sieger brauchen. Und natürlich reicht die reine Verzweiflung nicht, diese Anstrengung zu überstehen. Was man dazu außerdem braucht, davon erzählt dieses Buch.

Im Grunde hat "Trans Amerika" drei Ebenen. Die offensichtlichste ist die Geschichte der Läufer: Wie sich zwischen Leuten, die alles daran setzen, diesen Preis zu gewinnen, trotzdem Freundschaften bilden, weil man ein solches Rennen alleine nicht gewinnen kann. Auch wenn man eigentlich nur alleine gewinnen kann.

Die zweite Ebene ist die Geschichte des Rennens. Gegen alle möglichen Widerstände muss der Organisator seine Idee durchsetzen: gegen die Mafia, korrupte Politiker, Doping - das volle Spektrum gesellschaftlicher Probleme stellt sich dieser Unternehmung entgegen.

Was zur dritten Ebene führt: Natürlich erzählt "Trans Amerika" auch vom Entstehen einer Nation. Anhand einer kleinen Gemeinschaft von Läufern, die sich von Ost nach West bewegt. Denn über ihre Ankunft in New York könnte man auch die schöne Barack Obama-Girlande flechten: "They said the day would never come!" Aber wenn man nur will und nicht alleine bleibt, dann ist jede Idee durchsetzbar.

Wobei genau hier auch der einzige Einwand liegt, den man gegen dieses ansonsten sehr gelungene Buch geltend machen kann. Ohne zu viel verraten zu wollen, leidet "Trans Amerika" darunter, dass der Autor niemanden wirklich abstürzen lässt.

Tom McNab, schottischer Journalist und Leichtathlet, mutet seinen Figuren zwar Einiges zu auf ihrem Weg durch die Vereinigten Staaten. Aber wirklich scheitern lässt er keine seiner Figuren. Es ist eine Wir-gegen-den-Rest-Geschichte, die "Trans-Amerika" erzählt. Die Gutwilligen gewinnen.

Das mag stimmig sein, bereitet es doch auf Roosevelts Politik des New Deal vor, die die USA kurze Zeit später aus der Krise zieht. Es fühlt sich nur manchmal etwas zu flach an.

Rezensiert von Tobias Rapp

Tom McNab: Trans Amerika
Aus dem Englischen von Verena von Koskull,
Aufbau Verlag, Berlin 2008,
552 Seiten, 22,95 Euro