Der Fall Weinstein und Hollywood
US-Filmregisseur Quentin Tarantino hat nun auch mit Harvey Weinstein abgerechnet: Er habe von dessen Übergriffen aus erster Hand gewusst. Susanne Burg und Patrick Wellinski bewerten den Fall des Hollywood-Produzenten, der immer größere Kreise zieht.
Auch Quentin Tarrantino hat sich nun im Fall Harvey Weinstein zu Wort gemeldet und die bislang schonungsloseste Abrechnung präsentiert. Nach langem Schweigen sagte er jetzt: Er habe von den Übergriffen aus erster Hand gewusst. Und zwar schon 1995 – seine damalige Freundin, die Schauspielerin Mira Sorvino, hatte ihm von früheren Belästigungen erzählt. Aber er schwieg, statt ihn zur Rede zu stellen.
Quentin Tarantino, der mit Weinstein bei Filmen wie "Pulp Fiction", "Reservoir Dogs" und "Inglorious Basterds" zusammengearbeitet hat, ist eine von Dutzenden Stimmen aus Hollywood, die sich zu Wort gemeldet haben. Der Fall Weinstein hat große Kreise gezogen. Susanne Burg und Patrick Wellinski versuchten, ihn in "Vollbild" gemeinsam zu bewerten, indem sie ihre Rolle als Zuschauer und auch als Filmjournalisten reflektierten.
Ein Ort des Schönen und des Dunklen
Der Ausmaß der Affäre Harvey Weinstein sei durchaus vergleichbar mit dem Desaster, das der gleichnamige Hurrikan vor nicht allzu langer Zeit in den USA hinterlassen habe, sagte Wellinski: "Man ist jetzt irgendwie in dieser Breaking-News-Spirale drin." Es stelle sich die Frage, warum man immer noch an diesen Sensationsort Hollywood giere, der zum einen das Schöne propagiere und gleichzeitig das Dunkle mitdenke.
Die einzelnen Reaktionen müssten aus seiner Sicht sehr unterschiedlich bewertet werden, so Wellinski. Auf der einen Seite gebe es die Naivität von Meryl Streep: "Die sagte, sie wusste nichts, obwohl sie ja ihren dritten Oscar für eine Weinstein-Produktion 'The Iron Lady', bekommen hat." Demgegenüber stehe die Heuchelei von Ben Affleck: "Der sagte, ich wusste nichts, und plötzlich kam heraus, er hat wohl zu Teilen mitgemacht."
Eine Krise der "extremen" Männlichkeit
Am besten zusammengefasst habe den komplexen Fall die britische Schauspielerin Emma Thompson, die in der BBC in einem Interview einen großen Bogen geschlagen habe, fügte Susanne Burg hinzu. Dort habe sie unter anderem von einer Krise der Männlichkeit gesprochen, genauer gesagt, von einer Krise der "extremen" Männlichkeit.
Hollywood sei letztlich nur ein Teil der Gesellschaft, eine Art Parallelgesellschaft, wo dies zutreffe, sagte Wellinski: "Vielleicht ist das Beste, was wir mitnehmen können, eine Hoffnung: Dass Hollywood oder die Filmbranche an sich die Frau irgendwann befreit. … Dass das nicht immer Männer sind, die Frauen erschaffen."
Es gehe darum, die Bastion männlicher Autorität in Hollywood aufzulösen: "Aber es wird, wie gesagt, langsam aufbrechen und es wird Rückschläge geben." Und das könne nicht per Dekret durchgesetzt werden, kritisierte Patrick Wellinski zum Abschluss eine Stellungnahme der Oscar-Academy. (hum)