Der letzte Volksstamm
Die Andamanen sind eine Inselgruppe im Bengalischen Golf, etwa 100 Kilometer vom indischen Festland entfernt. Zuwanderer und Touristen machen den dort verbliebenen Urvölkern den Lebensraum streitig. Etliche Stämme, die Jahrtausende ohne Kontakt zur Außenwelt lebten und überlebten, sind schon jetzt ausgestorben.
Männer, Frauen und Kinder vom Volk der Jarawas feiern am Strand die Ankunft eines Bootes der Inselverwaltung. Mehr oder wenig regelmäßig kommen diese Versorgungsschiffe an die Strände in ihrem Stammesgebiet und bringen Nahrung, Kleider und andere Dinge, die von der Urbevölkerung eigentlich nicht gebraucht werden.
Denn das Steinzeitvolk hat Jahrtausende lang ohne Hilfe in den tropischen Regenwäldern des Andaman-Archipels überlebt. Aber die indische Regierung will gute Stimmung machen, zeigen, wie sehr sie sich um die Ureinwohner kümmert. Alles Augenauswischerei, mit katastrophalen Konsequenzen sagt der Menschenrechtsaktivist Samir Acharya:
"Die Tragik dabei ist, dass die Jarawa immer selbstständig waren und unsere Hilfe weder nötig hatten, noch wollten. Jetzt haben wir sie von uns abhängig gemacht."
Der 70-jährige Mann sitzt hinter seinem Schreibtisch, putzt traurig seine Brille und schüttelt den Kopf. Seit Jahrzehnten setzt er sich für die Urvölker der Andamanen ein. Doch das sei ein Kampf auf verlorenem Posten:
"Das Problem besteht seit vielen Jahren. Der Konflikt begann schon mit den ersten Einwanderern. Jetzt sind wir an einem Punkt angelangt, wo ich mich frage, ob es überhaupt eine Lösung gibt. Ich glaube es nicht mehr. Ich fürchte, die Ureinwohner werden ganz einfach untergehen."
Mehr als 600 Inseln und Inselchen, von denen gerade einmal 36 offiziell bewohnt sind, tropischer Regenwald und kilometerlange traumhafte Strände – eigentlich ist der Andaman-Archipel ein wahres Paradies.
Dorthin hat es vor Jahrtausenden negroide Steinzeitvölker aus Afrika verschlagen, die bis zur Ankunft der Briten keinerlei Kontakt mit der sogenannten Zivilisation hatten: Die Onge, die Jarawa, die Großen Andamanesen, die Jangil, die Bo und die Sentinelesen. Ihre Zahl wurde auf etwa 7000 geschätzt. Sie alle wollten mit den Neuankömmlingen nichts zu tun haben, leisteten ihnen erbitterten Widerstand, kämpften mit Speeren, Pfeil und Bogen gegen die Maschinengewehre der Eindringlinge.
Die, die nicht im Kampf getötet wurden, fielen eingeschleppten Krankheiten zum Opfer. Oder sie verhungerten, weil ihre Jagdgründe von Siedlern besetzt wurden. Heute sollen von den Onge nur noch 100 Angehörige leben, von den Großen Andamanesen vielleicht 60, von den noch immer jeglichen Kontakt verweigernden Sentinelesen ebenfalls wohl 100. Die Jangil sind ausgestorben, die letzte Bo-Frau starb am 5. Februar 2010. Die Jarawas zählen noch 300 bis 600 Mitglieder. Sie seien, meint Samir Acharya, das einzige Volk, das noch eine Überlebenschance hätte. Wäre da nicht die halbherzige Politik der indischen Regierung:
"Das ist pure Ironie: Im tropischen Regenwald zu überleben ist sehr schwer und nur möglich, wenn man sich die Kultur und das Wissen seines Stammes schon als Kleinkind aneignet. Das kann niemand auf einer Schule lernen. Doch genau das geht verloren und die Kinder der Jarawas von heute werden nicht mehr im Dschungel überleben können. Sie werden in keine der beiden Kulturen passen, unsere Kulis werden oder Kriminelle. Oder aussterben."
Während die indische Bevölkerung der Andamanen immer größer wird. Denn während Ausländer eine Sondergenehmigung brauchen, um den Archipel besuchen zu können, fördert die Regierung die Zuwanderung aus anderen Landesteilen der Union.
An der Kreuzung Delanipur-Junction, einer Art Einkaufszentrum für die Einheimischen, drängen sich die Kunden in der Archipelhauptstadt Port Blair an den Holzständen und Läden. Reissäcke liegen auf der Straße, beim Metzger hängen Hammelbeine an Schnüren von der Decke; vom Getümmel unberührt durchwühlen heilige Kühe den Abfall nach Fressen. Das Geschäft gehe gut, freut sich der Gemüsehändler G Veerakumar:
"Der Laden brummt. Inzwischen leben viel mehr Menschen hier, wir verkaufen sehr gut."
Kartoffeln für 18 Rupies, umgerechnet 25 Cent, die Zwiebeln kosten 50 Cent das Kilo. Blumenkohl sei zur Zeit besonders billig, lächelt der 32-jährige Geschäftsmann, der komme nämlich aus einheimischer Produktion, während die meisten anderen Nahrungsmittel noch importiert werden. Doch auch das ändere sich:
G Veerakumar Gemüseproduzenten aus Bengalen: "Die Gemüseproduktion auf den Inseln nimmt zu. Es kommen viele Landwirte aus Bengalen, die ihr Handwerk gut beherrschen. So wird auf allen Nachbarinseln immer mehr angebaut und hierher geliefert."
Denn das Steinzeitvolk hat Jahrtausende lang ohne Hilfe in den tropischen Regenwäldern des Andaman-Archipels überlebt. Aber die indische Regierung will gute Stimmung machen, zeigen, wie sehr sie sich um die Ureinwohner kümmert. Alles Augenauswischerei, mit katastrophalen Konsequenzen sagt der Menschenrechtsaktivist Samir Acharya:
"Die Tragik dabei ist, dass die Jarawa immer selbstständig waren und unsere Hilfe weder nötig hatten, noch wollten. Jetzt haben wir sie von uns abhängig gemacht."
Der 70-jährige Mann sitzt hinter seinem Schreibtisch, putzt traurig seine Brille und schüttelt den Kopf. Seit Jahrzehnten setzt er sich für die Urvölker der Andamanen ein. Doch das sei ein Kampf auf verlorenem Posten:
"Das Problem besteht seit vielen Jahren. Der Konflikt begann schon mit den ersten Einwanderern. Jetzt sind wir an einem Punkt angelangt, wo ich mich frage, ob es überhaupt eine Lösung gibt. Ich glaube es nicht mehr. Ich fürchte, die Ureinwohner werden ganz einfach untergehen."
Mehr als 600 Inseln und Inselchen, von denen gerade einmal 36 offiziell bewohnt sind, tropischer Regenwald und kilometerlange traumhafte Strände – eigentlich ist der Andaman-Archipel ein wahres Paradies.
Dorthin hat es vor Jahrtausenden negroide Steinzeitvölker aus Afrika verschlagen, die bis zur Ankunft der Briten keinerlei Kontakt mit der sogenannten Zivilisation hatten: Die Onge, die Jarawa, die Großen Andamanesen, die Jangil, die Bo und die Sentinelesen. Ihre Zahl wurde auf etwa 7000 geschätzt. Sie alle wollten mit den Neuankömmlingen nichts zu tun haben, leisteten ihnen erbitterten Widerstand, kämpften mit Speeren, Pfeil und Bogen gegen die Maschinengewehre der Eindringlinge.
Die, die nicht im Kampf getötet wurden, fielen eingeschleppten Krankheiten zum Opfer. Oder sie verhungerten, weil ihre Jagdgründe von Siedlern besetzt wurden. Heute sollen von den Onge nur noch 100 Angehörige leben, von den Großen Andamanesen vielleicht 60, von den noch immer jeglichen Kontakt verweigernden Sentinelesen ebenfalls wohl 100. Die Jangil sind ausgestorben, die letzte Bo-Frau starb am 5. Februar 2010. Die Jarawas zählen noch 300 bis 600 Mitglieder. Sie seien, meint Samir Acharya, das einzige Volk, das noch eine Überlebenschance hätte. Wäre da nicht die halbherzige Politik der indischen Regierung:
"Das ist pure Ironie: Im tropischen Regenwald zu überleben ist sehr schwer und nur möglich, wenn man sich die Kultur und das Wissen seines Stammes schon als Kleinkind aneignet. Das kann niemand auf einer Schule lernen. Doch genau das geht verloren und die Kinder der Jarawas von heute werden nicht mehr im Dschungel überleben können. Sie werden in keine der beiden Kulturen passen, unsere Kulis werden oder Kriminelle. Oder aussterben."
Während die indische Bevölkerung der Andamanen immer größer wird. Denn während Ausländer eine Sondergenehmigung brauchen, um den Archipel besuchen zu können, fördert die Regierung die Zuwanderung aus anderen Landesteilen der Union.
An der Kreuzung Delanipur-Junction, einer Art Einkaufszentrum für die Einheimischen, drängen sich die Kunden in der Archipelhauptstadt Port Blair an den Holzständen und Läden. Reissäcke liegen auf der Straße, beim Metzger hängen Hammelbeine an Schnüren von der Decke; vom Getümmel unberührt durchwühlen heilige Kühe den Abfall nach Fressen. Das Geschäft gehe gut, freut sich der Gemüsehändler G Veerakumar:
"Der Laden brummt. Inzwischen leben viel mehr Menschen hier, wir verkaufen sehr gut."
Kartoffeln für 18 Rupies, umgerechnet 25 Cent, die Zwiebeln kosten 50 Cent das Kilo. Blumenkohl sei zur Zeit besonders billig, lächelt der 32-jährige Geschäftsmann, der komme nämlich aus einheimischer Produktion, während die meisten anderen Nahrungsmittel noch importiert werden. Doch auch das ändere sich:
G Veerakumar Gemüseproduzenten aus Bengalen: "Die Gemüseproduktion auf den Inseln nimmt zu. Es kommen viele Landwirte aus Bengalen, die ihr Handwerk gut beherrschen. So wird auf allen Nachbarinseln immer mehr angebaut und hierher geliefert."
Wie in alten Kolonialzeiten
Dass die Neuankömmlinge den einheimischen Urvölkern den Lebensraum streitig machen, daran denkt G Veerakumar nicht. Die werden in immer kleine Reservate zurückgedrängt. Ohne Rücksicht auf Verluste, sagt der Menschenrechtler Samir Acharya. Daran habe sich seit den alten Kolonialzeiten nichts geändert:
"Die Andamanen sind heutzutage nichts anderes als eine Kolonie des unabhängigen Indiens. Es herrscht hier wie einst die Briten in Indien. An der Einstellung hat sich nichts geändert, nur die Hautfarbe der Herrscher von weiß zu dunkelbraun."
Die Ureinwohner der Insel werden als Störfaktor betrachtet, die die wirtschaftliche Entwicklung der Region behindern. Im Umgang mit ihnen sei die Regierung alles andere als zimperlich:
"Einer der Polizeichefs hat, als die Ureinwohner sich gegen die Eindringlinge wehrten, sogar die Marine um ein kleines Flugzeug gebeten, um die Jarawas zu bombardieren! Glücklicherweise wurde das nicht genehmigt. Aber es gab so verrückte Ideen. Und heute wird diskutiert, die letzten Jarawas wieder umzusiedeln. Da kann ich nur fragen, warum wir in ihrem Gebiet siedeln. Sie waren schließlich zuerst hier!"
Jetzt kommen Touristen an die atemberaubenden, noch weitgehend unberührten Strände der Andamanen. Reiche und immer unternehmungslustigere Inder der Mittelschicht, die durch die Korallenriffe der Inseln schnorcheln und tauchen und es sich in luxuriösen Resorts gut gehen lassen. Dazu Rucksacktouristen aus Europa, Australien und Israel, die ein billiges Hippie-Aussteiger-Leben auf den weniger erschlossenen Inseln genießen, Nacktbade- und Haschischparties – beides in Indien eigentlich streng verboten – eingeschlossen.
Verantwortungsbewusste Tourismusmanager legen natürlich großen Wert darauf, dass die Besucher die bestehenden Vorschriften zum Schutz der Urvölker respektieren. Susheel Dixit – er besitzt Resorts, Tauchschulen und Hotels auf der Hauptreiseinsel Havelock und in der Hauptstadt Port Blair – zum Beispiel ist rigoros:
"Wir müssen sehr vorsichtig mit den Eingeborenen umgehen. Sie dürfen auf keinen Fall wie Tiere im Zoo behandelt und ausgestellt werden. Irgendwelcher Kontakt muss von den Eingeborenen ausgehen und sie müssen, wenn sie mit unserer sogenannten Zivilisation in Kontakt treten, gerecht behandelt werden. Auf keinen Fall dürfen sie ihre Kultur verlieren."
Um eine solche Gefahr auszuschließen, ist das Betreten der letzten Rückzugsgebiete der Urvölker strengstens verboten. Trotzdem organisieren schwarze Schafe unter den Reiseanbietern der Inseln immer wieder Ausflüge in Eingeborenenreservate, bisweilen mit der Hilfe korrupter Polizisten, die die Urvölker eigentlich beschützen sollten.
Manche Touristen stellen Videos solcher Menschensafaris sogar ins Internet.
Die Aufnahmen zeigen, wie alte und junge Jarawas für billige Touristengeschenke tanzen und sich von den Polizisten vorführen lassen.
Samir Acharya und verschiedene Menschenrechtsorganisationen haben auf diese Auswüchse aufmerksam gemacht, immer wieder Kampagnen dagegen geführt. Im Gegenzug werde dann der eine oder andere Tourist wegen unerlaubten Besuchs der Eingeborenengebiete zu Recht oder Unrecht verhaftet, am Grundproblem, der Korruption, die die Menschensafaris ermögliche, ändere sich jedoch nichts, klagt Acharya:
"Natürlich kann durch den Tourismus viel zerstört werden. Die Regierung hat sogar versucht, Beschränkungen durchzusetzen. Nur werden in Indien eben auch viele Vorschriften missachtet, erfüllen viele Amtsträger ihre Pflicht nicht, weil sie genau dafür von irgendjemandem gut bezahlen werden."
Obendrein nimmt es auch die Inselregierung mit den Gesetzen nicht so genau. Die ließ – natürlich im Namen von Entwicklung und Fortschritt – eine Straße von der Archipelhauptstadt Port Blair in den unterentwickelten Norden der Region bauen.
Mitten durch das Stammesgebiet des Jarawa-Volkes und völlig illegal, wie inzwischen auch das oberste indische Gericht festgestellt hat. Die Proteste der Menschenrechtsorganisationen vor dem Straßenbau wurden nicht zur Kenntnis genommen, die angestammten Rechte der Jarawas ignoriert. Mit katastrophalen Konsequenzen, stellt Samir Acharya fest:
"Trotz unserer Klagen und des Gerichtsbeschlusses weigert sich die Regierung, die Straße zu sperren. Die Jarawas werden so immer stärker unserem Einfluss ausgesetzt. Vor allem junge Männer lassen sich von den sogenannten Vorteilen unserer Kultur verlocken und verbringen immer mehr Zeit am Straßenrand, weil sie auf Geschenke hoffen."
"Die Andamanen sind heutzutage nichts anderes als eine Kolonie des unabhängigen Indiens. Es herrscht hier wie einst die Briten in Indien. An der Einstellung hat sich nichts geändert, nur die Hautfarbe der Herrscher von weiß zu dunkelbraun."
Die Ureinwohner der Insel werden als Störfaktor betrachtet, die die wirtschaftliche Entwicklung der Region behindern. Im Umgang mit ihnen sei die Regierung alles andere als zimperlich:
"Einer der Polizeichefs hat, als die Ureinwohner sich gegen die Eindringlinge wehrten, sogar die Marine um ein kleines Flugzeug gebeten, um die Jarawas zu bombardieren! Glücklicherweise wurde das nicht genehmigt. Aber es gab so verrückte Ideen. Und heute wird diskutiert, die letzten Jarawas wieder umzusiedeln. Da kann ich nur fragen, warum wir in ihrem Gebiet siedeln. Sie waren schließlich zuerst hier!"
Jetzt kommen Touristen an die atemberaubenden, noch weitgehend unberührten Strände der Andamanen. Reiche und immer unternehmungslustigere Inder der Mittelschicht, die durch die Korallenriffe der Inseln schnorcheln und tauchen und es sich in luxuriösen Resorts gut gehen lassen. Dazu Rucksacktouristen aus Europa, Australien und Israel, die ein billiges Hippie-Aussteiger-Leben auf den weniger erschlossenen Inseln genießen, Nacktbade- und Haschischparties – beides in Indien eigentlich streng verboten – eingeschlossen.
Verantwortungsbewusste Tourismusmanager legen natürlich großen Wert darauf, dass die Besucher die bestehenden Vorschriften zum Schutz der Urvölker respektieren. Susheel Dixit – er besitzt Resorts, Tauchschulen und Hotels auf der Hauptreiseinsel Havelock und in der Hauptstadt Port Blair – zum Beispiel ist rigoros:
"Wir müssen sehr vorsichtig mit den Eingeborenen umgehen. Sie dürfen auf keinen Fall wie Tiere im Zoo behandelt und ausgestellt werden. Irgendwelcher Kontakt muss von den Eingeborenen ausgehen und sie müssen, wenn sie mit unserer sogenannten Zivilisation in Kontakt treten, gerecht behandelt werden. Auf keinen Fall dürfen sie ihre Kultur verlieren."
Um eine solche Gefahr auszuschließen, ist das Betreten der letzten Rückzugsgebiete der Urvölker strengstens verboten. Trotzdem organisieren schwarze Schafe unter den Reiseanbietern der Inseln immer wieder Ausflüge in Eingeborenenreservate, bisweilen mit der Hilfe korrupter Polizisten, die die Urvölker eigentlich beschützen sollten.
Manche Touristen stellen Videos solcher Menschensafaris sogar ins Internet.
Die Aufnahmen zeigen, wie alte und junge Jarawas für billige Touristengeschenke tanzen und sich von den Polizisten vorführen lassen.
Samir Acharya und verschiedene Menschenrechtsorganisationen haben auf diese Auswüchse aufmerksam gemacht, immer wieder Kampagnen dagegen geführt. Im Gegenzug werde dann der eine oder andere Tourist wegen unerlaubten Besuchs der Eingeborenengebiete zu Recht oder Unrecht verhaftet, am Grundproblem, der Korruption, die die Menschensafaris ermögliche, ändere sich jedoch nichts, klagt Acharya:
"Natürlich kann durch den Tourismus viel zerstört werden. Die Regierung hat sogar versucht, Beschränkungen durchzusetzen. Nur werden in Indien eben auch viele Vorschriften missachtet, erfüllen viele Amtsträger ihre Pflicht nicht, weil sie genau dafür von irgendjemandem gut bezahlen werden."
Obendrein nimmt es auch die Inselregierung mit den Gesetzen nicht so genau. Die ließ – natürlich im Namen von Entwicklung und Fortschritt – eine Straße von der Archipelhauptstadt Port Blair in den unterentwickelten Norden der Region bauen.
Mitten durch das Stammesgebiet des Jarawa-Volkes und völlig illegal, wie inzwischen auch das oberste indische Gericht festgestellt hat. Die Proteste der Menschenrechtsorganisationen vor dem Straßenbau wurden nicht zur Kenntnis genommen, die angestammten Rechte der Jarawas ignoriert. Mit katastrophalen Konsequenzen, stellt Samir Acharya fest:
"Trotz unserer Klagen und des Gerichtsbeschlusses weigert sich die Regierung, die Straße zu sperren. Die Jarawas werden so immer stärker unserem Einfluss ausgesetzt. Vor allem junge Männer lassen sich von den sogenannten Vorteilen unserer Kultur verlocken und verbringen immer mehr Zeit am Straßenrand, weil sie auf Geschenke hoffen."
Verlockungen der Zivilisation
Zu groß seien die scheinbaren Verlockungen der Zivilisation für mache Jarawa, die ihr ganzes Leben im Dschungel verbracht hatten, stellt der Menschenrechtler Acharya trocken fest.
Doch statt Kautabak oder T-Shirts zu ergattern, werden viele Jarawas von den dahindonnernden Lastwagen nachts einfach überfahren. Die Zahl der Waisen unter dem Naturvolk habe dramatisch zugenommen, erzählt Samir Acharya. Im Gegenzug töten die aufgebrachten Krieger manchmal wehrlose Siedler, die sich zu weit ins Jarawa-Land gewagt haben. Jetzt sind die Fronten hoffnungslos verhärtet, meint Acharya.
"Der Interessenkonflikt dauert schon viel zu lange. Wir haben eine Straße durch ihr Gebiet gebaut, sie haben versucht, Widerstand zu leisten. Beide Seiten haben Leben genommen. Die Jarawas haben unsere Leute umgebracht und wir haben viel mehr Jarawas ermordet. Unsere Verluste sind gut dokumentiert. Doch die Jarawas verstecken ihre Toten im Dschungel. Darum wissen wir nicht einmal, wie viele von ihnen umgekommen sind."
Und die meisten Bewohner der Andamanen wollen das auch gar nicht wissen. G. Veerakumar, der Gemüsehändler an der Delanipur-Kreuzung, sieht nur die Vorteile, die der Archipel den Indern bietet. Auch er ist Sohn eines Zuwanderers, seine Familie kommt aus dem südindischen Staat Tamil Nadu und, so freut er sich, lebe auf den Andamanen viel besser als vorher. Veerakumar findet es richtig und gut, dass die Politiker immer mehr Einwanderer auf den Archipel locken:
"Die Leute sagen zu Recht, hier ist das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Hier gibt es – anders als im Rest Indiens – für jeden einen Job, darum kommen so viele. Egal, ob Landwirtschaft oder Büros, überall gibt es Arbeit. Immer mehr emigrieren hierher, weil sie hier besser verdienen als anderswo."
Der Konflikt wird also weitergehen, immer mehr Inder werden im Land des Jarawa-Volkes auf den Andaman-Inseln siedeln. Daran, so der Menschenrechtler Samir Acharya, würden auch halbherzige Schutzvorschriften nichts ändern:
"Die Jarawa haben ihr Land verloren, seit Jahrhunderten werden sie immer wieder umgesiedelt. Wir haben sie in eine Art kleine Kolonie abgedrängt, in ein sogenanntes Stammesreservat. Aber wie kann es ein Naturvolk ohne eigenes Territorium geben? Wenn man ihm sein Land nimmt, stirbt dieses Volk!"
Samir Acharya, der 70 Jahre alte Mann hat sein Leben lang für die Rechte des Jarawa-Stammes gekämpft. ‚Warum lassen wir die Jarawas nicht wenigstens in Würde sterben’, fragt er, bevor er von seinem Schreibtisch aufsteht und geht.
Doch statt Kautabak oder T-Shirts zu ergattern, werden viele Jarawas von den dahindonnernden Lastwagen nachts einfach überfahren. Die Zahl der Waisen unter dem Naturvolk habe dramatisch zugenommen, erzählt Samir Acharya. Im Gegenzug töten die aufgebrachten Krieger manchmal wehrlose Siedler, die sich zu weit ins Jarawa-Land gewagt haben. Jetzt sind die Fronten hoffnungslos verhärtet, meint Acharya.
"Der Interessenkonflikt dauert schon viel zu lange. Wir haben eine Straße durch ihr Gebiet gebaut, sie haben versucht, Widerstand zu leisten. Beide Seiten haben Leben genommen. Die Jarawas haben unsere Leute umgebracht und wir haben viel mehr Jarawas ermordet. Unsere Verluste sind gut dokumentiert. Doch die Jarawas verstecken ihre Toten im Dschungel. Darum wissen wir nicht einmal, wie viele von ihnen umgekommen sind."
Und die meisten Bewohner der Andamanen wollen das auch gar nicht wissen. G. Veerakumar, der Gemüsehändler an der Delanipur-Kreuzung, sieht nur die Vorteile, die der Archipel den Indern bietet. Auch er ist Sohn eines Zuwanderers, seine Familie kommt aus dem südindischen Staat Tamil Nadu und, so freut er sich, lebe auf den Andamanen viel besser als vorher. Veerakumar findet es richtig und gut, dass die Politiker immer mehr Einwanderer auf den Archipel locken:
"Die Leute sagen zu Recht, hier ist das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Hier gibt es – anders als im Rest Indiens – für jeden einen Job, darum kommen so viele. Egal, ob Landwirtschaft oder Büros, überall gibt es Arbeit. Immer mehr emigrieren hierher, weil sie hier besser verdienen als anderswo."
Der Konflikt wird also weitergehen, immer mehr Inder werden im Land des Jarawa-Volkes auf den Andaman-Inseln siedeln. Daran, so der Menschenrechtler Samir Acharya, würden auch halbherzige Schutzvorschriften nichts ändern:
"Die Jarawa haben ihr Land verloren, seit Jahrhunderten werden sie immer wieder umgesiedelt. Wir haben sie in eine Art kleine Kolonie abgedrängt, in ein sogenanntes Stammesreservat. Aber wie kann es ein Naturvolk ohne eigenes Territorium geben? Wenn man ihm sein Land nimmt, stirbt dieses Volk!"
Samir Acharya, der 70 Jahre alte Mann hat sein Leben lang für die Rechte des Jarawa-Stammes gekämpft. ‚Warum lassen wir die Jarawas nicht wenigstens in Würde sterben’, fragt er, bevor er von seinem Schreibtisch aufsteht und geht.