Der letzte Air-Berlin-Flug

"Einer der eindrucksvollsten Flüge meines Lebens"

Mitarbeiter der Fluggesellschaft Air Berlin stehen am 27.10.2017 auf dem Vorfeld des Flughafen Berlin-Tegel nach der Landung der letzten Maschine der Airline auf einer Fluggasttreppe.
Mitarbeiter der Fluggesellschaft Air Berlin nach der Landung der letzten Maschine der Airline auf dem Vorfeld des Flughafen Berlin-Tegel © picture alliance / dpa / Gregor Fischer
Von Dieter Nürnberger |
Ende einer Ära: In der Nacht ist der letzte Flug der insolventen Airline Air Berlin in der Hauptstadt gelandet. Mehrere hundert Beschäftigte und Fans der Fluglinie empfingen die Maschine, es floss Sekt - und so manche Träne. Passagiere berichten von einem höchst emotionalen Flug.
Die Besucherterrasse in Tegel hatte extra länger geöffnet - und sie erlebte einen Ansturm wie selten. Mehrere hundert Air-Berlin-Beschäftigte und auch viele Kunden der Fluggesellschaft waren gekommen, um die letzten Maschinen starten und landen zu sehen. Und jedes Mal gab es lautstarken Applaus. Eine Abschiedsparty aus traurigem Anlass, denn die insolvente Air Berlin ist nun Geschichte. Fast 39 Jahre lang flogen die rot-weiß-lackierten Flieger in alle Welt. 1979 als Urlaubsshuttle gestartet - der erste Flug ging nach Mallorca. Viele Mitarbeiter haben Sekt oder rote Luftballons mitgebracht, auch wenn die Stimmung bei vielen so gar nicht danach war. Anlass zurückzublicken - auf viele Arbeitsjahre, auf viele interessante Momente.
"Einmal ein Hadsch-Flug - als wir die Pilger nach Mekka geflogen haben. Das war Ausnahmezustand und es war besonders. Und als ich das erste Mal in New York war."
Mit der Einstellung des Flugbetriebs geht eine Ära zu Ende. Und etwa die Hälfte der rund 8.000 Mitarbeiter weiß noch nicht wie es weitergeht. Die Lufthansa hat sich mit 81 Maschinen einen Großteil der Flotte und auch die damit verbundenen attraktiven Start- und Landerechte gesichert. Rund 3.000 Arbeitnehmer will der Marktführer übernehmen. Vielen Beschäftigen ist das zu wenig. Anna Herzog war viele lange Zeit bei Air Berlin, das Ende kann sie noch immer nicht richtig fassen:
"Wir sind natürlich zutiefst erschüttert und traurig. Es tut einfach in der Seele weh, dass dieses ganze Projekt Air Berlin gescheitert ist. Durch - meiner Meinung nach - auch Geldgier, von allen Seiten. Und wir sind diejenigen, die darunter leiden müssen und fallengelassen werden."
Viele Mitarbeiter nehmen sich immer wieder in den Arm, neben dem Sekt fließt auch so manche Träne.

Easyjet übernimmt 25 Flugzeuge

Natürlich sind auch die Gewerkschaften beim Abschied dabei. Sie haben gekämpft und vieles nicht erreicht. So wird es beispielsweise keine große Qualifizierungs- oder Fortbildungs-Transfergesellschaft geben. Nur eine kleine für rund 1.000 Beschäftige. Es scheiterte an Finanzierungszusagen, auch die Lufthansa steht deshalb in der Kritik. Andreas Splanemann ist Sprecher der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. Er spricht von einem Stück sozialer Marktwirtschaft, was viele entsetzt habe.
"Wir hätten uns natürlich gewünscht, dass das Unternehmen als Ganzes erhalten bleibt. Das ist überhaupt keine Frage. Was wir jetzt sehen, ist, dass Bruchstücke übrig bleiben, das Unternehmen ist zerschlagen worden. Ein Teil der Beschäftigten hat bei den Erwerbern die Chance auf Weiterbeschäftigung. Ein großer Teil der Arbeitnehmer wird sich beruflich neu orientieren müssen. Das ist ein besonders bitterer Tag."
Zu dieser späten Stunde, während auf der Besucherterrasse in Tegel leichter Nieselregen und ein aufkommender Wind herrscht, teilt das britische Unternehmen Easyjet mit, dass man sich mit Air Berlin auf die Übernahme von 25 Flugzeugen geeinigt habe. Ein weiterer geglückter Teilverkauf der insolventen Air Berlin. Rund 1000 Piloten und Flugbegleiter sollen übernommen werden.
Doch trotz der nun feststehenden Teilverkäufe wird das Ende von Air Berlin große Lücken in den deutschen Flugplänen hinterlassen. Zumindest in den kommenden Wochen und Monaten. Von den rund 140 Air-Berlin-Maschinen werden ab dem Wochenende 80 bis 90 vorerst am Boden, teilt Marktführer Lufthansa mit. Denn die Start- und Landerechte werden nach internationalen Regeln wohl erst in ein paar Wochen abgestimmt und neu vergeben werden. Vor allem auf nachfragestarken, innerdeutschen Strecken will der Marktführer deshalb größere Maschinen einsetzen. Das Aus von Air Berlin wird deshalb noch länger nachwirken.

"Mehr Emotion geht nicht"

20 Minuten vor Mitternacht und mit rund einstündiger Verspätung landet schließlich der letzte Air-Berlin-Flieger, ein Airbus 320, in Tegel.
Ein für viele bitterer Jubel.
Ein paar Etagen tiefer warten im Terminal C, welches hauptsächlich von Air Berlin genutzt wurde, Freunde und Familienmitglieder auf die letzten Passagiere. Auf dem Rollfeld kommt die Maschine zum Stehen. Hell angeleuchtet. Hunderte von Mitarbeitern des Bodenpersonals bilden in ihren grell-gelben Sicherheitswesten ein Spalier. Es war ein ganz besonderer Flug, sagen viele Fluggäste als sie das Gate verlassen:
"Es war Wahnsinn - der Pilot ist langsam geflogen, hat noch einmal eine Runde gedreht. Wir sind am Brandenburger Tor und am Alexanderplatz vorbeigeflogen. Als der Flieger dann gelandet ist, lief 'Time to say Good-bye'. Also mehr Emotion geht, glaube ich, nicht. Beim Aussteigen standen dort hunderte vom Air-Berlin-Bodenpersonal und vom Flughafen."
"Blitzlichtgewitter und die Jubelschreie - man hat sich wie ein kleiner Star gefühlt. Ich habe den Sekt noch. Den habe ich mitgenommen. Ich werde später auf Air Berlin anstoßen. Es war ein toller Flug."
"Tief bewegt, sehr emotional. Ich bin sehr traurig, dass es diese Airline nicht mehr gibt. Ich bin damit groß geworden. Ich war Vielflieger. Mehr muss ich nicht sagen."
Wieder viele Umarmungen, es wird Trost gespendet, Solidarität gezeigt und bei vielen überwiegt dennoch die Trauer. Dieser Reisefachmann hat sich intensiv bemüht, beim letzten Flug von München nach Berlin dabei sein zu dürfen. Es hat geklappt. Nun ringt er um seine Worte des Abschieds:
"Na, ja - wie soll man sich den letzten Flug einer Airline vorstellen, mit der ich 16 Jahre gearbeitet und mehr oder weniger gelebt habe. Das war höchst beeindruckend. Die Crew hat das sehr professionell gemacht. Es war emotional, ich habe wohl die letzte halbe Stunde geheult wie ein Schlosshund. Einer der eindrucksvollsten, aber auch einer der schlimmsten Flüge meines Lebens - und ich fliege viel."
Pushmitteilung der Air Berlin App auf einem Smartphone-Bildschirm: "Letzer airberlin Flug gelandet"
Auch über die App verabschiedet sich Air Berlin© Screenshot Air Berlin App
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