Der letzte Schrei

Hummer vom Lobster-Shack

Von Sonja Beeker |
In edlen Restaurants darf er nicht fehlen, der Hummer. Im US-Küstenstaat Maine allerdings haben die Leute eine entspannte Haltung zu der Luxusspeise. Dort wird der Großteil der Krustentiere gefangen und in alle Welt verschickt wird. Und dort kommt der Hummer nicht auf dem Silbertablett.
Fünf dunkelbraune Hummer, deren Scheren mit breiten Gummibändern zusammengehalten werden, fallen mit dem Kopf voraus in einen großen Kochtopf mit brodelndem Wasser. Deckel drauf.
Acht Minuten später und nun in leuchtendem Rot sind die fünf Hummer gar und es geht ihnen an die Schale. Szenen wie diese gehören Maines Lobstershaks zum Alltag. Sie gehören zu Maine wie Blaubeeren und Elche. In fast jedem Küstenort findet man die kleinen Buden, die oft nicht mehr als ein Holzverschlag mit Propangaskochtopf sind. Von Nobelrestaurantatmosphere keine Spur.
Nach vierzig Minuten Wartezeit bei strömendem Regen sind Carl und George aus Boston ihrem Ziel zum Greifen nah: Hummerbrötchen!
George: "Im Sommer sind Lobsterrolls natürlich noch angesagter, vorallem hier und an der Küste Neuenglands, wo die Leute vom Hummerfang leben. Die Dinger sind so lecker. Wenn Du sonst Hummer im Restaurant ist, kostet es ein Vermögen und ist ein echter Angang, das Knacken der Schale und so. Hier bekommst Du eine Delikatesse in Sandwichform. Lecker!"
Die beiden sind beruflich in der Region und wer auf der Küstenstraße, der Route 1, unterwegs ist, der kommt an Wiscasset und dem ikonischen Lobstershak "Red’s Eats" nicht vorbei. Seit fast 80 Jahren versorgt die kleine Imbissbude Anwohner und Touris mit frischen Hummerbrötchen. Debbie Gagnon hat das Geschäft von ihrem Vater Al übernommen, den man in Wiscasset nur als "Red" kennt. Rezept und Methode, wie das Brötchen belegt wird, haben sich seit 30 Jahren nicht verändert.
Debbie: "Meine Hummerbrötchen sind mit dem Fleisch von einem ganzen Hummer belegt. An jedem Ende eine Schere. Die Beine und Gelenke in der Mitte und dann obendrauf der wunderschöne Hummerschwanz!"

Hummer sind die Müllabfuhr des Ozeans

Das Brötchen kostet umgerechnet 19 Euro. Zum Vergleich: In einem schicken deutschen Restaurant ist man für die gleiche Menge Hummerfleisch mindestens mit 60 Euro dabei. Moralische Bedenken scheint in der Warteschlange niemand zu haben. Vielleicht liegt es daran, dass einem das Hummerschalenknacken vom Küchenpersonal abgenommen wird und niemand dem Krustentier in die Augen schauen muss? Debbie Gagnon verarbeitet pro Saison 14,5 Tonnen Hummerfleisch. Ihr Mitgefühl für den Homarus Americanus halt sich in Grenzen. Sie führt den Erfolg des Hummerbrötchens eher drauf zurück, dass die Luxusspeise als Fast Food daher kommt und damit für jederman zugänglich ist.
Debbie: "Natürlich macht es Spaß, einen Hummer selbst zu knacken, aber es dauert und ist eine ziemliche Sauerei. Hier bekommst Du diese Leckerei ohne Mühe und Arbeit."
Dabei galt Hummerfleisch längst nicht immer als die Delikatesse, als die sie heute angepriesen wird. Hummer sind Bodenfresser, eine Art Müllabfuhr der Ozeane, die fressen, was auf den Boden sinkt, erklärt David, eine ehemaliger Hummerfischer, der ebenfalls Schlange steht und auf sein Hummerbrötchen wartet.
David: "In Maine hat man das Hummerfleisch vor allem Gefängnisinsassen vorgesetzt, bis der Gefängnisdirektor selbst mal probiert hat und seither ist es eher was für Leute mit Geld."
Doch das Hummerimage scheint sich zumindest in Neuengland erneut gewandelt zu haben. Drogeriemärkte und Tankstellen verkaufen dort Lebendhummer. Derzeit kostet das Pfund Hummerfleisch in Maine umgerechnet sieben Euro. Ob die Preise allerdings weiterhin so niedrig bleiben, hängt davon ab, wie der Hummer mit dem Klimawandel zurechtkommt, denn die Übersäuerung der Meere macht den Krustentieren zu schaffen. Noch aber gibt es Hummer hier im Überfluß, so dass in den Sommermonaten selbst McDonalds Hummerbrötchen für umrechnet acht Euro verkauft. Debbie Gagnon von Red’s Eats fühlt sich von der Billigvariante der Fast Food Kette jedoch nicht bedroht. Ihr ist es recht, dass der Hummer vom Silbertablett ins Sandwich gerollt ist.
Debbie: "Ich sag immer, es gibt genug Sonne für alle, um braun zu werden und wünsch McDonalds viel Glück."

Hören Sie die ganze Sendung vom 22. Juli 2017 hier:


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