Der Liberalismus kann der FDP nicht mehr helfen!
Zu einer bleibenden Stärke haben es die deutschen Liberalen, gleich welcher Couleur, niemals gebracht. Sie waren und blieben die Opfer einer Vergangenheit, in der die bürgerlich-liberale Revolution gescheitert war, meint der Publizist Rolf Schneider.
Die Überlieferung unserer staatstragenden Parteien reicht weit zurück hinter das Jahr 1945. Die SPD pflegt dies gerne hervorzukehren: Sie sei von allen die älteste überhaupt. Die Unionsparteien tun das nicht, obschon doch ihre Ursprünge im Zentrum liegen, das kaum viel jünger ist als die Sozialdemokratie. Wenn die Grünen eine so traditionslos junge Partei sind, liegt dies daran, dass ihr Hauptinhalt, die Ökologie, als gesamtgesellschaftliches Problem erst relativ spät wahrgenommen wurde; im Übrigen ist sie Fleisch vom Fleisch der SPD.
Wie aber steht es um die Liberalen?
Auch sie haben historische Wurzeln, aber die sind gespalten, und sie sind dünn. Beginnen wir mit der Ideologie. Alle wichtigen liberalen Denker der Vergangenheit, von Smith und Mill über Jefferson bis Tocqueville sind Angelsachsen oder Franzosen. Wir in Deutschland haben ein paar eindrucksvolle Literaten, Büchner, Heine und Börne; sie wurden ins Exil getrieben und starben jenseits der Grenzen.
In England, den USA und Frankreich hat einst der Liberalismus politisch gesiegt. Er hat mächtige politische Parteien hervorgebracht und dominante politische Führer, Gladstone, Lincoln und Clemenceau, um ein paar Namen zu nennen. Auch Deutschland hatte eindrucksvolle liberale Politiker, Jacoby zum Beispiel, aber den kennt heute keiner mehr, oder Virchow. Den kennt man auch heute noch, doch man kennt ihn als Mediziner, nicht als Abgeordneten zum Deutschen Reichstag.
Virchow war Mitglied der Freisinnigen. Sie vertraten einen konsequenten Liberalismus. Daneben gab es die einflussreicheren Nationalliberalen, die in die Paulskirchenversammlung als Deputierten den Schriftsteller Gustav Freytag entsandten. In dessen Büchern lässt sich nachlesen, wie es bei seinesgleichen um den Liberalismus stand: Der war nationalromantisch eingefärbt, vertrat eine maßvolle Marktwirtschaft, war royalistisch, zart antisemitisch und suchte einen friedlichen Ausgleich mit dem Ständestaat.
In der Republik von Weimar setzte sich dies fort. Die radikalliberale DDP Walther Rathenaus war erheblich schwächer als die DVP, deren bekanntester Politiker Gustav Stresemann als überzeugter Monarchist begann und lebenslang konservative Neigungen hegte.
Die FDP in den Westzonen hat beide Traditionen aufgenommen. Die nationalliberale dominierte für längere Zeit, mit Politikern wie dem Ritterkreuzträger Mende und dem vormals hochrangigen Jungnazi Bucher; der eher der DDP-Traditionen nahe stehende Theodor Heuss war gehandicapt, da er 1933 als Reichstagsabgeordneter für Hitlers Ermächtigungsgesetz gestimmt hatte.
Erst die Gruppe um Scheel und Flach hat die DDP-Überlieferung reanimiert. Ihre Beteiligung an den sozialliberalen Regierungen war die vielleicht glücklichste Zeit ihrer Partei. Zu einer bleibenden numerischen Stärke haben es die deutschen Liberalen, gleich welcher Couleur, niemals gebracht. Sie waren und blieben die Opfer einer Vergangenheit, in der die bürgerlich-liberale Revolution gescheitert war.
Ziele des Liberalismus sind: Marktfreiheit, Gedankenfreiheit und Republikanismus. Dies alles hat die Bundesrepublik verwirklicht. Es ist selbstverständlich geworden und Verfassungsprinzip. Aufgabe einer liberalen Partei heute kann es sein, jene Grundsätze, sofern sie bedroht oder eingeschränkt werden, zu verteidigen. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger tut dies gelegentlich. Ansonsten begreift sich die FDP als Lobby der Besserverdienenden oder wird so begriffen. Woher sollte sie für ein Mehr auch die Energien beziehen? Aus ihrer verworrenen und oft glücklosen Vergangenheit eher nicht.
Rolf Schneider stammt aus Chemnitz. Er war Redakteur der kulturpolitischen Monatszeitschrift Aufbau in Berlin (Ost) und wurde dann freier Schriftsteller. Wegen ‘groben Verstoßes gegen das Statut’ wurde er im Juni 1979 aus dem DDR-Schriftstellerverband ausgeschlossen, nachdem er unter anderem zuvor mit elf Schriftstellerkollegen in einer Resolution gegen die Zwangsausbürgerung Wolf Biermanns protestiert hatte. Veröffentlichungen u.a. ‘November’, ‘Volk ohne Trauer’ und ‘Die Sprache des Geldes’. Rolf Schneider schreibt gegenwärtig für eine Reihe angesehener Zeitungen und äußert sich insbesondere zu kultur- und gesellschaftspolitischen Themen.
Wie aber steht es um die Liberalen?
Auch sie haben historische Wurzeln, aber die sind gespalten, und sie sind dünn. Beginnen wir mit der Ideologie. Alle wichtigen liberalen Denker der Vergangenheit, von Smith und Mill über Jefferson bis Tocqueville sind Angelsachsen oder Franzosen. Wir in Deutschland haben ein paar eindrucksvolle Literaten, Büchner, Heine und Börne; sie wurden ins Exil getrieben und starben jenseits der Grenzen.
In England, den USA und Frankreich hat einst der Liberalismus politisch gesiegt. Er hat mächtige politische Parteien hervorgebracht und dominante politische Führer, Gladstone, Lincoln und Clemenceau, um ein paar Namen zu nennen. Auch Deutschland hatte eindrucksvolle liberale Politiker, Jacoby zum Beispiel, aber den kennt heute keiner mehr, oder Virchow. Den kennt man auch heute noch, doch man kennt ihn als Mediziner, nicht als Abgeordneten zum Deutschen Reichstag.
Virchow war Mitglied der Freisinnigen. Sie vertraten einen konsequenten Liberalismus. Daneben gab es die einflussreicheren Nationalliberalen, die in die Paulskirchenversammlung als Deputierten den Schriftsteller Gustav Freytag entsandten. In dessen Büchern lässt sich nachlesen, wie es bei seinesgleichen um den Liberalismus stand: Der war nationalromantisch eingefärbt, vertrat eine maßvolle Marktwirtschaft, war royalistisch, zart antisemitisch und suchte einen friedlichen Ausgleich mit dem Ständestaat.
In der Republik von Weimar setzte sich dies fort. Die radikalliberale DDP Walther Rathenaus war erheblich schwächer als die DVP, deren bekanntester Politiker Gustav Stresemann als überzeugter Monarchist begann und lebenslang konservative Neigungen hegte.
Die FDP in den Westzonen hat beide Traditionen aufgenommen. Die nationalliberale dominierte für längere Zeit, mit Politikern wie dem Ritterkreuzträger Mende und dem vormals hochrangigen Jungnazi Bucher; der eher der DDP-Traditionen nahe stehende Theodor Heuss war gehandicapt, da er 1933 als Reichstagsabgeordneter für Hitlers Ermächtigungsgesetz gestimmt hatte.
Erst die Gruppe um Scheel und Flach hat die DDP-Überlieferung reanimiert. Ihre Beteiligung an den sozialliberalen Regierungen war die vielleicht glücklichste Zeit ihrer Partei. Zu einer bleibenden numerischen Stärke haben es die deutschen Liberalen, gleich welcher Couleur, niemals gebracht. Sie waren und blieben die Opfer einer Vergangenheit, in der die bürgerlich-liberale Revolution gescheitert war.
Ziele des Liberalismus sind: Marktfreiheit, Gedankenfreiheit und Republikanismus. Dies alles hat die Bundesrepublik verwirklicht. Es ist selbstverständlich geworden und Verfassungsprinzip. Aufgabe einer liberalen Partei heute kann es sein, jene Grundsätze, sofern sie bedroht oder eingeschränkt werden, zu verteidigen. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger tut dies gelegentlich. Ansonsten begreift sich die FDP als Lobby der Besserverdienenden oder wird so begriffen. Woher sollte sie für ein Mehr auch die Energien beziehen? Aus ihrer verworrenen und oft glücklosen Vergangenheit eher nicht.
Rolf Schneider stammt aus Chemnitz. Er war Redakteur der kulturpolitischen Monatszeitschrift Aufbau in Berlin (Ost) und wurde dann freier Schriftsteller. Wegen ‘groben Verstoßes gegen das Statut’ wurde er im Juni 1979 aus dem DDR-Schriftstellerverband ausgeschlossen, nachdem er unter anderem zuvor mit elf Schriftstellerkollegen in einer Resolution gegen die Zwangsausbürgerung Wolf Biermanns protestiert hatte. Veröffentlichungen u.a. ‘November’, ‘Volk ohne Trauer’ und ‘Die Sprache des Geldes’. Rolf Schneider schreibt gegenwärtig für eine Reihe angesehener Zeitungen und äußert sich insbesondere zu kultur- und gesellschaftspolitischen Themen.